„Das Evangelium darf nicht verschwimmen“

Eine Gruppe evangelikaler Theologen beklagt in einem Aufruf eine „fortschreitende Aushöhlung des Evangeliums“.
Von Johannes Blöcher-Weil
Bibel

Selbst innerhalb ihrer eigenen evangelikalen Bewegung nehmen Theologen „eine Aushöhlung des Evangeliums“ wahr. Friedhelm Jung, Dozent am Bibelseminar Bonn, beobachtet dabei, dass es sowohl um dogmatische als auch um ethisch-moralische Ansichten gehe: „Sie haben lange gegolten, werden aber immer häufiger infrage gestellt“, betont er gegenüber PRO.

Mit ihrem Aufruf „Gemeinsam für das Evangelium“ wollen die sechs Initiatoren und 63 Erstunterzeichner verdeutlichen, dass es bei vielen Kontroversen nicht nur um eine Uneinigkeit in bestimmten Glaubensfragen oder ethischer Verantwortung gehe. Wenn die Bibel als Offenbarung Gottes infrage gestellt und biblische Maßstäbe an das gegenwärtige säkulare Denken angepasst werde, sei die Botschaft von der Rettung durch Jesus Christus selbst infrage gestellt und es werde ein anderes Evangelium verkündigt.

„Es gibt immer mehr Gemeinden und Christen, die die Jungfrauengeburt und den Sühnetod Jesu für verzichtbar halten“, erklärt Jung im Gespräch mit PRO. Auch im ethisch-moralischen Bereich gebe es viele Entwicklungen, die so nicht hinzunehmen seien. Vor allem Christen im Bereich der Coming-In-Bewegung würden praktizierte Homosexualität gar nicht mehr als Sünde sehen.

Weder fehlerhaft, noch überholt

Der Auftrag bestehe mehr als darin, gesellschaftliche Probleme zu lösen. Das Evangelium werde auch ausgehöhlt, indem man behaupte, „die christliche Einheit dadurch zu bewahren, dass jede Meinung und Lehre akzeptiert wird, auch wenn sie im Widerspruch zu biblischer Offenbarung steht“.

Alleine der Opfertod Jesu eröffne den Menschen den Weg zu Gott. Echter Glaube an das Evangelium brauche sowohl die Erkenntnis der eigenen Sünde als auch das Vertrauen auf die Vergebung durch Jesu Tod. Es sei aber ein Fehler, das Evangelium vorschnell zeitgemäß umzuformulieren, wenn dabei dessen Aussagen verschwimmen.

Die Verkündigung des Evangeliums geschehe vor allem durch Auslegung der Bibel „mit der Ausrichtung auf Jesus Christus“, heißt es in einer der sieben Thesen: „Weil die Bücher der Bibel durch die Leitung des Heiligen Geistes verfasst wurden, dürfen sie nicht als fehlerhaft, widersprüchlich oder überholt angesehen werden“.

Vor falscher Lehre warnen

Gemeinden und Christen müssten vor „falscher Lehre bezüglich des Evangeliums“ offen warnen. Christen sollten die Bibel als ethischen Maßstab nehmen und deren ethische Aussagen mutig verteidigen. Deren Forderungen seien trotz ihrer Bezüge zu antiker Kultur für Menschen in modernen Gesellschaften relevant: „Dabei ist das Gebot der Liebe zu Gott und dem Nächsten Leitlinie allen christlichen Handelns. Es darf aber nicht missbraucht werden, um biblische Forderungen auszuhebeln oder Sünde zu rechtfertigen.“

Der praktische Lebenswandel jedes Christen solle im festen Vertrauen auf das Evangelium geschehen. Die Gemeinden hätten den Auftrag, das Evangelium zu verkünden, zur Umkehr aufzurufen und die Lebensumstände in der Welt zu verbessern: „Entscheidende Veränderungen gehen vor allem auf Gottes Eingreifen zurück, nicht auf menschliche Programme.“

Als Adressaten sieht Jung in erster Linie die Mitglieder und Besucher der Gemeinden, aber natürlich auch die Pastoren und Ältesten. Bis Mitte der Woche hatte der Aufruf 983 Unterzeichner gewonnen. Ziel müsse es sein, den Aufruf möglichst weit zu verbreiten, um nicht von der biblischen Wahrheit abzuweichen.

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32 Antworten

  1. Auf der verlinkten Seite vorbei zu schauen, ist recht aufschussreich:
    Die sechs Initiatoren – alles alte weiße Männer und das who-is-who des deutschen Fundamentalismus, Bibelseminar Bonn, Bibelbund und Evangelium21….
    Unter den 63 Erstunterzeichner dann doch tatsächlich eine Frau…
    Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sich hier eine ewig-gestrige Männergesellschaft gegen die geistigen und geistlichen Aufbrüche in Evangelikalien immunisieren möchten, indem sie veruschen, die Reihen zu schließen und das als Aufbruch zu verkaufen trachten.

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    1. Alte weiße Männer sind nun Mal zahlenmäßig ein nicht unerheblicher Teil der Gesellschaft. Unglaublich das sowas überhaupt erwähnt wird. Als ob das (Nicht -)Vorhandensein einer Frau irgendwas über die Qualität der Initiation aussagt…

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      1. Also einfach mal die Suchmaschine seines Vertrauens motivieren und schon weiß man dass in unserer Gesellschaft Frauen, Männer prozentual etwa gleich verteilt sind.Und sind nicht in unseren Gemeinden oft mehr Frauen als ehrenamtliche Mitarbeiterinnen zu finden?

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    2. Du hast die Russlanddeutschen vergessen 🙂 Die sind ebenfalls reichlich vertreten.
      Ansonsten sind es tatsächlich die üblichen Verdächtigen. Wenn jetzt noch Natha, Nestvogel, Liebi, Gassmann und Latzel mitunterzeichnen, dann ist das Gruselkabinett perfekt.

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      1. Eine Herabwürdigung von einzelnen Gruppen oder Personen war noch nie ein hilfreicher Beitrag für eine niveauvolle und sachorientierte Diskussion.

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    3. Ihr Kommentar beweist mal wieder, dass diejenigen, die sich ach-so-tolerant geben, häufig am Intolerantesten sind.
      Weswegen ist es ein Makel, wenn es sich größtenteils um „alte weiße Männer handelt“?

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    4. Es ist genau das, was jetzt angesagt ist! Zurück zur Quelle, weg vom bibelkritischen Zeitgeist-Geschwurbel.

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  2. Das tut sehr gut zu hören. Die biblische Wahrheit darf durch nichts verwässert werden – sonst machen wir den allgewaltigen Gott gewöhnlich. Um die gravierenden Schwierigkeiten unserer Zeit (Klima, Kriege, Hunger, Seuchen, Gottlosigkeit) lösen zu können, braucht es eine apostolische Gemeinde, die „noch“ an Wunder glaubt und nicht am Wort Gottes zweifelt. Auch die Gerechtigkeit und die Gerichte Gottes dürfen wir nicht leugnen, uns muss bewusst werden, dass wir „Nichts“ aus uns heraus können, aber mit dem lebendigen Gott an unserer Seite ist „Alles“ möglich.
    Lieber Gruß, Martin Dobat

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  3. Hommosexualität ist keine Sünde. Aber Menschen auszugrenzen, oder zu verachten, so wie Gott sie geschaffen hat das ist sicher etwas worüber unser Schöpfer nicht glücklich sein wird.

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  4. Also ich freue mich sehr über Initiativen wie Coming In, die klar vom Evangelium getrieben sind und die Liebe Jesu weitergeben wollen…
    🙂

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  5. Hallo Carvalho, wo sollen denn die Aufbrüche, die Sie meinen in Evangelikalien sein? Es geht doch bei vielen nur darum möglichst viele Evangelikale immer liberaler zu machen und von der Kernbotschaft des Evangeliums zu weg zu bringen. Eine in weiten Teilen liberale Kirche haben wir doch schon längst. Was der Initiative fehlt ist eine klare Kritik an den Gremien der EAD. Dort wird nämlich die Gefahr der starken Liberalisierung nicht gesehen. Wegen dieser Inkonsequenz sind, obwohl die Erklärung inhaltlich sehr gut ist, leider keine größeren geistlichen Auswirkungen zu erwarten. Daher brauchen Sie dich keine Sorgen zu machen, Carvalho

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    1. @Matze
      Ich mache mir keine Sorgen und bin gewiss, dass diese Initiative die Belanglosigkeit von „Bibel und Bekenntnis“ teilen wird!
      Was aber Ihre Deutung anbelangt, so gefällt sich diese in tendenziösen Annahmen, die man mit Fug bestreiten kann:
      Bei Initiativen wie Coming-In, bei vielen sog. Post-Evangelikalen, bei Strömunugen wie der emergenten Bewegung u.v.m. einfach zu unterstellen es ginge um eine voluntative Abkehr von der Kernbotschaft des Evangeliums ist schlicht unzutreffend. Denn man hat es meistensteils mit Menschen zu tun, die in fundamentalistischen Kreisen beschädigt wurden durch einen engen, ungeistlichen und anti-intellektuellen Glaubensstil. Aber diese wollen vom Evangelium nicht lassen und entdecken neue Möglichkeiten in einer vertieften Begegnung auch mit der biblischen Botschaft, die in fundamentalistischen Kreisen allzu sehr zu primitiven Satzwahrheiten und Regelwerken verbogen wird.
      Ein vermeintlicher Gegensatz zwischen „liberal“ und bibeltreu, kommt möglicherweise einem Bedürfnis nach Freund-Feind-Lienen entgegen, beschreibt aber das Phänomen der geistlichen Veränderungen in Evangelikalien nicht zutreffend.

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  6. Warum halten bibeltreue Christen manche Bibelstellen ohne Ausnahmen für unbedingt gültig, während man sich an andere nicht halten muss? Woher wollen sie wissen was bildlich gemeint ist und was wortwörtlich? Oder die eine Stelle muss man ernst nehmen und die andere nicht? Jeder liest die Bibel durch seine subjektive Brille. Deshalb ist es ein wichtiger Weg, die Bibel in ihrem historischen Kontext zu lesen. Ob es den Unterzeichnern wirklich um Gottes Wort geht oder nicht eher um die Angst ihre “ Macht“ zu verlieren? Es ist nun mal fakt, dass den konservativen Christen die Gemeindemirglieder weglaufen, weil das, was so angeblich bibeltreu gelehrt wird mit dem Leben nur noch wenig zu tun hat. Z.B. “die Frau schweige in der Gemeinde“ . Nach 50 Jahren in evangelik.Kreisen,Bibelschule und hauptamtlichen Dienst, bin ich froh und dankbar dass es Gruppen wie Worthaus, Hossa Talk, Schöner glauben und auch Zwischenraum gibt. Übrigens war ich als cis Frau auf dem Coming in Kongress und es war eindeutig Gottes Segen und Liebe spürbar. Das war ein guter und wichtiger Kongress. Die Unterzeichner der obig genannten Schrift, erinnern mich an die Pharisäer. Diese wollten auch gerne die Bibel wortgetreu ausrichten ( z.B.Jesu Heilung am Sabbat) Jesus hat sie dafür kritisiert.

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    1. Um es mit Luther zu beantworten:
      „sacra scriptura sui ipsius interpres“

      Die äußere Klarheit des Textes (claritas externa) wird bestätigt durch die innere Klarheit (claritas interna), die der Heilige Geist im Herzen des Hörers wirkt.

      Auch Bonhoeffer hat dazu Wesentliches gesagt:
      „Ich glaube, daß die Bibel allein die Antwort auf alle unsere
      Fragen ist, und daß wir nur anhaltend und etwas demütig zu
      fragen brauchen, um die Antwort von ihr zu bekommen.
      Die Bibel kann man nicht einfach lesen wie andere Bücher.
      Man muß bereit sein, sie wirklich zu fragen. Nur so erschließt sie
      sich. Nur wenn wir letzte Antwort von ihr erwarten, gibt sie sie
      uns. Das liegt eben daran, daß in der Bibel Gott zu uns redet.
      Und über Gott kann man eben nicht so einfach von sich aus
      nachdenken, sondern man muß ihn fragen. Natürlich kann
      man die Bibel auch lesen wie jedes andere Buch, also unter dem
      Gesichtspunkt der Textkritik etc. Nur daß das nicht der Gebrauch
      ist, der das Wesen der Bibel erschließt, sondern nur ihre
      Oberfläche. Wie wir das Wort eines Menschen, den wir lieb haben,
      nicht erfassen, indem wir es zuerst zergliedern, sondern wie
      ein solches Wort einfach von uns hingenommen wird und wie
      es dann Tage lang in uns nachklingt, … so sollen wir mit dem
      Wort der Bibel umgehen. Nur wenn wir es einmal wagen, uns
      so auf die Bibel einzulassen, als redete hier wirklich der Gott
      zu uns, der uns liebt und uns mit unseren Fragen nicht allein
      lassen will, werden wir an der Bibel froh.“

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      1. @Michael
        Es wird aus Ihrem Kommentar nicht deutlich, inwiefern er eine Replik auf die Ausführungen von G.Sch. enthält. Die Verfasserin hat doch gerade moniert, dass der Bibelinterpretation des Fundamentalismus etwas höchst Willkürliches anhaftet, das sich mutmaßlich dem eigenen, nicht reflektierten kulturellen Horizont verdankt.
        Dagegen Bonhoeffer anzuführen, ist sachlich nicht überzeugend. Bonhoeffer hatte ganz sicher kein fundamentalistisches Bibelverständnis und ein solches kommt ja auch in Ihrem Zitat überhaupt nicht zum Vorschein. (In etlichen Positionen ist Bonhoeffer eher näher an Bultmann als an Barth, aber ganz sicher meilenweit entfernt von einem fundamentalistischen Bibelverständnis!)

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  7. Wer sich die Rede von Michael Diener bei Comming-in anschaut, weiß wie eine wahrhaft christliche Buße und Umkehr aussehen sollte.
    Die Herren dieser Initiative „Gemeinsam für das Evangelium“ oder „Bibel und Bekenntnis“ demonstrieren, wie Unbußfertigkeit und das bildungsresistente Beharren auf Vorurteilen aussehen.

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    1. Dieners Problem war und ist seit vielen Jahren der Spagat zwischen Evangelikalen und EKD. Das konnte nichts werden. Nun isst er das Brot der EKD und singt deren Lied. Nichts von wegen Buße und Umkehr.

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  8. Gibt es nicht schon „Bibel und Bekenntnis“, mit gleicher Zielsetzung? Oder wie stehen die zueinander?

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  9. Eine andere Religion: Einer der Hauptinitiatoren (Mathias Lohmann) behauptet in seinem Podcast, dass diejenigen, die das Evangelium anders verstehen, eine andere Religion vertreten. D.h. Hier wird den Andersdenkenden der wahre Glaube an Jesus abgesprochen. Wenn nur die Unterzeichner dieser Erklärung das wahre Evangelium vertreten und alle anderen in der Hölle landen, dann wird der Himmel sehr leer sein!

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    1. Danke für den Hinweis! Ich habe mir den Podcast angehört. Dieser Münchner Pastor ist recht eloquent, aber wenn man genau hinhört, stellt man fest, wie dünn er theologisch angerührt ist. Dieser Podcast strotz ja vor törichten, ideologischen Aussagen.

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  10. Also man kann ja über vieles diskutieren, aber die Botschaft vom Kreuz, der Sühnetod Jesu Christi, sollte eigentlich Konsens unter Christen sein. Oder gibt es wirklich Christen, die das für „verzichtbar“ halten?

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  11. Wäre es nicht so tragisch, weil hier einmal wieder die üblichen Verdächtigen dem Fleische frönen und sich auch noch besonders fromm dabei vorkommen, die fleischliche Frucht der Spaltung (s. Gal5,20) voranzutreiben, klingt dieses Vorhaben, sich einmal wieder an die eigene Bibeldeutungshoheit zu krampfen, schon fast amüsant.

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  12. Es gibt hier Themen, wo man sich eigentlich einen Kommentar sparen kann, weil man sonst so lange von Carvalho und Kaja angegangen wird, bis man genervt aufhört, da diese eh keine Argumente abseits ihrer Meinung zulassen und diese auch nicht nachvollziehen wollen. Am Ende denken diese dann womöglich, sie hätten die Diskussion gewonnen.
    Es bringt hier also wenig, über spezielle Themen zu diskutieren bzw. mit diesen betreffenden Personen zu diskutieren.

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  13. Es ist schon sehr spannend: die ähnlichen Diskussionen gab es vor Jahrzehnten mit Christen AUSSERHALB der Evangelikalen. Nun findet das INNERHALB statt. Deshalb hilft für eine biblische Position nur theologische Klarheit, was das Papier tut und klare Stellungnahmen zu Organisationen, die es mit biblischer Klarheit es nicht so haben.

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