Religionsfreiheit in der Schweiz: Wenn das Tischgebet zum Problem wird

Die Schweiz ist wegen ihrer Steuerpraxis in den Fokus der US-Regierung geraten. Die Religionsgemeinschaften werden in den Kantonen steuerlich unterschiedlich bewertet. Darunter leiden auch die Freikirchen.
Von Norbert Schäfer
Der Anteil religionsloser Schweizer an der Bevölkerung hat sich seit 1970 mehr als verzwanzigfacht

Ein Bericht zur Lage der internationalen Religionsfreiheit des US-Außenministeriums erhebt Vorwürfe gegen die Schweiz. Der „Report on International Religious Freedom“ bestätigt einerseits, dass die Verfassung der Schweiz die Glaubens- und Gewissensfreiheit garantiere und das Strafgesetzbuch die Diskriminierung einer Religion oder ihrer Mitglieder verbiete.

Andererseits stellt der Regierungsbericht fest, dass in dem Land Steuerbefreiung von Religionsgemeinschaften von Kanton zu Kanton unterschiedlich gehandhabt werden. „Die meisten Kantone gewähren Religionsgemeinschaften, die vom Kanton finanziell unterstützt werden, automatisch die Steuerbefreiung, während alle anderen Religionsgemeinschaften in der Regel nachweisen müssen, dass sie als gemeinnützige Vereine organisiert sind, und einen Antrag auf Steuerbefreiung bei der kantonalen Regierung stellen müssen“, lautet es in dem Bericht.

Nach Angaben von Peter Schneeberger, Präsident beim Dachverband Freikirchen und christliche Gemeinschaften Schweiz, werden Freikirchen vom schweizerischen Steuerrecht als gemeinnützig und nicht gewinnorientiert veranlagt. Das bedeute, dass sie keine Steuern zahlen müssten. „Wollen jedoch ihre Mitglieder Spenden an die jeweilige Freikirche von ihren Steuern abziehen, wird die Gemeinnützigkeit durch die Kultustätigkeit der Freikirchen ergänzt“, erklärt Schneeberger auf Anfrage.

Eine Freikirche müsse daher ihre Tätigkeit in zwei Bereiche aufteilen. Einen Kultusbereich, beispielsweise den Gottesdienst, und einen gemeinnützigen Bereich, etwa für Unterstützung außerhalb der Kirchgemeinde. „Am einfachsten kann die Kirchgemeinde das machen, indem sie ihre Kirchgemeinde in zwei Vereine aufteilt, mit getrennter Rechnung“, erklärt Schneeberger. „Nur: Was ist Kultus und was gemeinnützig?“

Gebet beim Kirchcafé wird zum Problem

Nach Schneebergers Angaben würden religiöse und steuerliche Fragen überwiegend auf Kantonsebene geregelt. Bis vor einigen Jahren habe es bei den Behörden eine Art Ermessensspielraum gegeben. Der Kanton Bern habe diesen Ermessensspielraum abgeschafft und ordne alles, „was nur im Entferntesten mit christlichem Inhalt“ zu tun habe, dem Bereich Kultus zu. Die Freikirchen stelle das vor die Schwierigkeit, als Kirchgemeinde zwar gemeinnützig zu sein, aber auf der Ebene Spendenabzugsfähigkeit als „Kultus“ – und damit nicht abzugsfähig zu gelten. „Es braucht einen erheblichen Aufwand, diese Aufteilung zu machen“, erklärt Schneeberger. Daran stößt sich der Verband.

Schneeberger erklärt das an einem Beispiel: „Wir dürfen in einer Freikirche an einem Seniorennachmittag mit Teilnehmern aus der Kirchgemeinde und Freunden der Gemeinde kein Tischgebet sprechen. Machen wir das, ist es eine Kultusveranstaltung und wir verlieren für die Steuerabzugsfähigkeit den Status der Gemeinnützigkeit.“ Gemeinnützigkeit werde von den Behörden in dem Kanton so ausgelegt, dass eine Veranstaltung ohne jegliche christliche Äußerung durchgeführt werden müsse. Nach Angaben von Schneeberger sind Freikirchen, die im Kanton Bern einen Antrag für eine Spartenrechnung oder Zweivereinslösung gestellt haben, alle abgelehnt worden.

Laut US-Bericht haben sich im vergangenen Oktober Botschaftsmitarbeiter mit Leitern der Föderation der islamischen Organisationen der Schweiz (FIDS), der Vereinigung der Freikirchen und der Vereinigung des Reformierten Bundes zu Beratungen getroffen. Bei den Treffen sei „über finanzielle und soziale Diskriminierung“ diskutiert worden, staatliche Unterstützung für die genannten Organisationen und weitere Fragen im Zusammenhang mit der Religionsfreiheit. Schneeberger vermutet hinter dem Verwaltungshandeln „eine sehr große Angst vor der Anerkennung anderer Religionsgemeinschaften, und zwar aus dem Grund, dass islamische Vereine eine öffentliche Anerkennung bekommen könnten“.

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7 Antworten

  1. Religionsfreiheit = Steuerfreiheit?
    Moment, ich suche noch …….. habs gleich …… nö, ich finde in der Bibel nicht, dass Gott der Meinung wäre, Spenden sollten grundsätzlich nur dann gegeben werden, wenn man sie von der Steuer absetzen kann.
    Also ernsthaft jetzt? Wegen dieses Steuermodells soll das mit einer Einschränkung der Religionsfreiheit gleichgesetzt werden? Das wird unsere Geschwister, die wegen ihres Glaubens in Gefängnissen sitzen oder gar die Todesstrafe erwarten, sicherlich ungemein interessieren.
    Was würde Obelix dazu sagen? „Die spinnen, die vom US-Außenministerium!“

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    1. Ein typisches Totschlagargument. Natürlich geht es vielen Christen in andren Ländern viel schlechter als in der westlichen Welt. Auf der anderen Seite unterstützt der Staat alle möglichen Aktivistengruppen und Ideologien, die Religionen gleichzusetzen sind. Es geht hier letztlich darum, ob der Staat wirklich weltanschaulich neutral ist. Dann muss er auch alle Weltanschauungen gleich behandeln. Ich hätte kein Problem, wenn der Staat sein Engagement in dieser Hinsicht komplett (!) zurückfährt. Da würden erst mal einige andere Gruppen eingehen, die christlichen sicher nicht.

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      1. Die Steuerbefreiung hat eine sehr sinnvolle Logik: Der Bürger soll für Geld, dass er bereits für mildtätige, gemeinnützige, kirchliche und gesellschaftlich wünschenswerte Zwecke gespendet hat nicht auch noch Steuern zahlen müssen.
        Wer von 1.000,-€ Einkommen nur noch 900,- für private Zwecke behalten hat, (weil er z.B. bereits 100,- für ein christliches Entwicklungshilfeprojekt gespendet hat), der sollte nicht die vollen (bei ihm nicht mehr vorhandenen) 1.000,- € versteuern müssen, sondern eben nur die übriggebliebenen 900,-€.
        Das verlangt die Fairness und die Orientierung an gesellschaftlich wünschenswertem Engagement der Bürger.

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    2. @Tertullian Also, wenn es hier lediglich um Komplikationen beim Steuerrecht bzgl. Spenden geht, kann ich beim besten Willen keine Beeinträchtigung der weltanschaulichen Haltung des Staats sehen.
      Das andere Totschlagargument ist: alle anderen Argumente als Totschlagargument abzutun. Was einfach nur ignorant ist.
      @Schmidt Wie ich es bereits andeute: Wer unbedingt eine Steuererleichterung für seine Spenden an Gemeinden und chr. Werke haben will, hat das mit dem Geben im NT wohl eher nicht verstanden.

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  2. >Schneeberger vermutet hinter dem Verwaltungshandeln „eine sehr große Angst vor der Anerkennung anderer Religionsgemeinschaften, und zwar aus dem Grund, dass islamische Vereine eine öffentliche Anerkennung bekommen könnten“.<

    Vermutlich ist das so.
    Der geradezu krampfhaft wertneutrale Staat gibt aber nicht nur die eigenen Wurzeln und Fundamente auf. Er macht sich auf vorsätzlich blind für die Wirkungen, die Religionsgemeinschaften auf die Gesellschaft haben. Dabei wären doch gerade dort die Kriterien zu finden, um zu entscheiden, wer förderungswürdig ist.
    (siehe z.B. hier: https://www.pro-medienmagazin.de/christen-bringen-sich-haeufiger-in-gesellschaft-ein/ )

    Warum sollte der Staat also nicht seine eigenen Fundamente stärken, sein christliche Erbe fördern?
    Statt nur formalistisch zu handeln, sollte er auf die Inhalte und Motive blicken.
    Sonst bereitet der "neutrale" Staat gerade Religions-Surrogaten, gewinnorientierten Pseudo-Gurus, etc. das Feld (z.B. Scientology, s. hier: https://www.pro-medienmagazin.de/troublemaker-das-passiert-wirklich-bei-scientology/ )

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  3. Interessant finde ich, dass sich hier ein Staat in interne Angelegenheiten der Schweiz einmischen will, der laut dem Schweizer Friedensforscher Daniele Ganser, sich als der größte Kriegstreiber und Unrechtsstaat der letzten Jahrzehnte profiliert hat.

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    1. Friedensforscher ist der selbstgewählte Titel…. aber mit Forschung hat Herr Ganser wirklich nichts zu tun, die akademischen Reaktionen auf ihn sind eindeutig….
      Verschwörungstheoretiker trifft die Sache besser und Putinversteher sebstredend… Ihre Referenzen verwundern nicht wirklich….

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