Pilger meiden das Heilige Land

Das christliche Osterfest lockt meist Zehntausende Pilger nach Israel. Doch der anhaltende Krieg schreckt viele Menschen ab, ins Heilige Land zu reisen. Ein Ortsbesuch in Jerusalem.
Karfreitagsprozession

Weinende Menschen, die große Holzkreuze auf den Schultern tragen, um die Leiden Jesu am eigenen Körper zu spüren – sie prägen normalerweise die Bilder der Karfreitagsprozession in der Jerusalemer Altstadt. Tausende Menschen aus aller Welt kommen traditionell an Karfreitag in die Via Dolorosa, wo einst Jesu sein Kreuz nach Golgatha getragen haben soll. In diesem Jahr bleiben die meisten jedoch wegen des Kriegs in Nahost zu Hause.

Nur Christen aus der Region werden erwartet. Seit dem Angriff der radikal-islamischen Hamas auf Israel am 7. Oktober gilt auch für deutsche Touristen eine Reisewarnung für Israel und Jerusalem.

Wenn keine Pandemie oder Krieg herrscht, machen sich jährlich über eine halbe Million religiöse Pilger auf den Weg nach Israel. Dieses Jahr kommen aber kaum Touristen. Im Vergleich zu 2023 sind die Besucherzahlen im Land um 80 Prozent gesunken, teilt das israelische Ministerium für Tourismus mit.

„Schlimmer als während der Corona-Pandemie“

„Die meisten Touristen sehen die Kriegsbilder im Fernsehen und haben Angst herzukommen, dabei herrscht hier normaler Alltag“, erklärt Jassir, der einen Souvenirladen an der Via Dolorosa betreibt.

Verbittert stellt er fest: „Es ist wie während der Corona-Pandemie, nur schlimmer.“ Seinen Laden hat er heute nur ausnahmsweise geöffnet. Die Metallfiguren, die normalerweise Pilger aus aller Welt als kostbare Andenken mit nach Hause nehmen, sind zu Ladenhütern geworden. Wenn er sein Geschäft nicht regelmäßig öffnet, oxidieren sie. In seinen Regalen stapeln sich bereits grün angelaufene Figuren.

Nicht weit entfernt von Jassir, ebenfalls an der Via Dolorosa, befindet sich das Gästehaus der armenisch-katholischen Kirche, in dem derzeit nur ein Pilger wohnt – statt 150. Sonst sind die Gruppenunterkünfte bereits ein Jahr im Voraus ausgebucht. „Wir waren mal 13 Mitarbeiter“, sagt ein Mann, der am Tresen auf Kundschaft wartet. „Jetzt gibt es nur noch mich.“ Durch die finanzielle Krise im Tourismus haben rund 4.000 bis 6.000 Menschen ihre Arbeit verloren, schätzt Argas Jaron vom israelischen Ministerium für Tourismus.

Ähnlich ist die Situation im Österreichischen Hospiz, dort wohnten in den vergangenen Monaten nie mehr als zehn Gäste, obwohl eigentlich Platz für 140 Personen wäre. Ein Teil der Angestellten musste in den unbezahlten Urlaub geschickt werden, aber die palästinensischen Mitarbeiter aus Bethlehem sind kaum sozial abgesichert. Das Hospiz beschäftigt sie daher weiter. Trotz des Kriegs pendeln sie jeden Tag aus dem Westjordanland nach Jerusalem.

Der Gästehausmanager Lucas Maier sagt, das Haus solle geöffnet bleiben, um zu zeigen, dass Pilgerreisen nach Jerusalem weiterhin möglich sind. „Aber von einem kostendeckenden Betrieb kann keine Rede sein.“ Dabei gehe es dem Hospiz noch vergleichsweise gut: „Für nächstes Jahr Ostern sind wir komplett ausgebucht, für die bevorstehenden Ostertage gibt es nur noch wenige Betten.“

Indonesische Christen kommen weiter

Zu den wenigen Pilgergruppen, die sich dieser Tage vor der Via Dolorosa oder der Grabeskirche versammeln, gehören katholische Pilger aus dem Inselstaat Indonesien. „Die indonesischen Gruppen haben eigentlich nie aufgehört zu kommen“, erklärt eine Ordensschwester im „Christian Information Center“, das evangelische und katholische Pilgergruppen betreut. Auch mehr und mehr polnische Gruppen meldeten sich.

Nadeschda gehört zu den russisch-orthodoxen Besuchern, die ebenfalls noch häufig kommen. Sie war bereits einmal vor Jahren in der Grabeskirche, lange bevor der Krieg begann. Damals reichte die Schlange von Touristen bis zum Eingang. Manche Bereiche der Grabeskirche hätte sie wegen der Touristenmassen nicht einmal zu Gesicht bekommen, erzählt sie. Heute sei alles frei zugänglich.

Für die Zeit nach Ostern haben sich im Österreichischen Hospiz bereits weitere Gäste angemeldet. Muslimische Gruppen aus dem Norden Israels und aus Südafrika haben Zimmer gebucht. Für das Haus sei das eine Premiere, normalerweise beherberge es überwiegend deutschsprachige Christen, sagt Manager Maier. Muslime zieht es aktuell wegen des Fastenmonats Ramadan nach Jerusalem, an dem an jedem Abend Zehntausende Muslime zum Gebet und Fastenbrechen in der Al-Aqsa-Moschee auf dem Tempelberg zusammenkommen.

epd
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