Was Corona-Impfstoffe mit abgetriebenen Embryonen zu tun haben – und was nicht

Ein Argument gegen die Corona-Schutzimpfung lautet: Die Impfstoffe wurden aus abgetriebenen Embryonen gewonnen. Was ist dran an dieser Aussage?
Von Norbert Schäfer
Impfung Corona

Der Druck auf Ungeimpfte wird sowohl vonseiten der Politik als auch in der öffentlichen Diskussion immer stärker, vor allem angesichts der seit November massiv steigenden Infektionszahlen und immer mehr belegter Intensivbetten. Dass Ungeimpfte aus Teilen des öffentlichen Lebens ausgeschlossen werden, fördert die Sorge vor einer Stigmatisierung dieser Menschen, die sie auch ganz konkret in ihrem Alltag erleben. Die Gründe für ihre Entscheidung sind unterschiedlich. Angst vor einer Impfreaktion, Skepsis wegen fehlender Erkenntnisse über Spätfolgen oder etwa die Vorstellung, dass eine Gruppe weniger Mächtiger und Superreicher die Menschheit auszurotten versucht.

Für manche spielen auch ethische Bedenken eine Rolle. Diese Personen führen unter anderem an, dass die Impfstoffe unter Zuhilfenahme „fetaler menschlicher Zelllinien“ produziert werden, oder mindestens in der Entwicklungsphase an diesen getestet wurden. Mit anderen Worten: Zellen, die bei der Entwicklung, Herstellung und Prüfung der Impfstoffe zur Anwendung kommen, stammen aus Abtreibungen.

„Bei den in Deutschland verfügbaren Impfstoffen sind humane fetale Zelllinien ein fester Bestandteil der Impfstoffherstellung gegen Windpocken, Röteln, Hepatitis A und neuerdings auch Corona“, erklärt Paul Cullen, Facharzt für Innere Medizin und Laboratoriumsmedizin in Münster sowie Vorsitzender des Vereins „Ärzte für das Leben“. Der Verein tritt nach eigener Angabe „für den Schutz menschlichen Lebens von der Eizellbefruchtung bis zum natürlichen Tod ein“. Dass Hersteller menschliche Zelllinien bei der Produktion der Corona-Vakzine einsetzen, bestätigt das mit Impfstoffen befasste Paul-Ehrlich-Institut (PEI) auf seiner Website. Aber es bestehe zum Teil der Irrtum, „es würden immer wieder Föten abgetrieben, um die Impfstoffe herstellen zu können“. Das sei „natürlich nicht der Fall“, teilte das PEI auf Anfrage mit.

Vatikan: Impfstoffe „moralisch akzeptabel“

Menschliche Zelllinien spielen auch beim Impfstoff gegen Masern eine Rolle: Der Wirkstoff steht in Deutschland nur als Kombipräparat mit Wirkstoffen gegen Mumps und Röteln zur Verfügung. Der Röteln-Impfstoff werde auf der Basis von humanen diploiden Zellen hergestellt, also einer menschlichen Zellkulturlinie, die ursprünglich aus der Lunge eines 14 Wochen alten, männlichen Fötus stammen, erklärt Cullen. Zu den Corona-Impfstoffen teilt das PEI auf seiner Website mit: „Im Fall von Vaxzevria (der Impfstoff von AstraZeneca, d. Red.) erfolgt die Vermehrung dieser Viren auf der Zelllinie 293 HEK (Human Embryonic Kidney), im Fall des Impfstoffs von Johnson&Johnson auf der Zelllinie PER.C6 (aus humanen fötalen Retinazellen).“

Cullen sagt: „Die HEK-Zelllinie, das wissen wir, wurde aus der Niere eines zwölf Wochen alten abgetriebenen Mädchens heraus präpariert“ – wahrscheinlich aus dem Jahr 1973, darüber herrscht Uneinigkeit. Die Zelllinie PER-C6 stammte laut PEI „von einem 1985 abgetriebenen Fötus“. Menschliche Zelllinien, sagt Cullen, würden heute in Bioreaktoren vervielfältigt und fänden neben der Impfstoffherstellung auch Verwendung bei der Produktion und Erforschung von Krebsmedikamenten. Sogar in der Nahrungsmittelindustrie würden die Zellen bei der Entwicklung von Geschmacksverstärkern verwendet, wobei in den letzten Jahren der Impfstoffhersteller Sanofi-Pasteur, der Hersteller von Pepsi-Cola und der Lebensmittelhersteller Kraft aufgrund des öffentlichen Drucks ihre Produktion auf ethisch unbedenkliche Alternativen umgestellt hätten. Derzeit sind in Deutschland vier Impfstoffe gegen Covid-19 verfügbar. „Die Vektorenimpfstoffe von AstraZeneca und Johnson&Johnson werden in humanen fetalen Zelllinien entwickelt, getestet und hergestellt, die aus abgetriebenen Kindern gewonnen wurden. Bei den beiden mRNA-Impfstoffen von Biontech/Pfizer und Moderna kamen sie nach derzeitiger Information bei Testschritten zur Anwendung“, sagt Cullen.

Aus ethischer Sicht spitzt sich der Umstand in der Frage zu, ob man in einer Notlage, wie im Fall der Corona-Pandemie, von etwas profitieren darf, selbst wenn es unter moralisch fragwürdigen Umständen – einer Abtreibung – entstanden ist. Mit dieser Frage beschäftigte sich auch die Katholische Kirche. Sie lehnt Schwangerschaftsabbrüche klar ab. Die Glaubenskongregation des Vatikan kam jedoch Ende vorigen Jahres zu der Einschätzung, die verfügbaren Covid-Impfstoffe seien „moralisch akzeptabel“, wenn auch nicht „ethisch einwandfrei“. Wer sich impfen lasse, beteilige sich damit nicht formell an einer Abtreibung. Gerade in einer Notlage wie der Verbreitung eines Krankheitserregers, der nicht anders aufzuhalten sei, sei es angezeigt, sich impfen zu lassen. Auch Papst Franziskus persönlich hat die Verwendung der Impfstoffe befürwortet und zur Impfung aufgerufen, weil dies einen „Akt der Liebe“ darstelle.

Die „Ärzte für das Leben“ fordern deshalb eine besondere Kennzeichnungspflicht für die Wirkstoffe, die unter Zuhilfenahme humaner fetaler Zelllinien entwickelt werden. Das PEI sieht diese Forderung bereits als erfüllt an, „denn in der Produktinformation ist es ja angegeben, mit welchen Zellen die Viren vermehrt wurden“, teilt das Institut mit. Markus Frenz, Koordinator des Arbeitskreises Ethik in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Mediziner (ACM), warnt davor, die ethische Debatte ausschließlich auf dem „moralischen Hochplateau“ zu führen. Der ACM hat bisher keine Stellungnahme zum Thema Covid-19-Impfung erstellt. Stattdessen haben die Mediziner Anfang Oktober ihre Mitglieder dazu befragt, 271 Personen beteiligten sich daran. Von ihnen gaben 86 Prozent an, die Covid-19-Impfung „uneingeschränkt“ entsprechend der Zulassung der Impfstoffe zu empfehlen. Zwölf Prozent der Befragten empfehlen die Impfung dagegen nur für Risiko-Patienten, zwei Prozent sind gegen eine Impfung. 93 Prozent gaben an, selbst geimpft zu sein. „Unsere Mitglieder haben ein klares Signal gesetzt“, erklärte der Vorsitzende des ACM, Adrian Pilatz, und weiter: „Zugleich sind wir aufgefordert, respektvoll mit Sorgen und anderen Meinungen umzugehen.“

Dieser Text ist ein Auszug aus der Titelgeschichte der aktuellen Ausgabe 6/2021 des Christlichen Medienmagazins PRO. Das Heft können Sie kostenlos online bestellen oder telefonisch unter 0 64 41/5 66 77 00.

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9 Antworten

  1. Ob jetzt das röm. katholische Oberhaupt die Notzulassung dieser Impfung gutheißt oder nicht ist letztlich eine Gewissensfrage für jeden einzelnen Christen. Die Geschichte sollte uns lehren die gleichen Fehler wie 1933 nicht wieder zu begehen, auch damals haben die sog. christlichen Großkirchen nicht gegen die totalitäre Entwicklung aktiv gekämpft sondern dies dem „Fußvolk“ überlassen.
    Zu meinen ein Mord ist akzeptabel bei Verwendung zu Heilerfolgen geht wohl nur wenn die Bibel als Märchenbuch abgetan wird. Gut dass Jesus Christus einmal gerecht und ohne Ansehen der Person richten wird. Übrigens stehen wir bereit in den Geburtswehen die Jesus in den Endzeitreden angekündigt hat.

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  2. Gott sei Dank mal ein lesbarer Artikel zur Thematik: In den Mainstream-Medien war – u.a. vom Direktor des PEI – stets die dümmste und kurioseste Story über den Hintergrund erzählt worden, die dann lächerlich gemacht und am Ende gar nicht bewantwortet, ja nicht einmal beleuchtet wurden, dass man tatsächlich mit einer ethischen Frage konfrontiert ist: Partizipiert man daran, dass einst ein Kind abegetriebne – getötet wurde und (ohne Wissen der Eltern) Organe entnommen wurden….

    Übirgen haben die Herstellter von Pfizer zunächst verheimlicht, dass die Zelllinien zum Einsatz kamen – erst durch Whistleblower kam dies zutage. Das ist auch so eine traurige Wahrheit an der Sache. Aber noch schlimmer ist die Argumentation, die ich in die Zeit lesen konnte (mal flappsig, aber treffen vorgetragen): Abtreibung ist gut (Frauenrecht…) dann umso besser, weil ja …. Ne, sorry. Da ging total der Kompass verloren!

    Unter Strich kann ich jeden Christ verstehen, der sagt, dass er hier nicht mitgehen will. Und ich kann einen Staat nicht verstehen, der übersieht, dass seine Bürger nicht bloß einen Picks vor sich haben mit Chance-Risiko-Relation, sondern eine tiefe ethische Frage. #Gewissensfreiheit

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  3. Danke für diesen guten und aufklärenden Beitrag. Mir ist dieses Argument von Impfskeptikern auch mehrfach vorgetragen worden, jedoch stets in dem Kontext, dass Frauen zum Zweck der Impfstoffproduktion unter fragwürdigen Umständen zur Abtreibung gedrängt würden.

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  4. Ich frage mich, ob hinter der Ablehnung der Impfung (wenn sie aus DIESEM Grund besteht), das folgende ethische Prinzip steht: Wir dürfen aus nichts Nutzen ziehen, das irgendwie durch falsche Handlungen gewonnen wurde. (Abtreibung ist falsch! Laut diesem Prinzip wird auch die Inanspruchnahme eines Impfschutzs durch eine Impfung, die unter Zuhilfenahme von Zellen, die einem aus einem anderen Grund abgetriebenen Menschen entstammen, entwickelt wurde, ethisch falsch.) Das frage ich mich wirklich.
    Wenn wir dieses Prinzip konsequent umsetzen wollten, würde es dann nicht auf der Welt sehr schwierig werden? Millionen US-Amerikanerinnen und Amerikaner würden ihr Land zurückgeben, ihren Wohlstand an die Nachfahren von Sklavinnen und Sklaven abgeben – und dann nach Europa zurückkehren. Niemand würde mehr zu billige Steaks oder T-Shirts kaufen, auch die meisten Handys würden wohl zurückgegeben (ich meine gelesen zu haben, dass die darin enthaltenen seltenen Erden nicht unter ethisch einwandfreien Bedingungen gefördert werden).
    Hätte dann Daniel überhaupt irgendetwas vom Koch des Königs von Babylon annehmen dürfen? Hätte Jakobs Familie in Ägypten ernährt werden dürfen? Nebukadnezar und der Pharao haben ihre Rechnungen sicher nicht nur mit sauberem Geld bezahlt.
    Gibt es ein richtiges Leben im falschen?
    Könnte die Unterscheidung zwischen der „direkten“ und der „materiellen“ Teilnahme an unmoralischem Tun aus der Ethik hier helfen? Dann würde klar, dass ich nicht dieselbe Verantwortung für das Tragen des T-Shirts wie der (ausbeuterische) Firmenboss vor Ort hätte. Und Geimpfte hätten nicht dieselbe Verantwortung wie Menschen, die abtreiben oder an und mit diesen Zellen forschen.

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  5. Bitte die Lebensmittelindusrie nicht vergessen. Und Alkohol wird in unserer Gesellschaft immer schön als Genussmittel abgetan. Was ist denn Alkohol genau. Und warum ist Aspartam ein zugelassener Zusatzstoff? Darf ein Christ bei der Massentierhaltung wegschauen? Geht es etwa NUR um Covid-19 ?

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