Kirchen ohne gemeinsames Votum zur Neuregelung der Suizidassistenz

Am Donnerstag sollen die Bundestagsabgeordneten über die rechtliche Regelung der Suizidassistenz befinden. Eine gemeinsame Stellungnahme der Kirchen zu den Gesetzentwürfen bei der ethisch schwierigen Entscheidung gibt es nicht.
Von Norbert Schäfer
Das Bundesverfassungsgericht leite aus dem Recht, Suizidbeihilfe in Anspruch zu nehmen, keine Verpflichtung für Ärzte ab, diese Suizidhilfe auch zu leisten

Gleich zu Beginn der Plenarsitzung am Donnerstag erwartet die Abgeordneten des Deutschen Bundestages hartes Brot. Denn die Abgeordneten sollen dann nach 90-minütiger Aussprache in namentlicher Abstimmung darüber zu befinden, wie künftig mit Suizidbeihilfe und selbstbestimmtem Sterben rechtlich umzugehen ist.

Wie die Abstimmung ausgeht, ist bislang offen. Denn die Abgeordneten müssen eine Gewissensentscheidung treffen, bei der der Fraktionswille hinten ansteht. Bei der Abstimmung am Donnerstag muss ein Antrag mehr „Ja“ als „Nein“-Stimmen auf sich vereinen. Die Abgeordneten könnten also beiden Entwürfen noch eine Abfuhr erteilen, wenn sie mehrheitlich bei beiden Entwürfen mit „Nein“ stimmen.

Die katholische Kirche hat sich erst am Sonntag für den als strenger geltenden Entwurf einer Gruppe von Abgeordneten um Lars Castellucci (SPD) und Ansgar Heveling (CSU) ausgesprochen. Der Gesetzentwurf, den Abgeordnete aus den Reihen der Grünen, der FDP und der Linken unterstützen, will die geschäftsmäßige Suizidassistenz verbieten und nur unter bestimmten Voraussetzungen ermöglichen. Dazu sieht der Entwurf eine psychiatrische oder psychotherapeutische Begutachtung vor sowie eine Beratung.

„Kultur gegenseitiger Fürsorge und Zuwendung bewahren“

„Wir müssen als Gesellschaft darauf achten, dass keine Situation entsteht, in der ein älterer oder kranker Mensch oder ein Mensch in einer existenziellen Krise eher eine gute Infrastruktur der Suizidassistenz vorfindet als ausreichende und angemessene Rahmenbedingungen, um sich vertrauensvoll in Pflege zu begeben, Hilfe zu erhalten und Hilfe anzunehmen“, erklärte Bischof Georg Bätzing für die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) in der Stellungnahme vom Sonntag.

Demnach gelte es „ein qualitativ anspruchsvolles und umfassendes legislatives Schutzkonzept zu entwickeln“, das „die Freiverantwortlichkeit des Suizidwunsches“ zu gewährleisten versuche und „zugleich ein dem Leben zugewandtes Gesamtklima und eine Kultur gegenseitiger Fürsorge und Zuwendung“ bewahre. Der Vorschlag der Abgeordnetengruppe Helling-Plahr/Künast trage den genannten Aspekten anders als der Entwurf der Abgeordneten um Castellucci/Heveling nicht hinreichend Rechnung, lautet es in der Stellungnahme.

EAD: „Zunächst Suizid-Prävention durch Gesetz stärken“

Der Gesetzesentwurf der FDP-Abgeordneten Katrin Helling-Plahr, der erst kürzlich mit einem Entwurf der Grünen-Politikerin Renate Künast zusammengelegt wurde und ebenfalls Unterstützer anderer Fraktion hinter sich vereint, gilt als liberaler.

Das Recht auf selbstbestimmtes Sterben wird in dem Gesetzentwurf stärker respektiert und der Entwurf sieht eine Beratungsregelung außerhalb des Strafgesetzbuches – etwa vergleichbar der verpflichtenden Beratung vor einer Abtreibung – vor. Beihilfe zum Suizid wäre nach diesem Entwurf nach einer Beratung möglich. Zudem soll in medizinischen Härtefällen ein Arzt ohne vorhergehende Beratung tödlich wirkende Substanzen verschreiben dürfen. Die DBK bemängelt an dem Entwurf, dass er „keine Vorgaben für die notwendige fachliche Qualifikation“ der Ärzte enthält, die das tödlich wirkende Mittel verschreiben.

Die Evangelische Allianz in Deutschland (EAD) hat zu den vorgelegten Entwürfen eine warnende Haltung. „Unter den Gesetzentwürfen erscheint keiner optimal zu sein“, erklärte EAD-Vorstand Frank Heinrich am Montag auf Anfrage, und weiter: „Wobei wir bei dem Entwurf Castellucci/Heveling einen besseren Schutz vulnerabler Personengruppen erkennen können.“

Die EAD fordert, dass zunächst die Suizid-Prävention durch ein Gesetz gestärkt wird. Heinrich fürchtet, dass sonst „tendenziell Strukturen geschaffen werden, die der Normalisierung des Wunsches nach Suizid in die Hände spielen“.

EKD betont Schutz des Lebens, hat aber keinen Favoriten

Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hatte in einer Stellungnahme vom vergangenen Donnerstag für keinen der beiden Gesetzesvorschläge Partei ergriffen. Die EKD sei „in den letzten 30 Jahren immer wieder für den Schutz des Lebens eingetreten“. Auch in der aktuellen Debatte will der Rat der EKD entschieden für den Schutz des Lebens und für rechtliche Regelungen eintreten, die diesem Ziel dienen.

„Ebenso wie für den Schutz des Lebens tritt der Rat der EKD für die Selbstbestimmung des Individuums ein. Auch dieser Aspekt ist ein Teil des von Gott gewollten und geschützten Lebens“, lautete es in der Stellungnahme, die eine konkrete Empfehlung für einen der vorliegenden Gesetzentwürfe vermeidet.

Es dürfe „nicht zur gesellschaftlichen ‚Normalität‘ werden, sich das Leben zu nehmen oder anderen dabei zu helfen“. Am Ende liege das menschliche Leben in Gottes Hand. Das gelte „auch und gerade im Übergang von dem Leben in dieser Zeit zu dem Leben in Gottes Ewigkeit“.

Zuletzt hatten sich 2015 evangelische und katholische Kirche gemeinsam für ein Gesetz zum Verbot geschäftsmäßiger Förderung der Hilfe bei der Selbsttötung ausgesprochen, das dann auch im Bundestag verabschiedet wurde. Das Bundesverfassungsgericht hatte dieses Gesetz letztlich 2020 wieder durch ein Urteil gekippt und damit die Neuregelung in Gang gebracht.

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