Folge der Krisen: Menschen leiden unter „Nachrichten-Burnout“

Die Medien sind voll von Berichten über Krisen. Das belastet viele Menschen so sehr, dass sie gar keine Nachrichten mehr konsumieren wollen. Forscher haben aber auch Tipps für gesunden Medienkonsum.
Von Swanhild Brenneke

Die Krisenlage in Deutschland – erst die Pandemie, dann der Ukraine-Krieg – macht die Deutschen nachrichtenmüde. Das ergab eine Studie des „Vocer Instituts für digitale Resilienz“. Das Institut ist Thinktank und Akademie für Nachhaltigkeit in der digitalen Transformation und leistet unter anderem Trendforschung, Weiterbildung und Beratung. Gründer ist der Medien- und Kommunikationswissenschaftler Stephan Weichert.

„Digitale Resilienz“ meine unter anderem, sich unabhängig zu machen von einer „Dauerberieselung“ durch Soziale Medien und diese selbstbestimmt zu nutzen, erklärte Weichert im Interview von welt.de. Seine Studie „Digitale Resilienz in der Mediennutzung“ ergab, dass sich viele Menschen aufgrund der aktuellen Nachrichtenlage gestresst, unruhig und erschöpft fühlen. Weichert und Ko-Studienleiter Leif Kramp, Medienwissenschaftler an der Universtität Bremen, nennen das einen „digitalen News-Burnout“ und „news fatigue“ – Nachrichtenerschöpfung.

Viele Menschen fühlten sich hilflos angesichts der aktuellen Weltlage und durch die dauerhafte Präsenz von Sozialen Medien im Alltag mache sich bei vielen ein Unwohlsein breit. Es sei ein „emotionaler Erschöpfungszustand, der dazu führt, dass die Menschen keine Nachrichten mehr hören, lesen oder sehen wollen. Die Folge ist, dass sie sich von den Medien abwenden“, sagte Weichert im Interview.

„In unruhigen Zeiten wollen viele Menschen gut informiert sein“, sagte Kramp zur Veröffentlichung der Studie. „Aber viele populäre digitale Medienangebote – vor allem diffuse Quellen, die über soziale Netzwerke und Messengerdienste zirkulieren – lösen diesen Anspruch nicht ausreichend ein, geschweige denn helfen den Menschen dabei, mit der Krisensituation zurechtzukommen.“

Besonders Junge fühlen sich überfordert

Für die Studie befragten die Wissenschaftler 1.000 Bundesbürger zu 30 Aspekten ihrer digitalen Mediennutzungsgewohnheiten. Zusätzlich wurden deutschlandweit 60 Tiefeninterviews mit Menschen unterschiedlichen Alters und sozialer Herkunft geführt.

Interessant sei, dass es häufig junge Menschen zu sein scheinen, die sich durch die Nachrichten und Medien überfordert fühlten, und nicht Ältere, sagte Weichert gegenüber der Welt. Auch der Bildungsgrad spiele kaum eine Rolle bei der Frage, ob Medien als belastend empfunden würden. Allein das „Handwerkszeug“ zur Faktenprüfung und die Medienkompetenz seien ausschlaggebend.

Die Forschung habe auch gezeigt, dass der Bedarf hoch sei, etwas gegen Desinformation im Netz zu unternehmen. Die Wissenschaftler stellten fest, dass sich viele Menschen schon allein davon verunsichert fühlten, wenn der Begriff „Fake News“ öffentlich diskutiert werde. Weil sich dadurch die Angst verstärke, mit Falschinformationen konfrontiert zu werden, schränkten viele Menschen ihre Mediennutzung generell ein – auch bei seriösen Nachrichtenanbietern.

Forscher: Medien sollen mehr erklären

„Das Vertrauen in die Medien, vor allem in die öffentlich-rechtlichen Sender, Qualitätszeitungen und andere Medienmarken, ist hoch“, sagte Weichert. Angesichts der permanenten Krisenberichterstattung und überall verfügbarer Live-Tickern fühlten sich viele Menschen jedoch überfordert und wüssten nicht, wie sie damit umgehen sollten.

Medien sollten in den Augen des Forschers mehr einordnen und Hintergründe erklären. Die Berichterstattung solle zudem transparenter werden und Fehler und Unsicherheiten sollten eingestanden werden.

Grundsätzlich seien soziale Netzwerke der Glaubwürdigkeit von Nachrichten eher abträglich, sagt Weichert. Auf den Plattformen finde sich eine große Zerrissenheit wieder, viele Emotionen und auch Hassrede. Viele Menschen könnten auch nicht mehr unterscheiden, ob es sich dabei um gesicherte Fakten oder um Mutmaßungen handele.

Dass die Deutschen „nachrichtenmüde“ geworden sind, fand vor kurzem auch der Digital News Report heraus. Nur noch 57 Prozent der erwachsenen Internetnutzer seien interessiert am aktuellen Nachrichtengeschehen. 65 Prozent versuchten zumindest gelegentlich, Nachrichten aus dem Weg zu gehen.

Auch eine Rheingold-Studie zeigte im März, dass sich die Deutschen angesichts der Krisenberichterstattung über die Pandemie und den Ukraine-Krieg wie gelähmt und ohnmächtig fühlen.

Eigene Mediennutzung kontrollieren

Um digital resilient zu werden und einer Überforderung entgegenzuwirken, empfiehlt Weichert, den „Fast-Food-Effekt“ von sozialen Netzwerken abzustellen. Instagram, TikTok und Co. könnten süchtig machen. „Das Smartphone, der Computer von heute, ist inzwischen ein Bestandteil unseres Bewusstseins – und das nicht in einem positiven Sinne.“ Es helfe, Medienzeit bewusst zu planen und Orte und Situationen festzulegen, in denen das Smartphone tabu sei.

Um grundsätzlich resilient zu werden, also widerstandsfähiger gegenüber Krisen und Veränderungen zu werden, könne auch gesunder Grundoptimismus, Glaube und Religion helfen, sagte Weichert.

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5 Antworten

  1. Liebe Redaktion von PRO,
    ich finde, dass viele Medien derzeit auch viel Panik verbreiten und so manche Nachricht wäre zu einem späteren Zeitpunkt eine bessere Nachricht. Damit meine ich beispielsweise die Berichterstattung über die vielleicht ausbleibenden Gaslieferungen von Nordstream 1 und den damit verbunden, absolut überzogenen Polit-Streß. Hätten die Nachrichtenmacher und vielleicht auch die Politiker das Ende der Wartungsarbeiten abgewartet, wäre manche hausgemachte Aufregung geringer ausgefallen.

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  2. Also ich komme schon seit Jahren gut ohne viele Details aus. (Die Tatsache, dass ich schon lange keinen Fernseher mehr habe, hilft natürlich dabei.) Etwa einmal am Tag die Schlagzeilen von spiegel.de und/oder als Ausgleich welt.de gucken, reicht mMn völlig, und wenn was relevant für mein (Alltags-)Leben ist, klick ich dann auch schon mal für Details. Aber da ich z.B. von Kriegsstrategien und sowas keine Ahnung habe, brauch ich da eigentlich auch nicht draufklicken, und außer vllt bei Vulkanausbrüchen, wo man mal was von der Großartigkeit der Schöpfung sehen kann, gilt das ebenso für Katastrophen, Unfälle usw.
    Dafür dann lieber mal über Gesellschaftspolitisches, Entwicklungen von alternativen Technologien, neuen Werkstoffen usw, um auch mal ein bisschen eine Perspektive nach vorne zu bekommen. Und Sachen aus christlicher Sicht, vor allem Mission – wozu natürlich auch euer Pro gehört, wobei ich auch dort nicht jedes Detail verfolge, was etwa die Großkirchen alles versuchen, um sich mehr Relevanz im öffentlichen Leben zu verschaffen.

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  3. Großartiger Beitrag!!!
    In unruhigen Zeiten wollen Menschen gut informiert sein. Diffuse Quellen, Soziale Netzwerke und Messenger-Dienste lösen diesen Anspruch nicht ein. Hört, hört… und weiter: Das Vertrauen in öffentlich rechtliche Sender und Qualitätsmedien ist hoch…
    Auf welchem Planeten lebt der Verfasser eigentlich? Aber auch solche Beiträge verhindern nicht, dass sich die Wahrheit immer mehr Bahn bricht.

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  4. Auch ich wundere mich über diesen Artikel! Er beginnt zwar gut, aber ist doch zu naiv. Es sind nämlich zwei verschiedene Probleme, die hier zusammenkommen. Das eine Problem ist der Qualitätsabsturz der öffentlich-rechtlichen Medien und der früher seriös gewesenen Zeitungen und Zeitschriften. Man kann ihnen eben leider nicht mehr vertrauen! Mit nur einem Bruchteil des Personals von früher können die Printmedien die frühere Sorgfalt nicht aufbringen; so werden sie oberflächlicher. Dafür werden sie intoleranter und aggressiv: Wer anders denkt, als der heutige, der linksgrün-radikale Mainstream, den verdächtigen sie gleich und versuchen, ihn in irgendwelche Schubladen zu stecken. Das andere Problem ist unsere abwegige Ukraine-Politik. Friedrich Merz und die CDU hetzen uns in einen Krieg gegen Russland, die Grünen, die einstige Friedenspartei, hetzen mit, und Olaf Scholz hat nicht genug Courage, sich dagegenzustellen, weil die Medien mithetzen. Die Sanktionen schaden aber Deutschland mehr als Russland. Deutschland kann nicht die Welt retten. Der russische Einmarsch in die Ukraine bricht das Recht. Aber wenn Erdogan die Kurden im Irak bombardiert und die Türkei zur Diktatur umbaut, oder wie China mit Hongkong und mit allen seinen Minderheiten (nicht nur Uiguren und Tibeter) umgeht und das freie demokratische Taiwan bedroht, – das ist schlimmer. Es gibt noch mehr idiotische Politik, bei der die Medien anfeuern und Kritik auf die obengenannte Weise ersticken. Deswegen wendet sich mancher Staatsbürger, zu recht enttäuscht, von ihnen ab. Freiheit und Demokratie sind in Gefahr.

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  5. Genauso ist es. Über Korruption in anderen Länder zu reden, aber die eigene K.im Land nicht erkennen ,das bringt unsere Demokratie in den Abgrund.

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