Sterbehilfe: Mehr in Prävention investieren

Nachdem die Neuregelung der Sterbehilfe im Bundestag gescheitert ist, haben sich Vertreter von Kirchen, christlichen Organisationen und Glaubensgemeinschaften geäußert. Sie wünschen sich mehr Einsatz für Suizidprävention.
Von Swanhild Brenneke
Die Theologin Annette Kurschus

Eine Neuregelung der Sterbehilfe in Deutschland ist vorerst gescheitert. Am Donnerstag fielen beide Gesetzesvorschläge bei der Abstimmung im Bundestag durch.

Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, hält das für kein gutes Signal. Es drohe nun eine gesetzliche Leerstelle. Als Grund für das Scheitern der Neuregelung vermutet Schuster: „Die ethischen Herausforderungen eines assistierten Suizids wurden anscheinend nicht ausreichend genug geklärt.“

Er selbst als Jude habe folgende Haltung zum assistierten Suizid: „Ich lehne ihn bei Ausschöpfung palliativer Maßnahmen nicht kategorisch ab, doch der Gedanke daran fällt mir schwer. Es braucht hohe Hürden und ein Werbeverbot.“ Ein gewerbsmäßiger Suizid sei verheerend für die Gesellschaft. „Ich befürchte, viele sind sich der psychischen Auswirkungen auf alte und kranke Menschen nicht bewusst.“

Nach dem Ausbleiben der Neuregelung seien nun besonders auch die Religionsgemeinschaften gefordert und müssten eingebunden werden. Besonders bei ethischen Fragen seien das wichtige Stimmen in der gesellschaftlichen Debatte.

Der Deutsche Caritasverband fordert, der Bundestag müsse jetzt „zügig ein Suizidpräventionsgesetz auf den Weg bringen“. Das sagte Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa. „Auch wenn der Bundestag heute kein Gesetz verabschiedet hat, weil keiner der Entwürfe die erforderliche Mehrheit bekommen hat, ist aus unserer Sicht weiterhin eine gesetzliche Regulierung dringend notwendig.“

Diakonie: Bessere Palliativversorgung

Es brauche eine Kultur des „guten Lebens und des guten Sterbens“. Es dürfe nicht sein, „dass sich alte und kranke Menschen gedrängt fühlen zu begründen, warum sie weiterleben wollen“. Die Caritas fordert daher auch mehr Suizidprävention.

Diakonie-Präsident Ulrich Lilie sagte: „Bei einer gesetzlichen Regelung des assistierten Suizids sollten Selbstbestimmung und Lebensschutz gut ausbalanciert werden.“ Menschen mit Suizidwünschen müssten ernst genommen werden. Andererseits dürfe eine gesetzliche Regelung nicht zu einer Gewöhnung an den assistierten Suizid führen. Dieser müsse eine besondere Ausnahme bleiben.

Lilie appellierte zudem, die Suizidprävention und Palliativversorgung besser aufzustellen.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, bedauert, dass der konservativere Gesetzesentwurf von Lars Castellucci (SPD) und anderen keine Mehrheit gefunden habe. „Dieser Gesetzentwurf hätte mit seinem Schutzkonzept dazu beitragen können, dass der assistierte Suizid in Deutschland nicht zur gesellschaftlichen Normalität am Lebensende wird“, sagte Bätzing. Ein solches Konzept brauche es dringend.

Bätzing: Menschen in Notlagen erreichen

Einerseits müsse „die Freiverantwortlichkeit des Suizidwunsches“ gewährleistet werden, andererseits müsse sich die Gesellschaft „ein dem Leben zugewandtes Gesamtklima und eine Kultur gegenseitiger Fürsorge und Zuwendung bewahren“. Suizidassistenz dürfe nicht zum Normalfall werden.

„Als Menschen sind wir Geschöpfe Gottes und stehen in Beziehung zu ihm, zu uns selbst und zu anderen. Selbstbestimmung bedeutet daher für uns, das Leben selbst zu gestalten und es zugleich vor uns selbst, vor anderen und vor Gott zu verantworten“, so Bätzing. Die katholische Kirche wolle jede Hilfe im Sterben leisten, aber nicht Hilfe zum Sterben.

Hilfe bei Suizidgedanken

Denken Sie darüber nach, sich das Leben zu nehmen? Holen Sie sich Hilfe, zum Beispiel bei der Telefonseelsorge. Unter der kostenlosen Rufnummer 0800-1110111 oder 0800-1110222 erhalten Sie Hilfe von Beratern, die Ihnen Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen können.

Bätzing forderte, dass es schnellstmöglich ein Suizidpräventionsgesetz brauche. „Wir müssen sicherstellen, dass wir die Menschen in Notlagen möglichst frühzeitig erreichen. Fachlich kompetente und menschlich zugewandte Hospizarbeit und Palliativversorgung fördern die Lebensqualität und ein Sterben in Würde“, sagte er.

Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, sagte, der selbstgewählte Tod müsse eine Entscheidung in auswegloser Ausnahmesituation bleiben. „Als Evangelische Kirche in Deutschland werden wir aktiv mit dafür sorgen, dass Menschen auch in schwerer Lage einen Sinn in ihrem Leben erkennen sowie unterstützende Gemeinschaft, liebevolle Fürsorge und professionelle Begleitung erfahren.“ Suizid dürfe keine „reguläre Form des Sterbens“ werden.

Auch Kurschus forderte den Ausbau der Suizidprävention, der Palliativmedizin und der Palliativpflege. Auch sie forderte schnellstmöglich ein entsprechendes Gesetz. Trotzdem müsse auch die Suizidassistenz neu geregelt werden.

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