Rezension

Christen können jetzt auch Netflix – fast

„Kirchliches Streamingportal Yesflix gestartet“, hieß es kürzlich in der christlichen Presse. Aber so neu ist das angeblich neue Portal gar nicht. Was gibt es dort eigentlich zu sehen, wie christlich geht es dort zu? Ein Test.
Von Jörn Schumacher
Yesflix

„Kirchliches Streamingportal Yesflix gestartet“ hieß es kürzlich in einer Meldung des Evangelischen Pressedienstes (epd). Doch Halt. Einen christlichen Streamingdienst namens Yesflix gab es doch schon? In der Tat hatte der Fernsehsender „Bibel TV“ bereits im Sommer 2019 eine christliche Alternative zum beliebten Streamingportal Netflix namens Yesflix gestartet. Für 7,99 Euro im Monat sollte die christliche Familie hier garantiert „saubere“ Unterhaltung in Form von Spielfilmen und Dokumentationen bekommen. Was also ist neu?

Die kurze Antwort lautet: Kaum etwas. Wie „Bibel TV“ auf Anfrage mitteilte, übernahmen der katholische St. Benno-Verlag und die Tellux-Film GmbH die Datenbank mitsamt Inhalten und Namensrechten. Tellux gehört zu 90 Prozent der katholischen Kirche. Das Konsortium aus mehreren Gesellschaften produzierte bereits verschiedene deutsche Kino- und Fernsehfilme sowie Serienproduktionen, darunter „Tatort“-Folgen.

Kann Yesflix mit Streamanbietern wie Netflix mithalten? Und hält es sein Versprechen eines „sorgfältig ausgewählten, konfessionsübergreifenden und christlichen Programms“, das sich „an ein werteorientiertes Publikum“ richtet? Der Werbeslogan lautet: „Das Gute sehen.“ Auch der ist von „Bibel TV“ übernommen. Für den Autoren hieß es also einen ganzen Tag lang: „christliches Netflixen“.

Keine Audio-Auswahl, keine Untertitel, kein Skippen, kein HD

Irritation löst zunächst die Registrierung aus. Es hieß in der epd-Meldung, Nutzer könnten kostenfreie Inhalte auch ohne Abonnement ansehen. Doch wer sich bei Yesflix mit E-Mail-Adresse registriert, kommt an einer Auswahl eines Abonnements nicht herum. Ich werde gezwungen, mich für eines von zwei Bezahl-Modellen zu entscheiden: 7,99 Euro im Monat oder 85 Euro für zwölf Monate. Ich entscheide mich für das Monats-Abo. Seltsam: In der Smartphone-App kann ich ohne Anmeldung kostenlos Inhalte ansehen. Es wird hier lediglich darauf hingewiesen, dass ich an Yesflix etwas spenden kann. Ebenfalls seltsam: Dieser Spendenaufruf (eine stilisierte Hand, die ein Herz hält) wird mir auch in meiner bereits bezahlten Version eingeblendet.

Das christliche Yesflix sieht fast so aus wie der große Bruder Netflix. Doch wichtige Funktionen fehlen. So gibt es etwa kein Vor- oder Zurück-Skippen in Fünf-Sekunden-Schritten. Auch das Abspielen mit erhöhter Geschwindigkeit sucht man hier vergebens. Ebenso fehlt die Möglichkeit, die Auflösung des Videos zu ändern, etwa wenn die Übertragungsrate einmal niedrig ist. Ganz zu schweigen von der Funktion „X-Ray“, bei der eine Liste mit den aktuell agierenden Schauspieler eingeblendet wird. Das Umstellen auf andere Audio-Sprachen gibt es bei Yesflix ebenfalls nicht, auch kann man keine Untertitel einschalten.

Am nervigsten ist sicher die geringe Auflösung der Filme. Da diese meistens schon fünf bis zehn oder mehr Jahre auf dem Buckel haben, sind hier Auflösungen von 720 Pixeln keine Seltenheit, eher die Regel. Was auf kleinen Smartphone-Displays vielleicht noch akzeptabel ist, wirkt auf einem großen Fernseher recht antiquiert. Zudem muss der Nutzer damit rechnen, dass die Server nicht immer so schnell sind wie die von den großen Streaminganbietern. Wer vorspulen will oder auf Pause drückt, muss damit rechnen, dass das Weiterspielen etwas auf sich warten lässt.

Originell: Yesflix bietet die Möglichkeit, live kirchliche Veranstaltungen wie Gottesdienste anzuschauen. Die Live-Gottesdienste sind indes allesamt katholisch. Morgens gibt es eine Messe aus dem Kölner Dom, abends eine Vesper aus dem Benediktinerkloster Münsterschwarzach. Freikirchen- oder protestantische Gottesdienste? Fehlanzeige.

Kleine Edelsteine in einem großen Haufen

Bei vielen Inhalten von Yesflix stellt sich die Frage, was sie in einem christlichen Streamingdienst zu suchen haben. In der Dokumentation über den Schauspieler Mario Adorf erfährt man alles über dessen Leben. Das einzige aber, das mit dem Glauben zu tun hat, ist Adorfs Aussage am Schluss: Er glaube nicht an ein Leben nach dem Tod, wohl aber an irgendeinen Schöpfer. Die Dokumentation „Die Pyrenäen von Oben: Das unbezwingbare Massiv“ bietet wie erwartet vor allem Luftbildaufnahmen aus Frankreich. Kein Glaubensbekenntnis. Noch dazu in schwacher Auflösung. So wie auch die Dokumentation „Die wunderbare Welt des Mittelmeers am Tag und bei Nacht“. Da ist das moderne Auge an anderes gewöhnt. Bei der Dokumentation über die Caritas aus dem Jahr 2006 stellte sich zwangsläufig zudem die Frage: Ist da eigentlich noch alles aktuell, wenn seit der Produktion fast 20 Jahre vergangen sind?

In Sachen Spielfilmen geht es ähnlich verstaubt zu, doch gibt es Highlights. Der Kriminalfilm „Flawless“ mit Demi Moore und Michael Caine aus dem Jahr 2007 über einen Diamantenraub könnte so auch bei Netflix oder Amazon Prime laufen. Anders gesagt: Dort sollte er auch laufen. Warum bei Yesflix? Der Spielfilm „Drei Stunden“ ist zwar ebenfalls bereits aus dem Jahr 2013, aber gut gealtert. Hier verliebt sich ein Junge in ein Mädchen, es ist schwierig, am Ende obsiegt das Herz über den Verstand. Protagonist Martin spricht immer mal wieder mit Gott, und der antwortet sogar. Als Gott tritt auf: Dietrich Hollinderbäumer (bekannt unter anderem aus der „ZDF heute-show“ oder als Film-Vater von Bastian Pastewka) in weißem Anzug und göttlicher Coolness. Man findet sie, die kleinen Edelsteine in Yesflix. Wie auch den Spielfilm „Leb wohl, meine Königin!“ über Marie-Antoinette und ihre Vorleserin, mit Diane Kruger in der Hauptrolle.

Ist das Trash oder schon Kunst? „Die Bibel – Altes Testament“ kommt als „Lego Stop-Motion Film“ daher, es besteht aber nur aus abgefilmten, starr stehenden Lego-Figuren. Wer guckt sich das zwei Stunden lang an? In „The Other Side of Heaven“ von 2001 geht es immerhin um einen jungen Mann, der für die „Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage“ ins weit abgelegene Tonga geht, um zu missionieren. Zu Hause bleibt die hübsche und noch sehr junge und unbekannte Anne Hathaway zurück. Es folgt eine Reihe von Briefen und Gebeten.

Beim Film „Renoir“ ist viel nackte weibliche Haut zu sehen. Trotzdem ist er bei Yesflix enthalten und damit wohl offiziell „familienfreundlich“, und mit der Altersangabe „ab 0 Jahren“ deklariert. Fromm sind in diesem Film weder Renoir noch seine nackten Musen.

Streng fromm geht es hingegen im Spielfilm „Alles wegen Grácia“ zu. In dem Teenie-Film, der mit vier Jahren außergewöhnlich jung ist, geht es um dieselben Probleme wie in allen Teenie-Filmen, nur dass hier der eine oder andere Teenager klare Kante zeigt ob seines christlichen Glaubens, wenn es um Sexualität geht. Leider ist die Synchronisation fürs Deutsche mittelmäßig. Dagegen wirkt „Die Pferderanch“ aus dem Jahr 1992 noch verstaubter. Ebenso die Liebeskomödie „Hauptsache verliebt“ von 2008 mit der sehr jungen Michelle Pfeiffer und dem noch jüngeren Paul Rudd. Es geht um Jugendwahn und Schönheitsoperationen, nichts Frommes also.

Fazit: Ein guter Anfang

Sehenswert, wenn auch eher wegen seiner Geschichte und nicht als cineastisches Highlight, ist „Der Fall Jesus“ über den Journalisten Lee Strobel. Der wollte in einem Zeitungsartikel den christlichen Glauben widerlegen. Doch als er sich zur Recherche in das Thema stürzt, ist er immer mehr von der Zuverlässigkeit der Bibel überzeugt. Auch hier wünschte man sich angesichts der mittelmäßigen deutschen Synchronisation, man könnte auf das englische Original umstellen. Ebenso ist der Spielfilm „Die Zeitreise“ über einen Theologieprofessor, der aus dem Jahr 1890 in unsere heutige Zeit reist, ganz nett, mehr aber leider auch nicht.

Viele Kinder-Animationsfilme des Angebots machen den Eindruck, günstige Nachahmungen teurer Vorbilder zu sein. „CarGo – Ein kleiner Sportwagen mit großem Herz“ erinnert frappierend an die erfolgreiche „Cars“-Reihe von Pixar. „Izzies Weg nach Hause“ erinnert an „Findet Nemo“. „Elias – Das kleine Rettungsboot“ aus Norwegen ist qualitativ gut gemacht und für Kinder sicher ein Spaß.

Fazit: Schade, wenn Christliches aussieht wie Second-Hand-Ware. Schön wäre es, wenn es den neuesten Standards entspräche und Innovatives bieten würde. Yesflix scheint ein Vorurteil zu bestätigen, was die christliche Filmbranche angeht: Christen kopieren lieber das, was es bereits gibt.

Yesflix enthält erwartungsgemäß keine großen Blockbuster. Das kann es auch gar nicht. Erstens steckt dahinter nur ein Bruchteil des Geldes, das bei Netflix und Co. umgeschlagen wird. Auch der Kreis der zahlenden Kundschaft ist erheblich kleiner. Zweitens gibt es nun einmal nicht so viele christliche oder wert-volle Medieninhalte. Doch der Anfang ist gesetzt, das Angebot von Yesflix ist schon jetzt erstaunlich umfangreich, und die eine oder andere Stunde kann die Familie hier in der Tat unterhalten werden. Und das in der Sicherheit, keine allzu erschreckenden Inhalte befürchten zu müssen, die einer (Kinder-)Seele nicht guttun.

Helfen Sie PRO mit einer Spende
Bei PRO sind alle Artikel frei zugänglich und kostenlos - und das soll auch so bleiben. PRO finanziert sich durch freiwillige Spenden. Unterstützen Sie jetzt PRO mit Ihrer Spende.

Ihre Nachricht an die Redaktion

Sie haben Fragen, Kritik, Lob oder Anregungen? Dann schreiben Sie gerne eine Nachricht direkt an die PRO-Redaktion.

Offline, Inhalt evtl. nicht aktuell

PRO-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen