Meinung

Sie wissen nicht, was sie tun

Im Urlaub auf der Couch gelegen, durch die TV-Kanäle gezappt und bei RTL hängen geblieben: eine Spieleshow mit hyperventilierenden Fernseh-Stars. Jürgen Mette hat sich schon mal sinnhafter unterhalten gefühlt.
Von Jürgen Mette

Ein paar Tage Urlaub an der Nordsee haben uns gut getan. Das Reizklima war reizend, die Luftfeuchte ziemlich nass und der Küstennebel zäh. Sprühregen vom Feinsten! Aber über den Wolken, da war eitel Sonnenschein. Prima Klima!

Die beste aller Ehefrauen zappt nach köstlicher Matjesspeise durch die TV-Kanäle und bleibt auf RTL hängen. Wir sehen einen kurzen Ausschnitt einer ziemlich dämlichen Veranstaltung unter dem biblisch adaptierten Titel „Denn sie wissen nicht, was passiert“. Das eigentliche Bibelzitat („… was sie tun“) hätte aber auch nicht schlecht gepasst. 

Die Protagonisten Barbara Schöneberger, Günter Jauch, Thomas Gottschalk machen einen Spieleabend, greifen unter hysterischem Schreien des haltlos enthusiasmierten Saalpublikums in einen Glaskasten mit allerlei Gewürm, Schlangen und Otterngezücht. Die Macher dieses TV-Palavers wussten was, sie taten. „Herr Jauch“ gibt den Oberlehrer. Dann betreten zwei weitere sogenannte Dschungelkinder die Bühne. Es fallen nur ihre Namen, schon johlt das Publikum. Ich kenne diese Typen nicht. Ein blonder Knabe mit Seitenscheitel kriegt sich nicht ein vor lauter Geplärr. 

Star im Ganzkörperanzug

Und dann betritt der Star des Abends die Bühne. Ein blondes Menschenkind in einem schwarzen Ganzkörperanzug aus Leder oder Latex, den ihr wahrscheinlich ein patenter Coupeur mit einer mobilen Nähmaschine auf die nackte Haut geschneidert hat. Keine Ahnung, wie die nach der Sendung wieder aus dem stramm sitzenden Kostüm rausgekommen ist. Oben rum zeigte sie ihr üppiges Dekolleté, so dass die Schöneberger im schwarzen Arbeitsanzug neben dieser Dame schon wieder aussah wie eine Klosternovizin.

Von diesem Augenblick an stand der Altmeister des Samstagabendprogramms, Thomas Gottschalk – sichtlich gealtert und ohne substantielle Beiträge – neben sich. Seine Spielpartnerin, gut zu Fuß unter der Nase, bot ihm tiefe Einblicke. Diese Dame übernahm das Zepter und baute mit ihm Holzeisenbahnstrecken und packte Urlaubskoffer. Und Gottschalk stand rum wie bestellt und nicht abgeholt. Irgendwie tat er mir furchtbar leid. 

Wir haben nach 15 Minuten RTL verlassen und haben uns gefragt, wie man in einer Weltkrise, wie wir beiden sie noch nie erlebt haben, angemessen und sinnstiftend Fernsehen machen könnte. So jedenfalls nicht! 

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5 Antworten

  1. Hallo Herr Mette,

    man fragt sich bei solchen Sendungen tatsächlich: Was nehmen die Zuschauer eigentlich ein, um die Schmerzen zu ertragen, die das Zuschauen doch sicher verursachen muss?

    Offensichtlich hat die Frage von „Arno&Andreas“ immer noch ihre Berechtigung:
    „Stumpft der Mensch vom Gaffen ab?“

    Auch das Kinderlied „Pass auf kleines Auge was du siehst“ hat in diesem Zusammenhang doch eine tiefe und zutreffende Aussage. Wie schade, dass es inzwischen nicht mehr gesungen, sondern nur noch ironisch zitiert wird.
    Glaubt man sich doch erhaben über diese Empfehlung zu Vorsicht …

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  2. Lieber, verehrter ( n i c h t : „verkehrter“ !) Jürgen Mette,
    natürlich könnte „man“ jetzt schreiben: „ warum tuste Dich dat an…? Ich kann nur sagen:
    vielen Dank, das Du Dich/ Ihr euch das „angetan habt“, denn sonnst hätten wir diese köstlich, charmante, witzige, ironische
    Kolumne nicht genießen können.👍😅
    Meine „beste Ehefrau von allen“ und ich zappen immer nur bis 3Sat …. und dann nix wie wieder runter aufs Erste, sonst müßten wir immer einen Eimer in der Nähe bereit halten…..😜🥵🤮
    Wunderbar Ihre Wetter—Beschreibungen von Urlaubstagen an der Nordsee !👍☔️💦🌧🌤🌦

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  3. Mein Receiver ist leider ohne Fernbedienung mit der damaligen Senderauswahl („öffentlich rechtliche Sender“) festgelegt. Ich finde es immer wieder interessant, welche Versuchungen mir dadurch erspart bleiben. Leider schreitet aber auch die Anpassung des öffentlich rechtlichen Fernsehens an die Privaten fort, sodass die Sender immer weniger zum Garanten für gutes Fernsehen stehen. Jeder, der es mag, soll sich dieses Programm anschauen können. Ich verkneife es mir. Die alten Römer wussten schon, die Gesellschaft brauch „Brot und Spiele“.

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