Deutsche sind nachrichtenmüde

In Deutschland schwindet das Interesse am Aktuellen. Eine Befragung zeigt, dass die Vielzahl der Informationen das Publikum ermüdet.
Von Norbert Schäfer
Müdigkeit

Das Interesse an Nachrichten ist in Deutschland deutlich gesunken. Das zeigt der „Reuters Institute Digital News Report 2022“, eine vergleichende Studie zur Nachrichtennutzung in Deutschland und international. Demnach sind nur noch 57 Prozent der erwachsenen Internetnutzer hierzulande interessiert an Informationen über das aktuelle Geschehen. Laut einer Presseinformation vom Dienstag sind das zehn Prozentpunkte weniger als 2021.

Seit 2012 untersucht der „Reuters Institute Digital News Survey“ jährlich mittels Repräsentativbefragungen generelle Trends und nationale Besonderheiten der Nachrichtennutzung. Pro Land wurden 2022 dazu rund 2.000 Personen befragt. Insgesamt basiert die Studie in der zehnten Wiederholung auf den Antworten von 93.432 Befragten aus 46 Ländern auf sechs Kontinenten. Die Befragung fand zwischen dem 14. Januar und dem 10. Februar 2022 statt – also noch vor dem Ukraine-Krieg – und wurde vom Umfrageinstitut YouGov durchgeführt. Die Teilstudie für Deutschland führte das Leibniz-Institut für Medienforschung (Hans-Bredow-Institut) in Hamburg durch.

Zu viel, zu erschöpfend, zu schwer verständlich

Am deutlichsten ist einer Pressemitteilung des Leibniz-Instituts vom Dienstag zufolge der Schwund am Interesse für Nachrichten in der Gruppe der 18- bis 24-Jährigen. In dieser Altersgruppe interessieren sich in Deutschland nur 31 Prozent der Befragten für Nachrichten. Das ist ein Minus von 19 Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahr. Gleichzeitig stieg der Anteil derjenigen, die zumindest gelegentlich versuchen, den Nachrichten aus dem Weg zu gehen, auf 65 Prozent.

Als Hauptgründe für das schwindende Interesse am Aktuellen wurden Themenmüdigkeit, das Hervorrufen schlechter Laune und Erschöpfung aufgrund der Vielzahl an Informationen angeführt. Zudem empfänden insbesondere junge Menschen Nachrichten für sie persönlich nicht als wichtig oder nützlich. Die jungen Menschen hätten den Eindruck, mit den Informationen nichts anfangen zu können, und fänden es oft schwer, sie zu verstehen.

Von den Befragten empfanden 47 Prozent die Berichterstattung zu Themen wie Politik und Corona häufig als zu viel. Es ist der am häufigsten genannte Grund für die Nachrichtenvermeidung. Etwa jeder Fünfte in der Gruppe der 18- bis 24-Jährigen gab als Grund an, dass Nachrichteninhalte zu Streitigkeiten führten. 16 Prozent haben das Gefühl, mit den Informationen nichts anfangen zu können. Jeder Zehnte gab an, die Informationen nicht zu verstehen.

Internet läuft Fernsehen den Rang ab

Der gesamte Anteil der erwachsenen Internetnutzer in Deutschland, die mindestens mehrmals pro Woche Nachrichten lesen, hören oder schauen, hat sich laut dem Report nicht verändert. Er liegt weiterhin bei 92 Prozent. Allerdings hat das Internet das Fernsehen als beliebteste Informationsquelle abgelöst. Mit 68 Prozent wöchentlicher Reichweite hat es sich drei Prozentpunkte vor das Fernsehen geschoben. 2021 lagen Fernsehen und Internet mit jeweils 69 Prozent noch gleichauf.

Bei der Nachrichtennutzung dominieren traditionelle Nachrichtenanbieter im Netz. 47 Prozent lesen, schauen oder hören regelmäßig die Inhalte etablierter Nachrichtenseiten; bei den 18- bis 24-Jährigen sind es 49 Prozent. In dieser Altersgruppe sind jedoch soziale Medien mit 55 Prozent die am weitesten verbreitete Quelle für Nachrichteninhalte im Internet.

In Deutschland war zu Beginn des Jahres 2022 die Hälfte der erwachsenen Onliner der Ansicht, man könne dem Großteil der Nachrichten in der Regel vertrauen. Das sind drei Prozentpunkte weniger als im Vorjahr 2021, aber fünf Prozentpunkte mehr als vor der Pandemie. Im internationalen Vergleich gehört Deutschland zu dem Drittel der Länder mit dem höchsten Vertrauen in Nachrichten. Die Hauptnachrichten „Tagesschau“ (ARD) und „heute“ (ZDF) erzielten 2022 die höchsten Vertrauenswerten bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Zu den Top 3 zählen zudem regionale und lokale Tageszeitungen.

Junge Erwachsene fordern klare Position zum Klimawandel

Im Vergleich zum Vorjahr haben Nachrichten bei WhatsApp, YouTube und Facebook an Reichweite verloren. Ein tendenzieller Anstieg deute sich hingegen bei Instagram und TikTok an. Insgesamt vertraten 52 Prozent der Befragten die Ansicht, es wäre besser, Journalisten blieben in sozialen Medien bei der Nachrichtenberichterstattung.

31 Prozent finden, dass sie dort neben der Berichterstattung auch ihre persönliche Meinung äußern können sollten. Die Ansicht, dass sich Journalisten auf die Berichterstattung konzentrieren sollen, nimmt mit dem Alter der Befragten zu.

Mehr als 40 Prozent der jungen Erwachsenen unter 35 Jahren sind der Ansicht, dass Nachrichtenmedien eine klare Position zugunsten der Bewältigung der Klimakrise einnehmen sollten. In der Gesamtheit der erwachsenen Onliner in Deutschland bevorzugen hingegen 45 Prozent eine neutrale Berichterstattung zum Klimawandel. Insgesamt sind Wissenschaftler die meistbeachteten Quellen bei Nachrichten zum Klimawandel, gefolgt von Fernseh- oder Filmdokumentationen und wichtigen Nachrichtenmedien. 15 Prozent der Befragten schenken dem Klimawandel hingegen gar keine Aufmerksamkeit.

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