Wann sind Kinder alt genug fürs eigene Smartphone?

In der Schule ist für viele Schüler das Smartphone ihr ständiger Begleiter. Dabei birgt das Gerät auch viele Gefahren. Experten wünschen sich eine gesunde Balance zwischen On- und Offline-Zeiten.
Von Johannes Blöcher-Weil
Kinder schauen in ein Smartphone

Viele Kinder sind rat- und hilflos, weil sie in den sozialen Medien gemobbt werden. Die Pädagogin Silke Müller hat das in ihrem Buch „Wir verlieren unsere Kinder“ jüngst eindrucksvoll untermauert. Es sei sehr wichtig, die Gefahren zu benennen, denen Kinder und Jugendliche durch ihr Smartphone ausgesetzt sind.

Wie viele andere Bildungsexperten ist Müller nicht gegen eine Digitalisierung. Sie wünscht sich aber, dass junge Menschen altersgerecht begleitet werden, sollten sie ein Smartphone nutzen. Denn dort stehe ihnen mit wenigen Klicks das ungefilterte Wissen der gesamten Welt immer zur Verfügung. Mit den verstörenden Inhalten, von erigierten Geschlechtsteilen bis zu Hitler-Memes, dürfe man sie nicht alleine lassen. Für Silke Müller gehört kein Smartphone in die Hände von unter 14-Jährigen.

Lebenswelt hat sich mit TikTok massiv verändert

Ähnlich sieht dies auch Florian Buschmann von der Initiative Offline-Helden. Frühestens ab einer weiterführenden Schule – und dann auch nur mit klaren Regeln – sollten Kinder Smartphones nutzen: „Die Schule sollte ein Ruhepool sein, in dem das soziale Miteinander vor der Erreichbarkeit steht“, erklärt Buschmann gegenüber PRO.

Vielen Eltern wüssten nicht, dass es Kindern fast unmöglich sei, mit dem eigenen Handy gut umzugehen. Auch das Nutzungsverhalten mancher Eltern sei fragwürdig. Für Buschmann, der nach eigenen Angaben selbst drei Jahre süchtig war, sind die sozialen Netzwerke ein schwer kontrollierbarer Faktor im Leben junger Menschen: „Es muss immer wieder Tage geben, an denen Menschen etwas komplett anderes tun, als online zu sein.“

Vielen Schülern sei aber bewusst, dass eine gute Kindheit, ein gutes Leben nur zu einem geringen Anteil in der virtuellen Welt stattfinde. Erwachsene müssten (ihren) Kindern deswegen Selbstreflexion und gewissermaßen auch die Disziplin, „Nein“ sagen zu können, mitgeben.

Hoher Smartphone-Konsum sorgt für Bildungsrückstände

Auch der Verband der deutschen Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) hat eine klare Haltung zur Smartphone-Nutzung von Kindern. Er warnte in der Neuen Zürcher Zeitung eindringlich vor einer verfrühten und zu häufigen Mediennutzung. Kein Handy für Kinder, die jünger sind als elf, lautet der medizinische Rat, der Ärztinnen und Ärzte im Jahr 2019.

Eine der wichtigsten Bildungsstudien, die Hattie-Studie, hat herausgefunden, dass starke Smartphone-Nutzung durch Schüler zu massiven Bildungsrückständen führen können. Der Augsburger Professor Klaus Zierer empfiehlt den Schulen deswegen, sich mit der Handy-Nutzung der Kinder zu beschäftigen. Darüber hinaus sorge eine intensive Smartphone-Nutzung auch für Schlafstörungen und Cyber-Mobbing.

Den Suchtfaktor betont auch Bert te Wildt, außerplanmäßiger Professor an der Medizinischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum. Das Handy sei ein kleiner Computer, den wir immer bei uns tragen. „Daher lassen sich die Ergebnisse aus der Internetsucht-Forschung größtenteils auf das Smartphone übertragen“, meint te Wildt gegenüber dem „Spiegel“.

„Es braucht Mitmenschlichkeit, Gemeinschaft und Respekt“

Alexander Markovetz, Wissenschaftler an der Universität in Bonn, forscht auch zum Handy-Konsum. Dieser wirke sich negativ auf die geistige Leistungsfähigkeit und die Gesundheit aus und mache unglücklich und unproduktiv. Forscher-Kollegen von der Universität Bochum haben herausgefunden, dass bereits eine Stunde weniger pro Tag der Gesundheit und dem Wohlbefinden nutze.

Aus Sicht der Pädagogin und Buchautorin Silke Müller reiche aber eine digitale Ethik alleine nicht aus, auch die Eltern seien gefordert: und zwar als gute Vorbilder, die ihren Kindern so viel Rüstzeug mitgeben, dass „sie sich Mitmenschlichkeit und Gemeinschaft, Respekt, Toleranz und einen friedvollen Umgang miteinander zurückerobern“. Und das am besten in jedem Schuljahr: im Elternhaus und in der Schule.

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