Putin und Nawalny zitieren beide aus der Bibel

Alexej Nawalny, einer der schärfsten Gegner von Wladimir Putin, zitiert aus der Heiligen Schrift. Auch der russische Präsident tut das und versucht, den Krieg in der Ukraine mit der Bibel zu rechtfertigen.
Von Jörn Schumacher
Präsident Wladimir Putin/Regime-Kritiker Alexej Nawalny

Als der russische Präsident Wladimir Putin vergangene Woche zum Jahrestag der Annexion der Krim sprach, zitierte er aus dem Johannes-Evangelium. „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt“, sagte Putin, wie die russische Nachrichtenagentur „TASS“ berichtet.

Kritiker merkten nicht nur ironisch an, dass Putin während der Rede eine Winterjacke eines italienischen Herstellers im Wert von rund 12.000 US-Dollar trug, sondern wiesen zudem darauf hin, dass kurz zuvor mehrere russische Journalisten regierungskritischer Medien festgenommen worden waren, die von der Veranstaltung berichten wollten. Darunter waren offenbar auch Korrespondenten der „Nowaja Gaseta“ und des „Kommersant“.

Regime-Kritiker Nawalny: „Selig sind, die Frieden stiften“

Doch auch ein anderer bekannter Russe, einer von Putins prominenten noch lebenden Kritikern, der russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny, hat die Gelegenheit eines öffentlichen Auftritts genutzt, um aus der Bergpredigt zu zitieren. „Jeder von uns muss seinen Beitrag dazu leisten, dass dieser Krieg beendet wird. Es heißt: ‚Selig sind, die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen‘. Ich hoffe, dass es immer mehr von solchen Menschen gibt. Es ist interessanter, Gottes Kind zu sein als Putins Lakai“, erklärte Nawalny am Dienstag vor Gericht.

Nawalny, auf den im Januar 2021 ein Giftanschlag verübt worden war, kam zur Behandlung nach Deutschland und wurde damals umgehend festgenommen, als er zurück nach Moskau flog. Russlands prominentester politischer Gefangener sitzt derzeit eine Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren ab, weil die Kurierfirma seines Bruders angeblich beim Versand von Kosmetikprodukten betrogen haben soll. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg hat dieses Urteil als politisch motiviert verworfen.

Am Dienstag entschied ein Moskauer Bezirksgericht, dass Nawalny weitere neun Jahre in Haft bleiben muss, zusätzlich werden die Haftbedingungen verschärft. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 45-Jährigen vor, Spenden für seine Präsidentschaftskampagne 2018 für eigene Zwecke ausgegeben zu haben. Beobachter werfen dem Kreml allerdings vor, damit nur einen weiteren politischen Gegner Putins mundtot machen zu wollen.

Mit Tolstoi und Bergpredigt dem Despotismus entgegentreten

Die Presse durfte die Verhandlung nur über eine Videoübertragung aus einem anderen Raum verfolgen, ein Video davon wurde im Internet veröffentlicht. An verschiedenen Stellen, etwa, als Nawalny bei seinen letzten Worten auch über den Ukraine-Krieg sprach, brach die Verbindung mehrfach ab. „Krieg ist eine Erscheinungsform des Despotismus“, zitierte Nawalny den Schriftsteller Leo Tolstoi, „und wer gegen den Krieg kämpfen will, der muss nur den Despotismus bekämpfen.“

Bereits bei seinem Berufungsverfahren in Moskau hatte Nawalny im Februar 2021 die Bergpredigt aus dem Matthäus-Evangelium zitiert und seinen christlichen Glauben bekannt. Zu Beginn der Verhandlung kündigte Nawalny dem Richter an, „über Gott und Erlösung“ zu reden. Nawalny zitierte dann in seinem Schlusswort die Bergpredigt: „Selig sind, die hungert und dürstet nach Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden.“ (Matthäus 5,6) Auch wenn das exotisch und seltsam klingen möge, sei die Überzeugung, dass sich am Ende die Wahrheit durchsetze und der Durst nach Gerechtigkeit gestillt werde, die wichtigste politische Idee Russlands, sagte der Regimekritiker.

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11 Antworten

  1. Wenn die Bibel nur gelesen und verstanden würde.
    Dazu sind die Texte im Zusammenhang zu lesen:
    „Das ist mein Gebot, dass ihr einander liebt, wie ich euch liebe.
    Niemand hat größere Liebe als die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde.
    Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch gebiete.

    Das gebiete ich euch, dass ihr euch untereinander liebt.“
    (Joh. 15)

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  2. Immer wieder wird die Bibel missbraucht, um seine eigenen Ziele zu rechtfertigen. Abscheulich!

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    1. Und dieser Kommentar von Manfred Reichelt! 🤣

      Das kann man sich nicht ausdenken!

      Liebe Grüße

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      1. Sie finden es wohl in Ordnung die Bibel zu missbrauchen? – Oder wie soll ich Ihren Kommentar verstehen?

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        1. Natürlich nicht! Es ist eben nur der Gipfel der Ironie, wenn derjenige (also Sie), der wie kaum jemand sonst die Bibel verdreht und missbraucht, davon spricht, es sei abscheulich wie die Bibel missbraucht würde.

          Das ist schon fast lustig, wenn es nicht tatsächlich überaus traurig und tragisch wäre!

          Liebe Grüße

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          1. Aha. Ich bin also jemand, der die Bibel verdreht (!!!). Wer dergleichen behauptet, muss natürlich die Wahrheit besser kennen als ich. Er muss ein umfassenderes Denken und eine größere Tiefe haben. Schön wäre es.
            Es sind in der Regel die Altklugen, die ihr begrenztes Schriftverständnis – besser ihr SchriftUNverständnis – zum allgemeinen Maßstab erheben. Nun denn, damit kann man leben.
            Aber damit jeder prüfen kann: https://manfredreichelt.wordpress.com/inhaltsverzeichnis/

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  3. „„Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt“, sagte Putin, wie die russische Nachrichtenagentur „TASS“ berichtet. Die Worte stammen aus der Bergpredigt Jesu.“

    Matthäus 5-7 Bergpredigt
    Johannes 13-17 Jesu Abschiedsreden an die Jünger

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  4. Liebe Freund, müßt ihr überhaupt über die Worte des Herrn Putin und des Hr. Nawalny diskutieren ? Betet doch bitte für sie, daß sie zum richtigen Glauben an Jesus Christus finden. Wenn jemand die Bibel nicht richtig oder nicht ehrlich zitiert oder gegen Gott lästert , ist der Jenige doch selbst für diese Worte verantwortlich , weil schon in der Offenbarung eindeutig davor gewarnt wird ( Offb. 22, Verse 18-21 ) !

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    1. So einfach ist es leider nicht, dass Putin nur für sich selbst verantwortlich wäre. Er ist verantwortlich für Terror, Zerstörung und den Tod von Tausenden von Menschen, die auf seinen Befehl töten und getötet werden. Das mit Worten der Bibel als „Sterben für seine Freunde“ zu bezeichnen ist nicht nur eine Verhöhnung und Verspottung der Opfer seiner Verbrechen, es ist auch eine Gotteslästerung. Vor ein paar Tagen stand in der Losung: „Wer dem Geringen Gewalt tut, lästert dessen Schöpfer.“ In diesem Sinne hat Putin sich in die Reihe der großen Gotteslästerer wie Hitler, Stalin und Konsorten eingereiht. Herrn Nawalny, der für Recht und Freiheit in seinem Land kämpft und einen hinterlistigen Mordanschlag Putins nur knapp überlebt hat, würde ich nicht in einem Satz mit so einem verbrecherischen Tyrannen nennen.

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  5. Mein lieber Gotthold, ich bin auch zu Beginn des Krieges schnell zu der Meinung gekommen , daß dort nur wieder ein Mann wie Graf Stauffenberg oder D. Bonhoeffer auftreten müßte. Bald kamen mir aber auch Zweifel , ob ich überhaupt so Rache mäßig denken darf ? oder ob bei den vielen schrecklichen Taten des Hr. Putin überhaupt noch ein weltliches Gericht gerecht richten kann ? In Nordkorea wurde vor einigen Jahren ein in Ungnade gefallener General und Onkel des Machthabers zum Tode verurteilt und aus “ Vereinfachungsgründen“ vor ein Geschütz gebunden ! Und damit wir alle , Juden oder Christen , so weit böse und so tief erst gar nicht denken und selbst sinken müssen, ließ Gott schon durch Mose im 5.Mose 32,35 verkünden : “ Die Rache ist mein; ich will vergelten………….. „

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