„Religionsfreiheit ist vielleicht der Kern der Menschenrechte überhaupt“

Thomas Rachel ist der neue kirchenpolitische Sprecher der Unionsfraktion. Im PRO-Interview macht er klar: Besonders will er sich für verfolgte Christen und andere religiöse Minderheiten einsetzen.
Von Johannes Schwarz
Thomas Rachel

PRO: Sie sind vor wenigen Tagen zum kirchen- und religionspolitischen Sprecher der Unionsfraktion gewählt worden. Weshalb übernehmen Sie das Amt von Ihrem Fraktionskollegen Hermann Gröhe?

Thomas Rachel: Für mich ist es eine große Ehre, diese Aufgabe zu übernehmen. Erstmals wurden die Sprecher gewählt, zuvor wurden die Beauftragten von der Fraktionsspitze bestimmt. Ich erhielt 93 Prozent der Stimmen, das ist also eine breite Unterstützung. Ich will die christlichen Werte in der Politik sichtbar machen und aus den christlichen Werten heraus Antworten für die schwierigen Fragen dieser Zeit finden. Und wir alle spüren, dass sich die Gesellschaft deutlich verändert. Die Aufgabe in der starken Pluralisierung und Säkularisierung der Gesellschaft und der wachsenden Vielfalt ist es, die versöhnende Basis des christlichen Menschenbildes sichtbar zu machen und die Wirksamkeit ausstrahlen zu lassen.

Wie kann das aussehen?

Religion hat für die Menschen eine große Bedeutung. Gerade in einer Zeit der großen Umbrüche. Gleichzeitig sind der Ruf und die Suche nach Orientierung, nach Festigkeit, nach Sinn umso größer. Das ist eine große Aufgabe der christlichen Kirchen, hier Antworten zu geben. Die religiöse und weltanschauliche Vielfalt nimmt zu, gleichzeitig fordern uns Fundamentalismus und radikale Ideologien heraus. Das müssen wir sehr ernst nehmen. Ich trete für ein tolerantes und friedliches Miteinander der religiösen Überzeugungen ein, besonders auch der drei großen Weltreligionen. Mir ist als gläubiger Christ wichtig, dass wir die christlichen Werte in der Gesellschaft leben. Dazu gehört, dass wir jeder Form der Diskriminierung, Hetze oder des Antisemitismus, ein klares Nein entgegensetzen.

Welche Themen wollen Sie in der neuen Legislaturperiode ansprechen?

Zentral ist der Blick auf die Verfolgung von Christen und anderer Glaubensgruppen in der ganzen Welt. Wenn für drei Viertel aller Menschen die Religions- und Weltanschauungsfreiheit eingeschränkt ist, können wir nicht wegsehen. In Nordkorea sind tausende Christen in Straflagern Zwangsarbeit ausgesetzt, tausende jesidische Frauen und Mädchen sind vom „Islamischen Staat“ versklavt und vergewaltigt worden. Religionsfreiheit bedeutet, Religionen praktizieren zu dürfen, auch eine Religion wechseln zu dürfen oder gar keine religiöse Überzeugung zu haben. Sie gehört zu den unveräußerlichen Menschenrechten. Sie ist vielleicht sogar der Kern der Menschenrechte überhaupt – eine große Verantwortung.

Sie sprechen die Religionsfreiheit an. Die neue Regierung möchte nun, nach anfänglichem Zögern, das Amt des Beauftragten für Religionsfreiheit neu besetzen. Braucht es noch weitere Anstrengungen? 

Wir sind als CDU/CSU-Bundestagsfraktion sehr froh, dass wir mit unserem Antrag im Deutschen Bundestag, einen wichtigen Impuls gegeben haben, die segensreiche Aufgabe des Beauftragten der Bundesregierung für weltweite Religionsfreiheit zu erhalten und zu stärken. Dass die Ampelkoalition diese Aufgabe jetzt fortführen möchte, können wir nur begrüßen. Darüber hinaus kann natürlich jeder eine ganze Menge selber machen, etwa eine Patenschaft für Menschen zu übernehmen, die wegen ihres Glaubens verfolgt werden. Dies tue ich persönlich und schätze es sehr – Menschen kann praktisch geholfen werden.

Sterbehilfe und Lebensschutz sind umstrittene Themen. Wie wollen Sie mit solchen Fragestellungen umgehen?

Ich sehe mit Sorge, dass die Ampelkoalition ganz offensichtlich bewährte Gesetze und Wertentscheidungen in Frage stellt. Ein Beispiel ist die Regulierung des Schwangerschaftsabbruchs. Unter dem verengenden Begriff der „reproduktiven Selbstbestimmung“ nimmt die Ampel-Regierung eine vollkommene Neubewertung vor. Wir haben Sorge, dass der langjährige gesellschaftliche Kompromiss darüber zerstört wird. Die Unionsfraktion hat ein enges Verhältnis zu den christlichen Kirchen. Und das ist uns sehr wichtig, weil diese christliche Werteorientierung sich auch auf die Gesellschaft positiv auswirkt.

Vor wenigen Wochen noch waren Sie als Staatssekretär in der Regierung tätig. Nun sind Sie in der Opposition. Wie wird sich Ihre Arbeit ändern? 

Es war mir eine große Freude, dass die Bundeskanzlerin mich in allen ihrer vier Bundesregierungen als Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung berufen hat. Jetzt, nach der Bundestagswahl, werde ich frohen Herzens und guter Dinge mit dem gleichen Engagement, mich als Abgeordneter in der Opposition einbringen. Wir werden unsere Themen ansprechen, ich möchte besonders Bereiche  wie Ehe, Familie, Religionsfreiheit und Entwicklungszusammenarbeit in den Vordergrund stellen und diese stärken.

Alle Fraktionen im Deutschen Bundestag stellen einen Beauftragten für Kirchen und Religionsgemeinschaften. Werden Sie sich untereinander austauschen?

Sicherlich – ich freue mich jedenfalls schon auf konstruktive Gespräche und das Miteinander.

Um ein Thema kommt die Politik nicht herum: Corona. Christen und viele andere Religionsgemeinschaften ringen seit Beginn der Corona-Krise um einen guten Weg, um sowohl die Religionsfreiheit als auch die Gesundheit zu schützen. Was raten Sie den Gläubigen?

Die Kirchen agieren sehr verantwortungsbewusst und gehen je nach lokaler Situation unterschiedliche Wege. Wir sollten dafür werben, dass die Menschen sich impfen lassen. Nur mit einer hohen Beteiligung beim Impfen werden wir das Problem lösen können. Diese medizinische Chance und dieses Angebot sollten wir alle wahrnehmen. Mir ist wichtig, dass es nicht mehr zu tragischen Situationen kommen darf, dass Menschen im Zuge der Corona-Pandemie einsam auf Intensivstationen sterben. Da haben wir dazu gelernt: Die familiäre Begleitung in schwierigsten Situationen, der seelsorgerische Zuspruch und Begleitung auch für Menschen in schwerster Krankheit oder in ihrer letzten Lebensphase müssen unbedingt gewährleistet werden.

Sie sind Vorsitzender des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU und auch Mitglied des Rats der Evangelischen Kirche in Deutschland. Welche Bedeutung hat für Sie der Glaube?

Er gibt mir Kraft. Er gibt mir Heimat. Er hilft mir durch den Zuspruch Gottes zu verstehen, dass ich nicht alle Probleme selber lösen muss. Deswegen ist mir auch die Präambel des Grundgesetzes: „in Verantwortung vor Gott und den Menschen“ so wichtig. Letztlich müssen wir uns einem Schöpfer gegenüber verantwortlich zeigen und gleichzeitig dürfen wir von ihm begleitet werden. Mich hat es gewundert, dass die Hälfte der neuen Bundesregierung den Gottesbezug in der Eidesformel nicht mitgesprochen hat. Das zeigt auch ein Stück der Entfernung von religiöser Grundüberzeugung. Der Gottesbezug hilft, demütig zu werden und bewahrt uns auch davor, dass wir glauben, dass Politik alles regeln kann. Politik kann nicht alles regeln. Der Glaube ermutigt, er gibt Kraft und er zeigt uns, dass wir nicht alles in unseren Händen halten.

Haben Sie einen Lieblingsvers aus der Bibel?

Jeder Vers erfreut mich. Jede Tageslosung macht mich wieder neugierig. Insofern glaube ich, dass wir alle in der Bibel immer wieder einen neuen Psalm oder eine neue Tageslosung finden können, die uns gefällt.

Welche Hoffnung haben Sie für die Welt, besonders im Blick auf Pandemien, Klimawandel und den Hass?

Das ist eine gute Frage. Ich würde sagen – frei nach Psalm 23: „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.“ Ich gehe einfach mit einem gewissen Gottvertrauen in die Zukunft hinein, trotz aller Herausforderungen und Umbrüche. Der Glaube gibt mir Kraft und Begleitung und schenkt Hoffnung.

Vielen Dank für das Gespräch.

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