Meinung

Konfliktfeld Abtreibung

Viele Ärzte wollen Abtreibung als normale Gesundheitsleistung anbieten. Dass das Thema kontrovers diskutiert wird, beleuchtet eine TV-Dokumentation.
Von Johannes Blöcher-Weil
Ein Fötus auf der Hand

Der Paragraf 218 des Strafgesetzbuches hat eine lange Geschichte. Nach wie vor sind Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland rechtswidrig und nur unter bestimmten Bedingungen straffrei. Die NDR-Dokumentation „45 Min – Konflikt Abtreibung. Wie Ärztinnen und Ärzte entscheiden“ blickt zunächst in die Vergangenheit und fragt schließlich danach, ob und warum es noch ein Tabu sein soll, Abtreibungen durchzuführen.

Bereits in den 1970er-Jahren seien Frauen für eine Reform des Gesetzes auf die Straße gegangen. Sie wollten den Paragrafen einschränken oder ersatzlos streichen. Bis heute kämpfen Viele für eine selbstbestimmte Entscheidung der Frau bei diesem Thema. Sie möchten eine Abtreibung als ganz normalen medizinischen Eingriff sehen, zu dem jeder Arzt Ja oder Nein sagen darf.

Die beiden Journalistinnen Marie Blöcher und Konstanze Nastarowicz haben für die Dokumentation angehende, praktizierende und ehemalige Ärzte in Deutschland besucht, um mit ihnen über ihre Haltung zu Abtreibungen zu sprechen. Sie bilanzieren dabei einen Versorgungsengpass. Für die 100.000 Abbrüche jährlich gebe es immer weniger Praxen und Kliniken. In bestimmten Regionen sei es schwierig, überhaupt Ärzte zu finden, die Abtreibungen vornehmen.

„Ein Abbruch steht dem Leben entgegen“

Die Wiedervereinigung habe die Debatte noch einmal neu entfacht, weil es in BRD und DDR unterschiedliche Gesetze gab. Vera Hellmann etwa, die in den 90er Jahren in Dresden praktizierte, hatte mit einer liberaleren Entwicklung gerechnet. Für Carsta Beese, die heute Ärztin in Dresden ist, steht aufgrund ihres christlichen Glaubens das Leben an oberster Stelle: „Ein Abbruch steht dem entgegen. Ich versuche den Frauen andere Optionen aufzuzeigen, auch wie schön ein Leben mit Kind sein kann.“

Der Beitrag erklärt nüchtern die aktuellen Gesetze inklusive der Neufassung des Paragraphen 219a. Darin geht es um Werbung für den Schwangerschaftsabbruch. Gleichzeitig thematisiert er auch Vorgesetzte, die eine klare ethische Richtung vorgeben, was in ihrem Krankenhaus erlaubt ist und was nicht. Eine Ärztin kommt zu Wort, die sich wegen der konfessionellen Ausrichtung ihres Krankenhauses davon abgewandt hat: Sie habe Frauen, die in Not waren und eine Abtreibung wünschten, nicht wegschicken wollen: „Der Preis dafür kann hoch sein“, sagt sie in dem Film.

Natürlich kommt auch die Debatte um die Gießener Ärztin Kristina Hänel vor. Sie hatte auf ihrer Internetseite über Abtreibung informiert und damit das Werbeverbot missachtet. Dafür wurde sie vom Gericht zu einer Geldstrafe verurteilt. Einer Kieler Ärztin steht die Bürokratie im Weg, als sie in ihrer Praxis Abtreibungen durchführen will. Manch angehende Ärzte wünschen sich, dass das Thema im Studium früher und häufiger vorkommt, damit die Studenten sich damit befassen können.

Besorgt um die angefeindeten Ärzte

Der Beitrag zeigt, wie emotional das Thema gesehen werden kann. Henrik Herrmann, Mitglied des Vorstandes der Bundesärztekammer, blickt besorgt darauf, wie Ärzte in sozialen Netzwerken oder vor Praxen dafür angefeindet werden, dass sie Abtreibungen durchführen. Die Angst vor militanten Gegnern und Lebensschützern sei enorm. Emotionale Szenen werden auch vom „Marsch für das Leben“ gezeigt, der Abtreibung einmal im Jahr ganz klar als „Tötung von Kindern“ benennt.

Zu Wort kommt auch eine gläubige Studentin, die aufgrund ihres biblischen Werteverständnisses erklärt, dass Menschen nicht die Entscheidung über Leben und Tod treffen sollten. Auch eine weitere Frauenärztin kann eine Abtreibung nicht mit ihrem christlichen Glauben vereinbaren. Sie wolle kein Kind töten, aber trotzdem jeder Frau in deren Notlage mit Respekt begegnen. Abtreibung bleibe aber für sie die Tötung ungeborenen Lebens und widerspreche ihrem Gewissen.

Die Dokumentation zeigt, wie unterschiedlich die Argumente und Sichtweisen bei dem Thema sind. Manche der gezeigten Mediziner haben emotionale, andere religiöse Gründe für ihre Entscheidung. Dabei hört sich der Abspann fast schon versöhnlich an. Eine Dresdner Ärztin, die Abtreibungen durchführt, ist sich im Klaren, dass gegenseitige Anfeindungen nie positiv sind und immer Angst auslösen. Aber auch die Gegenseite möchte für sich beanspruchen, empathisch zu sein für die Meinung der jeweils anderen Seite: „Jeder entscheidet nach dem eigenen Gewissen.“ Sowohl Ärzte als auch Betroffene.

Insgesamt zeigt die Dokumentation ein ausgewogenes Bild mit einem bunten Mix aus Stimmungen und Meinungen. Wenn allerdings von einem Versorgungsengpass die Rede ist, was die Anzahl der Kliniken betrifft, die Abtreibungen durchführt, könnte man daraus auch eine andere Botschaft herauslesen: etwa, dass sich weniger Kliniken für ein Töten menschlichen Lebens entscheiden.

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3 Antworten

  1. Ein Arzt ist dem Leben verpflichtet nicht dem Töten.Sind wir im Vergleich zu Hippokrates,der gelobte keiner Frau ein abtreibendes Mittel zu geben, und niemanden zum Freitod zu verhelfen, ethisch soweit zurückgefallen? ?

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    1. Sagen Sie das mal einer Person, die vergewaltigt wurde. Frauen sind mehr als Brutmaschinen.

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  2. Das Thema Abtreibung ist ein sehr ernstes, leider viel zu wenig öffentlich gemachtes Thema. Der Marsch fürs Leben am 18. 9. in Berlin hatte 4500 Teilnehemer. Es kamen verschiedene Konfliktpostionen für Schwangere zur Sprache. In Deutschland werden jedes Jahr ca. 100000 Kinder abgetrieben. Werden alle Möglichkeiten das zu verhindern ausgeschöpft? Werden genug Argumente FÜR das Leben in die Waagschale geworfen? Jeder Einzelfall muß gesondert behandelt werden, jedes Hilfsangebot für die Frau ist individuell. Man sollte nicht mit Einzelfällen eine gesamtgesellschaftliche Situatin rechtfertigen. Wieviele der 100000 Frauen sind Opfer von Vergewaltigung??

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