Staat zahlte 590 Millionen Euro für Kirchen

Mehr als eine halbe Milliarde Euro haben evangelische und katholische Kirche im vergangenen Jahr vom Staat erhalten. Die Verpflichtung dazu stammt aus dem frühen 19. Jahrhundert, dabei hätte sie längst abgelöst werden sollen.
Von Norbert Schäfer
Bei Offshore-Dienstleistern geht es nicht nur um das Verstecken von Geldern. Indirekt lassen sich über kriminelle Aktivitäten durch Briefkastenfirmen auch Kriege finanzieren wie das Beispiel des Assad-Regimes zeigt.

Die beiden großen christlichen Kirchen haben im Jahr 2021 rund 590 Millionen Euro an Staatsleistungen erhalten. Das hat eine Umfrage des Nachrichtenportals t-online unter den Bundesländern ergeben. Demnach sind die Staatsleistungen um knapp 40 Millionen Euro höher ausgefallen als 2020. Das soll so nicht weitergehen, wenn es nach dem Willen der Ampelkoalition geht: Im Koalitionsvertrag haben SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP vereinbart: „Wir schaffen in einem Grundsätzegesetz im Dialog mit den Ländern und den Kirchen einen fairen Rahmen für die Ablösung der Staatsleistungen.“

Mit Ausnahme von Bremen und Hamburg haben die Bundesländer Zahlungen an die Kirchen zu leisten. Die Staatsleistungen, oder Pachtersatzleistung, sind nicht zu verwechseln mit den Einnahmen aus der Kirchensteuer ihrer Mitglieder. Die katholische Kirche nahm 2020 rund 6,45 Milliarden Euro aus der Kirchensteuer ein, in der evangelischen Kirche waren es 5,63 Milliarden Euro.

Die jährlichen Zahlungen vonseiten des Staates gründen sich auf vertragliche Regelungen nach der Enteignungen von Kircheneigentum im frühen 19. Jahrhundert sowie Änderungen kirchlicher Verhältnisse in der Reformationszeit.

Bisher noch keine Gespräche mit den Kirchen

Bereits die Weimarer Reichsverfassung hatte aber die Ablösung dieser jährlichen Zahlungen vorgesehen. Mit der Gründung der Bundesrepublik wurden die entsprechenden Passagen der Weimarer Verfassung in das Grundgesetz übernommen. Demnach muss der Bund die Spielregeln für die Ablösung der staatlichen Zahlungen an die Kirchen erlassen. Für die eigentlichen Ablösezahlungen müssen aber die Länder aufkommen. Das erforderliche Bundesgesetz wurde jedoch bislang nicht beschlossen. Bislang hat die neue Regierung noch keinen Kontakt zu den Kirchen zur Ablösung der Staatsleistungen aufgenommen.

Um das Thema ging es auch bei einer Online-Diskussionsveranstaltung der Friedrich-Naumann-Stiftung am Dienstag. Aus Sicht der Journalistin Christina-Maria Purkert sind die Staatsleistungen ohnehin den Bürgern – auch wegen der sinkenden Mitgliederzahlen der Kirchen – politisch nicht mehr vermittelbar. Sehr selten höre man vonseiten der Kirchen, ohne weitere Entschädigungen darauf verzichten zu wollen. Die Zahlungen könnten kein Ausgleich für das Schwinden der Mitgliederzahlen sein. Die Ablösung der Staatsleistungen stelle keine existenzielle Bedrohung für die Kirchen dar, findet sie. „Die Kirchen täten gut daran, ganz zu verzichten.“

FDP-Politiker: Verzicht stärkt Glaubwürdigkeit

Der ehemalige FDP-Bundestagsabgeordnete und langjährige Landesvorsitzende der Liberalen in Hessen, Stefan Ruppert, erklärte: „Ich verstehe Positionen innerhalb der Kirchen nicht, die daran – durch offenen oder teilweise klug versteckten – Widerstand festhalten wollen.“ Das Beharren auf die Staatsleistungen schwäche die Glaubwürdigkeit der Kirchen. Seiner Meinung nach würde es die Glaubwürdigkeit der Kirchen sogar stärken, wenn die auf die Ablösung drängten.

Weil einige Landeskirchen existenziell von den staatlichen Leistungen abhingen, andere nicht, plädierte Ruppert für einen innerkirchlichen Finanzausgleich. Ruppert war zuletzt von 2017 bis 2020 Mitglied des Deutschen Bundestages. Als Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion hatte er 2020 federführend einen „Entwurf eines Grundsätzegesetzes zur Ablösung der Staatsleistungen“ von FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen begleitet, der aber im Parlament keine Mehrheit fand. Der Entwurf sah eine Ablösezahlung in Höhe des 18,6-fachen Betrages der jährlich zu leistenden Zahlungen im Jahr 2020 vor und hätte durch einmalige Zahlungen oder durch Ratenzahlungen über 20 Jahre erfolgen können.

Die Union verhindere aber seit Jahrzehnten die Ablösung der Staatsleistungen, warf Ruppert der CDU vor. Seiner Wahrnehmung nach würden Unionspolitiker in dem Vorhaben eine Art „Kirchenfeindlichkeit“ sehen. „Ich finde, man kann sehr wohl guter Christ sein und auch ein wohlwollendes Verhältnis zu Kirchen haben, man kann auch nicht glauben; aber es ist doch besser, wenn die Sphären stärker getrennt sind in diesem Bereich“, sagte der FDP-Politiker, der seit 2020 beruflich als Vorstand eines Pharmaunternehmens tätig ist.

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5 Antworten

  1. „590 Millionen“ – Ist das nun (zu) viel oder eher wenig?

    Bezogen auf 80 Millionen Deutsche sind das gerade mal 7,40€ pro Kopf. Für den enormen Beitrag, den die Christen für den Zusammenhalt der Gesellschaft leisten wohl eher „preisgünstig“.

    Wenn man darüber hinaus bedenkt, dass Spenden für Sozial- und Hilfsprojekte gerade von Menschen kommen, die aus christlicher Nächstenliebe handeln, dann ist die Leistung des Staates um kirchliche Aktivitäten zu fördern vergleichsweise überschaubar.

    Für 2018 stieg die Spendensumme, die das Marktforschungsinstitut GfK ermittelt hat, von 5,2 (Vorjahr) auf 5,3 Milliarden Euro.
    Leider – und das ist verbunden mit dem Rückgang von gläubigen Christen in Deutschland – sinkt die Zahl der Spender. Vor gut zehn Jahren sah die Lage in Deutschland noch anders aus: Mit um die vier Milliarden Euro floss damals deutlich weniger Geld für gute Zwecke, doch es spendeten 27,3 Millionen Bundesbürger.
    https://www.kirche-und-leben.de/artikel/mehr-spenden-durch-weniger-spender-in-deutschland/

    Es lässt sich erkennen, dass der Staat dank der Kirchen und Christen wesentlich profitiert.

    Und die ehrenamtliche Tätigkeit vieler Christen bei Kinder- und Jugendbetreuung, Pfadfindern, Flüchtlingshilfe, Tafeln, Kranken- und Gefangenenbesuche, Altenheime, Nachbarschaftshilfe, … ist gar nicht hoch genug wertzuschätzen.

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  2. Es ist doch logisch das Kirchengemeinden
    welche ihr Land dem Staat geben mussten
    Jetzt nicht mehr Autark sein können.Der Staat ist und bleibt so für die Kirche zuständig.Es sei denn sie bekommen ihre Ländereien zurück.Geld hilft da nicht weiter da es kaum Land zum Kaufen gibt.Wenn dieses aufgebraucht wäre würden die Kirchen schließen.

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  3. Normalerweise bin ich für eine Trennung zwischen Kirche und Staat.
    In diesem Fall ist aber eine Unterstützung des Staates wichtig, weil die Kirche
    durch ihre vielen Kitas und Jugendeinrichtungen etc. viel Gutes/Soziales leistet
    und dadurch auch den Staat entlastet.
    Womit ich aber nicht einverstanden bin, die Herren Bischöfe etc. mit Gehaltszuwendungen
    zu unterstützen ! Das ist nicht Aufgabe des Staates ! Das muss klar getrennt werden.
    Hier muss einfach geprüft und gestoppt werden.

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    1. @Mary. Wo immer die Kirche „so viel Gutes“ tut, sie lässt es sich auch bezahlen. Entweder von den Nutzern oder den üblichen Kostenträgern. Eigenes Geld fließt da, wenn überhaupt, nur im einstelligen Prozentbereich. Dafür gilt dann kirchliches Arbeitsrecht. Eine Entlastung für den Staat ist das keineswegs.

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