Meinung

Wäre Jesus heute Sozialist?

Linke beziehen sich auf Jesus, ein Ökonom hält Jesus für einen Kapitalisten, die Unionsparteien tragen das Christliche im Namen. Wer hat Recht?
Von Jonathan Steinert
Zinsgroschen, Jesus, Geld, Peter Paul Rubens

Wäre Jesus Sozialist, wenn er heute leben würde? Ulrich Schneider, Präsident des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes sagt Ja – und zwar in einem Interview der Wochenzeitung Die Zeit. „Jesus wäre Sozialist, wenn er heute leben würde. Ich war schon als Messdiener links in den Sechzigerjahren … Ich habe das Neue Testament immer als eine hoch radikale Schrift verstanden und aus meiner Meinung auch keinen Hehl gemacht.“ Es gehe „letztlich doch immer nur um die soziale Gerechtigkeit“.

Schneider war mal Mitglied in der katholischen Kirche und auch in der Partei Die Linke. Aus beiden ist er mittlerweile ausgetreten. Christ sei er aber immer noch – und links offenbar auch.

Dass sich Linke auf die Bibel und Jesus beziehen, ist nicht neu. Gregor Gysi meinte einmal, Jesus wäre heut ein „kritischer Linker“. Bodo Ramelow verwies im PRO-Interview auf Regeln des Alten Testaments zu Sabbatjahren, Schuldenerlassen und der Ernte-Nachlese für Arme.

Ich erinnere mich an einen Landtagswahlkampf in Sachsen vor einigen Jahren. Damals hatte die Linke den Slogan „Einer trage des anderen Last“ plakatiert – ohne Hinweis auf den biblischen Ursprung. Daraufhin hatte ich einen längeren Mailwechsel mit dem Wahlkampfbüro, bei dem mir deutlich gemacht wurde, dass viele linke Ideen mit dem christlichen Glauben zusammenpassen.

Allerdings finden sich bei Jesus auch Aussagen, die den Ökonomen Robert Grözinger dazu brachten, ein ganzes Buch über Jesus, „den Kapitalisten“ zu schreiben. Und die Unionsparteien tragen den Verweis auf das christliche Menschenbild direkt im Namen. Also was denn nun?

Jesus lässt sich nicht für eine bestimmte Gesellschaftstheorie vereinnahmen. Wahrscheinlich könnte jede Partei, wenn sie wollte, Teile ihres Programms auf biblische Aussagen zurückführen. Was dann politisch daraus folgt, würde sehr unterschiedlich aussehen. Das ist eigentlich das Erstaunliche: Dass die Bibel in so vielen Facetten so nüchtern von den menschlichen Schwächen, den gesellschaftlichen und politischen Abgründen berichtet – und gleichzeitig so kluge Ratschläge und Leitplanken für das Zusammenleben formuliert. Es ist nur gut und sinnvoll, sich daran zu orientieren, sei es politisch oder privat.

Der Punkt ist aber: Menschen bleiben Menschen, die Welt ist eine gefallene. Deshalb werden die besten Gesetze und Parteiprogramme nicht zur idealen Gesellschaft führen, auch wenn sie sich auf die Bibel berufen. Die Menschheit hat Erlösung nötig – dafür ist Jesus auf die Welt gekommen, ist gestorben und auferstanden. Es geht eben nicht „immer nur um soziale Gerechtigkeit“, wie Schneider sagte, sondern um sehr viel mehr. Das sollte sich ab zu klar machen, wer seine politischen Argumente mit der Bibel stützen möchte.

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5 Antworten

  1. Nichts von alledem wäre Jesus Christus heute, denn er sagte: Mein Reich ist NICHT von dieser Welt.

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  2. „Ihr aber, wer sagt ihr, dass ich sei? Da antwortete Petrus und sprach: Du bist der Christus Gottes!“
    Die „Leute“ haben alle möglichen Vorstellungen wer Jesus ist/war und vereinnahmen ihn liebend gern für ihre Zwecke. Genauso gern offenbart er sich aber auch den Menschen seines Wohlgefallens, da kann man nur ein spontanes Halleluja ausrufen !

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  3. Der Herr Jesus Christus war für die armen und schwachen. Der Herr Jesus Christus hat seinen jüngern aufgerufen das Wort Gottes zu predigen und den armen/kranken zu dienen ohne Geld dafür zubekommen.

    Der Kapitalismus ist ein Wirtschaftssystem der darauf ausgerichtet ist unbegrenzten Wirtschaftswachstum zu ermöglichen auch auf Kosten der kleinen und schwachen, indem man Menschen versklavt, Länder kolonisiert, Rohstoffe raubt, Mindestlohn abbaut, soziale Leistung abbaut, Schulden abbaut durch eine gezielte Inflation, Firmen in Niedriglohnländern outsourct.

    Das sind leider die schlechten Seiten des Kapitalismus.

    Wobei ich als linker sage, dass Christus kein Befürworter von Radikalen Säkularisation wäre wo religiöse Gemeinden wie in der damaligen Sowjetunion unterdrückt wurden sind und der Herr würde nicht den liberalen Life Style der heutigen ( woke liberals) unterstützen die die tradionelle Familie abschaffen wollen und abtreibungen auch in den letzten Wochen der Schwangerschaft erlauben wollen.

    Ich würd sagen Christus wäre für eine sozial gerechte Marktwirtschaft wie die soziale Marktwirtschaft a la Ludwig Erhard aber Christus würde was Lifestyle und Familienbild angeht konservativ sein.

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  4. Ich denke Jesus wäre den Menschen zu gewandt nicht einer Organisation oder politischen Bewegung oder Idee.

    Wenn unsere Gesellschaft weiter ihre christliche Prägung verliert, wird sie gottloser und menschenfeindlicher. Und damit werden auch die Probleme noch zunehmen.

    Vishna Mangalvadi hat in seinem „Buch der Mitte“ das schon sehr gut erklärt. Dazu findet man auch erklärende Videos auf YouTube.

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  5. Jesus passt in kein Schema: die Bibel spricht sich klar für Strukturen wie Familie und Nation aus. Staatliche Strukturen sollen respektiert werden. Auf der anderen Seite setzt Jesus den Gehorsam gegenüber Gott über die staatliche Ordnung und spricht sich klar für die Behebung sozialer Not aus. Jesus kann man nicht in das Schema links oder rechts packen, weil Jesus sein Leben aus seiner Beziehung zu seinem himmlischen Vater gelebt und nach dessen Willen gehandelt hat. Es ist ein menschlicher Versuch Jesus und Gott politisch zu vereinnahmen. Damit wird Gott klein gemacht und versucht auf unsere Ebene herunterzuziehen. Und ausserdem: Jesus kam auf die Erde um allen Errettung und damit die Befreiung von Schuld und Sünde anzubieten und ewiges Leben mit dem himmlischen Vater. Soweit wie ich das weiss gilt das für Linke und für Rechte.

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