Zum Abschied: Wachen und beten!

PRO-Kolumnist Jürgen Mette ist dankbar für 70 erfüllte Lebensjahre in Freiheit und Frieden. Angesichts des derzeitigen Kriegsgeschreis hat er in seiner letzten Kolumne noch einen Rat an seine Leser.
Von Jürgen Mette

Ich habe das biblische Alter erreicht (Psalm 90,10). 70 Jahre auf der Sonnenseite des Lebens! Ohne Hunger und Durst, ohne Verfolgung und ohne Überwachung zu leben – welch ein Vorrecht. Unendlich dankbar für Medikamente und eine neurochirurgische Operation, die mir auch 13 Jahre nach der ersten Diagnose einer neurodegenerativen, unheilbaren Krankheit ein relativ normales Leben ermöglichen.

Ich durfte in großer Freiheit im Schutz einer parlamentarischen Demokratie leben, aufgewachsen in der Komfortzone der Presse- und der Religionsfreiheit. 

In meiner Kindheit haben mich meine Eltern oft mit nach Kassel genommen. Dort standen noch immer Ruinen, die das Bombardement der Royal Airforce 1943 stehen gelassen hatte. Die Treppenstraße wurde als städtebauliches Novum einer Fußgängerzone des Nachkriegsdeutschlands gebaut. Baustellen ohne Ende. Mittendrin der wiederaufgebaute Friedenshof, geistliches Zentrum des nordhessischen Pietismus, mit einem wunderschönen Auditorium, an dessen handwerklicher Ausführung mein Vater beteiligt war. Dort war eine christliche Buchhandlung, ein Leseparadies für uns Kinder.

Ich habe heute noch die vielen Kriegsversehrten vor Augen, amputierte Veteranen mit entstellten Gesichtern durch Brandverletzungen der Bombennächte. 

Die Bundesrepublik ist keine Diktatur

„Der Russe“ war weit weg. Berlin war geteilt. Die innerdeutsche Grenze und die Berliner Mauer schienen für Generationen befestigt. Kalter Krieg. Abschreckung. NATO. Wir waren auf Frieden programmiert. Und dann formierte sich eine stille und friedliche Gebetsbewegung in der DDR, die dann schließlich die inneren Mauern zusammen stürzen ließ. Und Dietrich Genscher, Helmut Kohl und Michael Gorbatschow läuteten mit Perestroika und Glasnost ein politisches Tauwetter ein, dem blühende Landschaften und beachtliche Aufbruchstimmung folgen sollten.

Wenn heute historische Analphabeten die vereinigte Bundesrepublik als Diktatur bezeichnen und unsere Politiker als Verbrecher provozieren, dann kommt mir das Frühstück hoch, bevor ich es zu mir genommen habe. 

Und wenn Putin seinen Weg mit Propagandaparolen besohlt, er jede Form von freier Berichterstattung brutal verhindert und ungeniert beim Nachbarn einmarschiert, dann frage ich die linken Putinversteher („Der beißt nicht, der will nur spielen!“) und seinen obersten Gasmann Gerhard Schröder, ob angesichts dieser Bedrohung alle deutschen Aufsichtsräte ihre hochdotierten Plätze in russischen Konzernen schleunigst aufgeben sollten. Der schwäbische Tunnelbauer Herrenknecht hat gezeigt, wie das geht.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

Die damalige PRO-Redaktionsleiterin Stefanie Ramsperger hatte mich vor fünf Jahren gefragt, ob ich mir eine freie Mitarbeit bei PRO vorstellen könnte. Ich konnte. Die Augen offen halten, Stellung beziehen, mich verletzbar machen, nie den Lesern nach dem Mund reden, mal querbürsten, mal ermutigen, mal das Heilige und das Unheilige aufdecken und mich selbst immer wieder auf die Schippe nehmend. Die vergangenen Jahre als freier Kolumnist für PRO schreiben zu dürfen, hat mir Spaß gemacht. Aber die bedrückenden Kriegsberichte werden durch meinen wöchentlichen Senf dazu nicht bekömmlicher. 

Ich nehme meinen 70. Geburtstag zum Anlass, meine regelmäßige Schreiberei einzustellen. Lieber höre ich beizeiten auf, bevor sich die Redaktion zu dem Schritt gezwungen sieht, mich freundlich zu entfernen. Nicht mehr müssen zu müssen, obwohl man noch vollkommen „dicht“ ist. Das ist der „Fluss“ der Dinge. Platz machen für neue Talente. Dafür lohnt sich der Abschied.

Ich denke an viele PRO-Leser, die mich immer wieder ermutigt haben, weiter zu machen. Ich danke denen, die mich mit fairer konstruktiver Kritik begleitet haben. Ich habe ja selbst viel gelernt. Und danke an die jetzigen Redaktionsleiter Jonathan Steinert und Nicolai Franz für die kreative Zusammenarbeit.

Beten statt lamentieren

Die Weltordnung verändert sich, während wir gerade erst in der vorletzten angekommen sind. Die EU und die NATO müssen sich neu erfinden. Die Pandemie und der Krieg in der Ukraine zeigen gnadenlos die Systemschwächen auf und treiben Deutschland in eine schwere Schuldenfalle. 

Zu meinem 70. Geburtstag habe ich die Bachkantate „Wachet, betet“ (BWV 70) in den Mittelpunkt gestellt. Es gilt, erhöhte Wachsamkeit zu zeigen und statt zu lamentieren lieber zu beten!

So, das war’s!

Wir sehen uns!

Ihr Jürgen Mette

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21 Antworten

  1. Danke Herr Mette für Ihre beiträge, die ich immer gern gelesen habe. Diesen mit besonderer Zustimmung. Nicht, dass Sie abtreten sollen, sondern wegen Ihrer klaren Sicht bezüglich unserer Bundesrepublik Deutschland.
    Ja, es sind politische Analphabeten, die unser Land als Diktatur und Politiker als Verbrecher bezeichnen. Darunter sind leider auch Menschen, die Christen sein wollen. Für mich unvorstellbar!

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  2. Danke, dass Sie Ihre Gedanken mit uns geteilt haben! Ich fand und finde Ihre Kolumnen immer anregend, nachdenklich machend und sehr persönlich! Bleiben Sie, wie Sie sind 😉

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  3. na dann ein versöhnliches Adieu und Gottes Segen !
    Ich werde sie vermissen, sie hatten bei mir so oft den richtigen Knopf gedrückt.

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  4. Lieber Herr Mette, auch von mir vielen Dank für Ihre Beiträge, die gleichermaßen zum Nachdenken, Schmunzeln oder auch zum Widerspruch angeregt haben. Ein herzliches Gott befohlen!

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  5. Sehr geehrter Jürgen Mette,
    dass sie immer wieder auf die nette
    entlarvend ganz konkrete Art zu schreiben
    Wahrheit sagten – ich finde, sie sollten bleiben.
    Oder mindest ihre Stimme;
    denn es gibt es noch: das Schlimme;
    und das Gute – nicht zu schweigen,
    wollen besser beides zeigen.
    Hoffen wir, es fühlt sich berufen
    eine*r von denen, die schon immer gute Texte schufen.
    Das Vermächtnis find‘ ich groß, doch es ist zu schaffen –
    mit Humor, Esprit und all den anderen geistlichen Waffen.
    Angenehmen Ruhestand
    in unser’m liebens/schützenswerten Wohlstandsland.

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  6. Wir sehen uns- bald und auch im Himmel. Wie freue ich mich darauf! Danke, lieber Jürgen!
    Beste Grüße von der Alb-recht!

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  7. Lieber Herr Mette, ich lese mit großem Bedauern vom Ende Ihrer Kolumnen. Sie waren mir oft die gewisse Würze im Alltagsgeschehen. Ihre feine Ironie gepaart mit scharfer Analytik ohne je den Anspruch an Unfehlbarkeit zu haben- ja, sie wird mir sehr fehlen! Ich wünsche Ihnen für Ihre weitere Wegstrecke Gottes Segen! Und einfach von Herzen: „Danke für alles!“

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  8. Alles Gute fürs die nächsten 70 Jahre, lieber Jürgen!
    Danke Gott deine Gedanken auch hier. Man sieht sich…

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  9. Ich kann mich meinen beiden „Vorschreibern“ (Manfred Reichelt und Bert) nur in vollem Umfang anschließen – vielen Dank für nachdenkliche, ehrliche, zweifelnde und trotzdem am Glauben festhaltende und damit mutmachende Kommentare. Auch der letzte ist wieder ein typischer „Mette“. Das mit dem Frühstück geht mir genauso. Alles Gute für Sie und die Menschen um Sie herum – pace e bene! Es wird mir bei Pro etwas fehlen!

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  10. Lieber Herr Mette,
    sehr schade, wenn ich Ihre so authentischen Beiträge nicht mehr lesen kann. Ich denke, da kann es keinen gleichwertigen Ersatz geben! Können Sie sich vielleicht doch entschließen, wenigstens ab und zu etwas zu schreiben?
    Ihnen Gottes reichen Segen!

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  11. Danke, lieber Jürgen! Ich habe deine Kolumnen immer wieder mit einem Spektrum zwischen Vergnügen und Betroffenheit gerne gelesen. Und dass du mit 70 (ich bin ein Jahr älter) auf eigene Initiative aufhörst – alle Achtung und vorbildlich! Sei gesegnet!

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  12. Lieber Jürgen Mette, als kleines bayerisches Pfarrerlein, der 10 Jahre jünger ist als Sie, danke ich Ihnen herzlich für die vielen ausgesprochen gelungenen, pfiffigen, manchmal zum Schmunzeln anregenden, ins Schwarze treffenden Kolumnen. Ich werde Sie sehr vermissen! Behüt Sie Gott!!!

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  13. Lieber Jürgen Mette.
    Ich freue mich, das es Ihnen trotz ihrer schweren Krankheit noch relativ gut geht. Ich werde Ihre Beiträge sehr vermissen . Sie haben es sich mehr als verdient auch mal aufzuhören.
    Platz machen für neue Talente (Hoffentlich wird PRO sie finden.)

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    1. Unser Sohn hat mich auf Ihr „Aufhören“ bei der „Pro“ per Mail informiert.
      Inhaltlich kann ich mich am meisten klaus Heuer anschließen.
      Ehrlich: das war für mich ein großer Schreck, verbunden mit sowas wie Abschieds—Schmerz.
      Ich war ja schon mal so weit, mich von der „Firma Pro“( oder kep) zu verabschieden; mein Entschluss, dran zu bleiben war:
      Dann würde ich ja nicht mehr in den Genuss von Ihren Kolumnen kommen. Inzwischen bin ich aber mit „denen“ versöhnt und finde auch
      nach dem Wechsel in der Redaktionsleitung, dass es sich in jedem Fall lohnt, mit „denen“ weiter dran zu bleiben.
      Sie, lieber Jürgen Mette, habe ich nicht nur sehr geschätzt, sondern Sie „echt“ richtig liebe gewonnen.
      Alles Liebe und Gute für Sie und Ihre Lieben !

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  14. Lieber Jürgen Mette,

    vielen Dank für die vielen Jahre mit erfrischenden und zum Nachdenken anregenden Gedanken in der PRO. Wir werden sie hier vermissen und in liebevoller Erinnerung behalten.
    Gottes reichen Segen für den weiteren Lebensweg!

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  15. Hallo Herr Mette !
    Ein bisschen mehr Altersmilde hätte ich mir zum Abschied schon gewünscht. Manchmal sind historische Analphabeten einfach Menschen, die Dinge etwas früher wahrnehmen und davor warnen. Manche sind sogar dafür bereit ihre berufliche Karriere zu opfern, wie kürzlich zwei Mitarbeiter des SWR, oder Katrin Seibold beim ZDF. Die es nicht mehr aushalten konnten, wie man nur noch eine Meinung gelten läßt. Wünsche ihnen noch einige Jahre und bin schon gespannt, wie sie dann unser Land beurteilen. Peter Hahne ist einer der wenigen, der die Zeichen der Zeit erkannt hat: Politiker leben in ihrer eigenen Blase, ohne jeden Bezug zum gemeinen Volk und wir werden regiert von Leuten mit einer geballten Inkompetenz, wie es sie in unserer Republik noch nicht gegeben hat. Und: Die Leute müssen auf die Straße. Aber genug, ich weiß der gute Peter Hahne hat sich inzwischen den Querdenkern angeschlossen. Damit ist er rechts, geächtet, verschwurbelt… So läuft es halt gerade in unserem „besten Deutschland dass es je gab“. Trotzdem ihnen alles Gute und noch viele schöne Stunden im Kreise ihrer Familie und an ihrem Kamin.

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  16. Danke für jeden einzelnen Kommentar. Jeder war auf seine Art lehrreich und bereicherend – wenigstens für mich.
    Alles Gute für Ihren Ruhestand und die Zeit mit Gott, mit Ihrer Frau, Ihren Kindern und Enkelkindern- und vielleicht gibt es doch hin und wieder eine „Kolumne aus dem Off“.
    Ich werde Sie vermissen.

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