Meinung

Sinkt die Zahl der Kirchenmitglieder zu Ostern unter 50 Prozent?

Seit Jahren schrumpfen die großen Kirchen. Nun sei erstmals weniger als die Hälfte der Deutschen Mitglied in der Kirche, schreiben viele Medien – und stützen sich dabei auf eine problematische Quelle.
Von Martin Schlorke
Gottesdienst

„Jetzt“ ist die Zahl der Kirchenmitglieder in Deutschland auf unter 50 Prozent gefallen, hieß es am Dienstagmorgen auf vielen Nachrichtenseiten. Kirchenmitglieder sind „nur noch Minderheit“, schrieb beispielsweise die Deutsche Presseagentur (dpa).

Als Quelle werden Hochrechnungen von Experten angegeben. Namentlich zitiert wird zudem der Sozialwissenschaftler Carsten Frerk von der Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland (fowid). Er erklärt, dass Ostern „wohl erstmals nach Jahrhunderten in einem mehrheitlich nicht mehr kirchlich gebundenen Deutschland“ stattfindet.

Wirklich?

Ein genauerer Blick auf die Aussagen sollte jedoch stutzig machen. Fakt ist, es liegen keine genauen Zahlen über aktuelle Mitgliedszahlen vor. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) gab zwar bereits im März bekannt, dass ihre Zahl der Mitglieder auf unter 20 Millionen gesunken ist, die katholische Kirche wird ihre aktuelle Mitgliederstatistik jedoch erst im Sommer veröffentlichen.

Veröffentlichungszeitpunkt mit Geschmäckle

Keine Frage, der Trend ist eindeutig und wird dafür sorgen, dass die Marke von 50 Prozent Kirchenmitglieder in Deutschland unterschritten wird – bereits in diesem Jahr. Das prophezeien nicht nur Hochrechnungen, sondern damit rechnen die Kirchen selbst. Diesen Tag aber jetzt, kurz vorm Osterfest festzumachen, ist unpräzise und nicht unbedingt seriös – von Frerk und von Journalisten, die diese Meldung unkritisch übernehmen.

Wichtig zu wissen ist, dass die Forschungsgruppe von der religionskritischen und humanistischen Giordana-Bruno-Stiftung ins Leben gerufen wurde. Der Verdacht liegt also nahe, dass die Stiftung mit der schlechten Osterbotschaft bewusst versucht, ein Zeichen gegen das Christentum in Deutschland zu setzten und sich obendrein medial ins Spiel zu bringen.

Anders ist der Zeitpunkt einer solchen Aussage von Frerk wohl kaum zu erklären. Und einige Medien spielen mit. Schließlich ist eine Meldung mit der inkludierten Botschaft: „Jesus ersteht auf – und keinen interessiert’s“ besser, als auf die offiziellen Zahlen der katholischen Kirche zu warten und erst das berühmte Sommerloch mit den aktuellsten Mitgliederzahlen der beiden großen Kirchen füllen zu können.

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3 Antworten

  1. Vielen Dank für die Klärung der Hintergründe.

    Zur zweifelhaften „Giordano-Bruno-Stiftung“, ihre Finanzierung, Motive und Methoden, hat die FAZ schon vor Jahren kritisch berichtet, u.a. dieses:
    „Gewandtheit im Erwecken öffentlicher Aufmerksamkeit beweist die Giordano-Bruno-Stiftung auch bei Kampagnen, die eher politischer als akademischer Natur sind. Dabei macht sich die Stiftung zunutze, dass das religiöse Feld trotz der These von der Privatisierung der Religion symbolisch vermintes Gebiet ist.
    Wer sich ungeschickt anstellt, kann, wie jüngste Vorgänge belegen, PR-Desaster ungeahnten Ausmaßes erleben – oder anders gewendet:
    Mit vergleichsweise geringem materiellen Aufwand lässt sich große Aufmerksamkeit erzielen.
    Den neuen Atheisten kommt dabei zugute, dass ihnen – den Kämpfern gegen „gewaltschürende“ und „repressive“ Religion – aggressives und kulturkämpferisches Verhalten zugestanden wird, das religiösen Akteuren als Fundamentalismus ausgelegt würde.“
    https://www.faz.net/aktuell/politik/giordano-bruno-stiftung-die-agenda-des-neuen-atheismus-1926867.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2

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    1. Hallo Mathilde, da Sie so großen Wert auf Quellen legen, hier der Hinweis, dass der GBS-kritische FAZ-Artikel, den Sie verlinkt haben, von dem studierten ev. Theologen Reinhard Bingener stammt. Seit 2020 ist Bingener auch im Kuratorium der ev. Hans-Lilje-Stiftung, die ähnliche Interessenverfolgt wie die GBS – nur halt zugunsten der Kirche.

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  2. Bei allem berechtigten Zweifel an der Seriösität der Quelle, die für ihre Ablehnung des christlichen Glaubens bekannt ist, die Zahl der Kirchenmitglieder ist doch recht irrelevant. Schon 1968 sagte Gustav Heinemann: „Politische Predigt also? Ganz gewiss Nein! wenn das, was die Kirche zur Gesellschaft sagt, nicht aus klarer Verwurzelung im Evangelium gesagt wird. Deshalb vor allem kein vorschnelles Reden von der argen Welt, sondern ein Begleiten dieser Welt als Dank für das Gerettetsein dieser Welt durch Gottes Handeln in Christus. Auch das gehört immer erneut zu dem Lernprozess der Kirche- einer Kirche, die heute zusätzlich lernen muss, ohne Privilegien zu leben und nur noch eine Minderheit in unserer Gesellschaft zu sein.“
    Christen, die im Evangelium verwurzelt sind, bilden schon lange eine Minderheit, waren wohl schon immer Minderheit. Jesus sagte: „Eng ist die Pforte und schmal der Weg und wenige sind die ihn finden.“ Nicht die Mitgliedschaft in einer schon immer mal mehr und mal weniger politischen, mit dem Staat verwobenen Kirche ist von Bedeutung, sondern der Glaube an den Gekreuzigten und Auferstandenen. Diesen Glauben bezeugen wir Ostern, und das gerne auch als Minderheit, die zum Glauben einlädt.

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