Filmkritik

Bildgewaltige Mose-Dokumentation bei Netflix

Bei Netflix startet am 27. März eine sehenswerte Dokumentation über Mose. In den drei Teilen von „Testament: Die Geschichte von Moses“ wechseln sich Erklärungen von Historikern und Theologen mit Spielszenen ab.
Von Jörn Schumacher
Netflix_Mose

Die dreiteilige Serie „Testament: Die Geschichte von Moses“ zeichnet das Leben von Mose nach, von dessen Berufung durch Jahwe über die Plagen in Ägypten, bis hin zum Auszug des Volkes Israel. Die Dokumentation stammt von Emre Şahin und Kelly McPherson von der türkisch-amerikanischen Produktionsfirma „Karga7 Productions“. Diese ist bereits für andere historische Serien bekannt, in denen sich Stellungnahmen von Experten mit aufwändig produzierten nachgestellten Szenen abwechseln. Dazu gehören etwa zwei Staffeln der Doku-Serie „Der Aufstieg von Weltreichen: Das Osmanische Reich“, die ebenfalls auf Netflix zu sehen sind. Sie erzählen bildgewaltig und sehenswert die Geschichte von Mehmed II. im 15. Jahrhundert nach. Das Studio „Karga7“ ist in Istanbul und Los Angeles ansässig.

Ebenso bildgewaltig und sehenswert ist „Die Geschichte von Moses“. Die drei Folgen von je rund 80 Minuten Länge tragen die Titel „Der Prophet“, „Die Plagen“ und „Das gelobte Land“. Auch wenn die Produktionsfirma zum Teil in der muslimischen Türkei beheimatet ist, wird die Geschichte von Mose nicht explizit aus einer muslimischen Perspektive erzählt. Stattdessen kommen mehrheitlich eher jüdische Rabbiner und christliche Theologen zu Wort.

Erzählt wird die komplette Geschichte von Mose, wie sie auch in der Bibel wiedergegeben wird – von seinem Fund in einem Körbchen durch die Tochter des Pharao über die zehn Plagen bis hin zum Auszug der Israeliten aus Ägypten. Das Setting wirkt dabei sehr glaubhaft, die Schauspieler machen ihre Arbeit gut. Die Darstellung hält sich nahe an der Bibel, streckenweise werden die entsprechenden Zeilen aus dem Alten Testament wörtlich wiedergegeben.

„Vom Mörder zum Befreier. Eine faszinierende Geschichte.“

Tom Kang, leitender Pastor der amerikanischen „Newstory Church“ macht im ersten Teil klar: „Vieles im Judentum und im Christentum hängt an Mose. Er ist ein Gründervater. Alles, was man über die Bibel weiß, lässt sich auf sein Leben und seine Priesterschaft zurückverfolgen.“ Und Jonathan Kirsch, Autor einer Moses-Biografie, fügt hinzu: „In allen drei abrahamitischen Religionen wird er erwähnt, und in allen dreien wird er als Prophet verehrt.“ Celene Ibrahim, Autorin des Buches „Women and Gender in the Qur’an“, sagt: „Mose wird im Koran über einhundertmal erwähnt. Der Koran erzählt von nur wenigen Propheten die gesamte Lebensgeschichte.“ Bischof Andy Lewter, Historiker und Pastor der Gemeinde „Full Gospel Baptist Church Fellowship“ fasst zusammen: „Mose wird vom Mörder zum Befreier. Eine faszinierende Geschichte.“

Die Stärke der Serie liegt zum einen in der realistischen Darstellung der biblischen Geschehnisse, zum anderen in den Kommentatoren. Über ein Dutzend Experten kommen hier zu Wort, darunter der Rabbiner Maurice Harris, Autor des Buches „Moses: A Stranger among us“, Shady Nasser, Professor für Sprachen und Zivilisationen des Nahen Ostens an der Harvard University, und Carol Meyers, Professorin Emeritus von der Duke University.

Besonderes Augenmerk legen die Experten darauf, dass sich Gott in Mose jemanden ausgesucht hat, der sich selbst als unfähig für diese Aufgabe hielt. Pastor Tom Kang: „Gott ruft den, den er rufen will. Mir fällt bis auf Jesus niemand in der Bibel ein, der keine offensichtlichen Charakterschwächen oder Unzulänglichkeiten gehabt hätte. Aber das ist die Spezialität Gottes: Er macht Dinge, die kaputt sind, nicht nur heil, er erfüllt sie mit einem gänzlich neuen Zweck.“

Ebenso fallen viele theologische Einordnungen des Geschehens positiv ins Auge. Die Rabbinerin Rachel Adelman etwa vergleicht das Körbchen des neugeborenen Moses mit der Arche Noah. Tatsächlich würden im Hebräischen an beiden Stellen dasselbe Wort benutzt, „Tevah“, und beide Behälter wurden mit Pech beschmiert, um im Wasser dicht zu bleiben. Adelman hält zudem fest, dass der Säugling Mose mit seiner Muttersprache in Berührung kam, obwohl er in der Fremde aufwuchs. „Er wird bestimmt hebräische Schlaflieder von seiner Mutter gehört haben. Gut möglich, dass er das unbewusst alles mitgenommen hat.“ Celene Ibrahim ergänzt: „Mir gefällt, dass diese Geschichte mit einer stillenden Mutter und ihrem Kind beginnt. Wir wahrscheinlich klingt das für uns heute, dass eine Revolution mit einer stillenden Mutter beginnt“?

Sklaven oder Gläubige?

Beeindruckend ist die Kontextualisierung der zehn Plagen in das Ägypten jener Zeit. Der Pharao war der Mittler zwischen den Göttern und den Sterblichen, erklären die Experten, und Peter Enns, Professor für Bibelstudien an der Eastern University, stellt fest: „Das Buch Exodus handelt nicht wirklich vom Konflikt zwischen Mose und dem Pharao, sondern zwischen Israels Gott Jahwe und den Göttern Ägyptens. Darin liegt die Spannung. Wer hat ein Anrecht auf das Volk Israel? Werden die Israeliten dem Pharao als Sklaven dienen oder Jahwe als Gläubige?“

Der Gott Israels lasse mit den Plagen „seine Muskeln gegen das ägyptische Pantheon“ spielen, so Enns: „Denn diese Plagen repräsentieren ägyptische Gottheiten.“ So gelte bei der ersten Plage (das Wasser des Nils wird zu Blut): „Hapi ist die androgyne Gottheit des Nils. Wenn der Nil zu Blut wird, bedeutete das, dass er verletzt oder sogar erschlagen wurde.“ Als der Nil voller Frösche ist, habe dies für die Ägypter eine konkrete Bedeutung gehabt: „Die ägyptische Gottheit der Fruchtbarkeit, Heket, wird mit einem Froschkopf dargestellt. Nach den ersten beiden Plagen fragt man sich, wer der Herr über den Nil ist.“

Wenn im dritten Teil während des Exodus die Israeliten ihre Türpfosten mit dem Blut des Opferlammes bestreichen und dadurch vom Tod gerettet werden, merkt Pastor Kang an: „Im Christentum nimmt das Neue Testament und Jesus Christus vorweg, das Lamm Gottes. Nur durch sein Blut werden wir gerettet.“ Wenn die ägyptischen Streitkräfte im Roten Meer ertrinken, die Israeliten jedoch auf die andere Seite ziehen können, zieht der Bibelforscher Enns erneut einen Vergleich zu Noah: „Mose hat die Welt gerettet, wie Noah. Bei Noah zieht sich auch das Wasser zurück und macht den Weg frei für einen Neuanfang. Dann gibt es den Vorfall am Roten Meer. Das Wasser teilt sich, und das trockene Land bedeutet Leben für die Leute. Sie können auf der anderen Seite ein neues Leben als Volk beginnen. Ich glaube, wenn Gott rettet, kommt die Schöpfung von Neuem ins Spiel.“

„Testament: Die Geschichte von Moses“, Serie mit drei Folgen, je ca. 80 Minuten, ab 27. März 2024 bei Netflix.

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