Politikbeauftragter vermisst klares Votum des Ethikrats für Lebensschutz

Der Ethikrat fordert in seiner Stellungnahme zur Suizidassistenz, Angebote zur Prävention zu schaffen. Dass darin der Lebensschutz weitgehend außen vor bleibt, bedauert der Politikbeauftragte der Evangelischen Allianz in Deutschland.
Von Norbert Schäfer
Der Theologe Uwe Heimowski ist das Gesicht der Deutschen Evangelischen Allianz (DEA) in Berlin

Der Deutsche Ethikrat hat am Donnerstag seine Stellungnahme zum assistierten Suizid veröffentlicht. Das Gremium hält Suizid grundsätzlich für ethisch vertretbar, fordert in seiner Stellungnahme vom Donnerstag aber auch, Angebote zur Suizidprävention zu schaffen.

Von den drei im Parlament vorliegenden Gesetzesentwürfen – keiner wird vom Ethikrat favorisiert – bleibt der Entwurf von Parlamentariern um den SPD-Abgeordneten Lars Castellucci beim Verbot der geschäftsmäßigen Suizidassistenz. Diese Abgeordneten wollen aber in eng umrissenen Grenzen Ausnahmen zulassen und fordern – wie nun auch vom Ethikrat angemahnt – Angebote zur Suizidprävention.

Wo bleibt der Lebensschutz?

Der Politikbeauftragte der Evangelischen Allianz in Deutschland (EAD), Uwe Heimowski, zeigt sich auf Anfrage von PRO enttäuscht von dem aktuellen Votum des Ethikrates. „Es fehlt der ethische Bezug zur Verantwortung des Staates, nicht nur die Freiheit des Einzelnen, sondern auch den Lebensschutz zu garantieren“, erklärt der EAD-Politikbeauftragte. Nach Heimowskis Ansicht unterscheide sich dieses ethische Votum kaum von der juristischen Vorgabe des Bundesverfassungsgerichtes. „Die Gesetzentwürfe im Bundestag gehen da weiter“, sagt er. „Immerhin räumt der Ethikrat den Einrichtungen ein, gemäß ihrem Selbstverständnis keine Suizidassistenz anbieten zu müssen.“

Das Bundesverfassungsgericht hat 2020 in einem Urteil verfügt, dass der Deutsche Bundestag die Suizidassistenz neu regeln muss. Das Gesetz müsse den Sterbewillen von Menschen respektieren, urteilte das Gericht. Parlamentariergruppen haben dazu bislang drei verschiedene Gesetzentwürfe im Parlament vorgelegt. Neben der Gruppe um Castellucci rücken zwei andere Gesetzesentwürfe die Durchsetzung des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben ins Zentrum. Bei der Suizidbeihilfe werden einem Sterbewilligen etwa todbringende Substanzen überlassen. Anders ist es bei der Tötung auf Verlangen, die in Deutschland verboten ist, bei der eine Personen einen anderen Menschen auf dessen Wunsch hin tötet.

Castellucci: „Assistierten Suizid ermöglichen, aber nicht fördern“

Die Ethikrat-Stellungnahme deckt sich mit einer wesentlichen Forderung, die auch die Parlamentarier um Castellucci stellen. Denn diese haben ihrem Entwurf einen Antrag zur Seite gestellt, in dem sie von der Regierung Präventionsmaßnahmen fordern. Entsprechend zufrieden zeigten sich am Donnerstag diese Politiker.

Zu der aktuellen Stellungnahme des Ethikrates zur Suizidbeihilfe erklärt Castellucci auf PRO-Anfrage: „Es ist gut, dass der Deutsche Ethikrat die Ermöglichung des assistierten Suizids und die Vorbeugung von Suiziden zusammendenkt.“ Der von ihm und anderen Parlamentariern vorgelegte Gesetzentwurf zur Neuregelung der Suizidhilfe wolle den assistierten Suizid ermöglichen, diesen aber nicht fördern. „Andernfalls würde sich der äußere Druck erhöhen, sich auf diese Weise das Leben zu nehmen, und das würde verletzliche Gruppen besonders treffen“, sagt Castellucci. Einer Förderung käme es seiner Ansicht nach gleich, wenn Angebote des assistierten Suizids leichter zugänglich wären als beispielsweise gesicherte und gute Pflege im Alter oder Hilfe in psychischen und psychosozialen Krisen.

Mit ihrem Antrag unter dem Titel „Suizidprävention stärken und selbstbestimmtes Leben ermöglichen“ will die Parlamentariergruppe um Castellucci einer solchen möglichen Schieflage entgegenwirken. „Unsere Gruppe ist die einzige, die begleitend einen eigenen Antrag zur Suizidprävention vorgelegt hat“, sagt der SPD-Politiker. Suizidgedanken offenbarten nicht immer Sterbewünsche, sondern oftmals, dass die betreffenden Personen nicht so leben oder weiterleben wollten, wie es sich für sie momentan darstelle. „In solchen Situationen braucht es vor allem Hilfe, Beratung, Unterstützung, einfacher gesagt: Menschen, die mit solchen Situationen umgehen können und auch das heute knappste Gut, nämlich Zeit dafür haben.“ Dieses Ziel bekräftige auch das Gutachten des Ethikrats.

Gröhe: „Nicht Eindruck vermitteln, Selbsttötung wäre erwünscht“

Der frühere Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) gehört der Parlamentariergruppe um Castellucci an. „Die Stellungnahme des Ethikrates ordnet die Debatte richtig: Vor allem steht das Vorbeugen von Selbsttötungen, auch in der Debatte um ein neues Gesetz zur Selbsttötungsbeihilfe“, erklärt Gröhe auf Anfrage. Sterbewünsche könnten völlig unterschiedliche Gründe haben, dies gelte es zu würdigen.

Gröhe: „Deshalb sehe ich durch den Ethikrat unseren Ansatz bestätigt, als Staat dafür Sorge zu tragen, dass eine solche Entscheidung wirklich selbstbestimmt getroffen wird.“ Der von ihm mitgetragene Gesetzesvorschlag sehe daher zwei verpflichtende Untersuchungen vor, zudem eine Beratung, die andere Auswege als die Selbsttötung aus vermeintlich ausweglosen Situationen aufzeige. „Für uns ist klar: Besonders verzweifelte Menschen müssen vor einem Klima bewahrt werden, in dem der Eindruck entsteht, eine Selbsttötung wäre erwünscht.“

Auch nach Auffassung von Diakonie-Präsident Ulrich Lilie setzt die Stellungnahme des Ethikrats „die richtigen Akzente, indem sie den Ausbau der Suizidprävention fordert“. Die Diakonie habe sich mehrfach dafür ausgesprochen, dass vor einer gesetzlichen Neuregelung des assistierten Suizids die Verabschiedung eines Suizidpräventions-Gesetzes nötig sei. „Suizidprävention gehört an die oberste Stelle“, erklärte Lilie. Eine zentrale Aufgabe der Suizidprävention ist es, wie der Ethikrat schreibt, „die Selbstbestimmungsfähigkeit zutiefst verunsicherter und psychisch hoch belasteter Personen zu bewahren oder wiederherzustellen“.



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9 Antworten

  1. Der deutsche Ethikrat kann natürlich auch nur zu einer Ethik raten, die auf deutschem Gesetz und deutscher Verfassung basiert. Daher kann es nur eine christliche Ethik sein. Warum? Weil sich unser Grundgesetz selbst in seiner Präambel in die Verantwortung vor Gott und dem Menschen gesetzt hat. Und zwar genau in dieser Reihenfolge. Und weil Gott sich explizit an Sein Wort, die Bibel, gebunden hat, die Bibel damit normativer Wille Gottes ist, und die Bibel sehr viel über Ethik zu sagen hat, im Gottesbezug des Menschen und des Menschen untereinander, darum kann die Ethik nur eine christliche sein. Alles andere wäre Gotteslästerung und ein verfassungsrechtlicher Rechtsbruch. Mir ist wohl bekannt, dass die Kommentatoren unserer Verfassung hinsichtlich der Präambel derselben Wischiwaschi reden, so, als sei das alles nicht so gemeint. Auch zu dieser Einstellung gilt allerdings das Gotteswort aus dem Galaterbrief: „Irret euch nicht, Gott lässt sich nicht spotten! (Man könnte auch auslegen: Widersprechen – Anm.jo146)Denn was der
    Mensch sät, das wird er ernten.“ Ein sehr ernstes Wort, welches keinen Spielraum für irgendeine andere Interpretation als die biblische zulässt.

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  2. @Jo146
    Ich finde es ja ethisch recht bedenklich, dass ein gewisser Herr Weber, der sich erst kürzlich larmoyant aus der Diskussion verabschiedet hat, nun unter Pseudonym weiter postet. Manche sprachlichen Manierismen und argumentativen Absonderlichkeiten sind einfach zu signifikant!
    MfG
    Inhaltlich sind Ihre Ausführungen völlig indiskutabel, weil sie letztlich auf eine Theokratie und eine Talibanisierung der Politik hinauslaufen. Menschen mit ihren Auffassungen dürfen um Gottes Willen nicht in politische Machtpositionen kommen.

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    1. „Im Bewusstsein der Verantwortung vor Gott und den Menschen…“ So steht`s in der Präambel des Grundgesetzes. Man hat`s doch nicht da hingeschrieben, weil man es MUSSTE! Nein, weil man es so WOLLTE! Und die Verfassung ist oberstes Recht in unserem Land. Jedes andere Recht muss sich immer vor der Verfassung prüfen lassen. Es ist völlig egal, wie man heute versucht, die Präambel zu interpretieren. Der Gottesbezug ist im Literalsinn völlig klar und bedarf keiner Interpretation. Gott hat völlig verstanden und wird uns auch demgemäß in die Pflicht nehmen hinsichtlich dem, was wir IHMN in der Präambel des GG versprochen haben. Und wenn man die Präambel so nicht mehr, will, dann muss man sie eben verändern. Aber so lange sie so dasteht, ist sie auch so anzuwenden. Ich vermute einfach mal, die Präambel kann auch mit politischen Mehrheiten heute nicht (mehr)geändert werden (??).

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      1. Dass die Präambel im GG steht, ist evident. Aber darum geht es doch gar nicht. Sie betreiben einmal mehr sehr fadenscheinige Augenwischerei. In Ihrem Kommentar möchten Sie für staatliches Handeln biblische Maßstäbe verbindlich machen. Und „biblische Maßstäbe“ sind für Sie das fundamentalistische Aufrufen von kontextfreien Satzwahrheiten und derweil können Sie nicht unterscheiden zwischen Ihrer enorm reduktionistischen, kuturell-historisch bedingten Lesart und dem Verstehenshorizont der jeweiligen biblischen Texte. Eine solche fundamentalistische Auffassung führt zu einer Talibanisierung der Politik. Und das hat nun mit der Präambel wirklich nichts zu tun!

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        1. „In Ihrem Kommentar möchten Sie für staatliches Handeln biblische Maßstäbe verbindlich machen“. Ich möchte gar nichts. Die Präambel haben die Väter und Mütter des GG doch selbst hineingeschrieben. Aus freien Stücken. Wie sieht denn „die Verantwortung vor Gott“ aus, was verstehen Sie denn darunter wenn nicht das, was die Bibel über das Beziehungsverhältnis Gott/Mensch sagt? Es ist wieder Ihre mittlerweile bekannte Art, mit vielen Worten Einfaches schwierig auszudrücken und den Anderen verbal „in Stücke zu hauen“. Ja, es ist einfach und Sie sind Meister des umständlichen Verklausulierens, des Umdeutens. „Im Bewusstsein der Verantwortung vor Gott …“ Gott verantwortlich sein mit seinem Tun. Natürlich gibt es Bereiche staatlichen Handelns, die rein verwaltungstechnisch zu gestalten sind, das Machbare machbar machen, dafür braucht es keinen Gottesbezug. Gemeint ist hier Bereich der Ethik. Warum muss ich Ihnen das erklären, der Sie doch so klug sind (?) „Talibanisierung der Politik“.. Mit Verlaub gesagt:
          Der reinste Stuss.

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  3. Liebe(r) Jo146.

    Sie schreiben:
    „Der deutsche Ethikrat kann natürlich auch nur zu einer Ethik raten, die auf deutschem Gesetz und deutscher Verfassung basiert. Daher kann es nur eine christliche Ethik sein. …“

    So sollte es sein. Doch ich tue mich, als „Amtskirchen-Christ“ bereits mit den Grundordnungen der Landeskirchen bzw. der EKD und dem Vergleich „zur Wirklichkeit“ schwer (Stichwort: „Glaubwürdigkeit“).
    Heißt es doch dort:

    1.
    „Grundlage der Evangelischen Kirche in Deutschland ist das Evangelium von Jesus Christus, wie es uns in er Heiligen Schrift Alten und Neuen Testaments gegeben ist. Indem sie diese Grundlage anerkennt, bekennt sich die Evangelische Kirche in Deutschland zu dem Einen Herrn der einen heiligen allgemeinen und apostolischen Kirche.“

    2.
    „Gemeinsam mit der alten Kirche steht die Evangelische Kirche in Deutschland auf dem Boden der altkirchlichen Bekenntnisse.
    Für das Verständnis der Heiligen Schrift wie auch der altkirchlichen Bekenntnisse sind in den lutherischen, reformierten und unierten Gliedkirchen und Gemeinden die für sie geltenden Bekenntnisse der Reformation maßgebend.“

    3.
    „Mit ihren Gliedkirchen bejaht die Evangelische Kirche in Deutschland die von der ersten Bekenntnissynode in Barmen getroffenen Entscheidungen. Sie weiß sich verpflichtet, als bekennende Kirche die Erkenntnisse des Kirchenkampfes über Wesen, Auftrag und Ordnung der Kirche zur Auswirkung zu bringen. Sie ruft die Gliedkirchen zum Hören auf das Zeugnis der Brüder und Schwestern. Sie hilft ihnen, wo es gefordert wird,
    zur gemeinsamen Abwehr kirchenzerstörender Irrlehre.“

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    1. Vollständige Zustimmung. Wissen Sie, für die Amtskirche, speziell hier einmal die evangelische, spielen doch die Grundordnungen schon lange überhaupt keine Rolle mehr. Das, was darin steht, ist ihnen doch zutiefst lästig, garstig, widerborstig, eigentlich ins Altpapier gehörend, schnellstens zu entsorgen.

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      1. … haltlose Behauptungen ohne jeden Beleg…. der Tendenz nach verleumderisch und ganz sicher Falsch-Zeugnis-Reden…. Warum haben Fundis ein derart lässiges Verhältnis zur Wahrheit, wenn sie ihre primitiven Vorurteile präsentieren möchten?!?

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      2. Ausgenommen Bischof Bedford-Strohm. Dem hattet sie doch gerade sehr gute christozentrische Aussagen bescheinigt. Schon vergessen?

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