Kommentar

Könnte das Abtreibungsverbot fallen?

Die Deutschen bekommen so wenige Kinder wie seit 15 Jahren nicht mehr. Das hat schwerwiegende Auswirkungen auf Gesellschaft und Wirtschaft. Es scheint absurd, in diesen Zeiten über eine Abschaffung des Abtreibungsverbots zu diskutieren.
Von Anna Lutz
Der Gesetzesentwurf des Kabinetts sieht mehr Informationsmöglichkeiten über Abtreibungen vor

1,36 Kinder bekommen Frauen in Deutschland im Durchschnitt. Das ist weniger als in den vergangenen 15 Jahren. Und es ist bei weitem zu wenig, um eine Bevölkerung aufrechtzuerhalten. Die errechnete Zahl dafür liegt bei 2,1 Kindern. 

Letzteres ist keine Neuigkeit, ersteres schon. Als Gründe für den Geburtenschwund vermuten Experten multiple Krisen: Krieg in der Ukraine, Inflation, fortschreitender Klimawandel und die Ausläufer der Corona-Pandemie. Als sicher schätzen sie ein, dass der Nachwuchsmangel in Deutschland gravierende Auswirkungen auf die Wirtschaft haben wird. Es gilt also alles zu tun, um das Kinderkriegen attraktiver zu machen – und vor allem dafür zu sorgen, dass Eltern sich nicht von wirtschaftlichen Interessen getrieben sehen. 

Kinderkriegen attraktiv machen

Als Lösung schlagen Fachleute deshalb unter anderem eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf vor. Flexiblere Arbeitszeiten etwa, sodass Eltern nicht in die Teilzeit und damit in ein geringeres Einkommen gezwungen werden – auch 2024 sind das immer noch vor allem Frauen.

Es gibt vieles, was hierfür zu diskutieren wäre. Und es gibt vieles zu tun. Weiterer Kitaausbau und ein beherzter Kampf gegen den Erzieher- und Lehrermangel etwa. Oder gegen den Fachkräftemangel in Behörden, die für die Belange von Familien zuständig sind und der dazu führt, dass Eltern vielerorts mit ihren Problemen allein gelassen werden. 

Geradezu absurd erscheint es da, dass die Ampelregierung es nicht vermag, ermutigende Signale in die zumindest nachwuchsmäßig schwindende Gesellschaft zu senden. Im Gegenteil: Die Kindergrundsicherung steht kurz vor dem Scheitern. Und auf die Fahnen geschrieben haben sich Grüne, FDP und SPD ein ganz anderes Thema, das nun wirklich nicht dazu dient, den Kinderwunsch bei den Deutschen zu wecken: Die mögliche Abschaffung des Abtreibungsverbots, des Paragrafen 218 im Strafgesetzbuch. 

Mitte April wird eine extra eingerichtete Kommission erklären, ob sie dafür oder dagegen plädiert. Kaum vorstellbar erscheint es, dass die Experten nach vielen Monaten Arbeit einfach konstatieren: Alles kann so bleiben, wie es ist. Wahrscheinlicher ist, dass die Kommission einen Vorschlag unterbreitet, wie das Abtreibungsverbot aus dem Strafrecht herausgenommen werden kann. Um die „Entkriminalisierung“ von Frauen zu bewirken, wie es immer wieder vor allem aus Grünen- und SPD-Kreisen als Ziel formuliert wird. 

Abtreibungsrecht – eine Gewissensfrage?

Könnte es tatsächlich so weit kommen, dass der Paragraf 218 abgeschafft wird? Das hängt an vielen Faktoren. Zunächst einmal müssten sich die Experten dafür aussprechen. Dann müsste ein Gesetzgebungsverfahren folgen und ein Vorschlag unterbreitet werden, noch in dieser Legislatur, denn wer weiß schon, wie die Mehrheiten nach der nächsten Bundestagswahl verteilt sind. Sollte das gelingen, dann müsste über den Vorschlag wohl unter sogenanntem Fraktionszwang abgestimmt werden, damit er mit den Stimmen der Ampel verabschiedet wird. Ansonsten wird es zumindest eng. Denn in der FDP gibt es viele, die keine Abschaffung des 218 sehen wollen, CDU und AfD sind mehrheitlich bis geschlossen dagegen.  

Nun darf man eigentlich davon ausgehen, dass ein Gesetz zur Abtreibung allein dem Gewissen unterliegt und nicht wie im Bundestag üblich der Fraktionslinie. So wie es in der Vergangenheit etwa bei der „Ehe für alle“ oder den Gesetzesvorschlägen zur Sterbehilfe der Fall war. Doch die Freigabe der Abstimmung obliegt den Fraktionsspitzen. Sicher ist sie nicht, vor allem bei einem so umkämpften Thema, das für die Ampel-Parteien so etwas wie ein Prestigeprojekt geworden ist. Man erinnere sich an die Abschaffung des Werbeverbots für Abtreibungen, das SPD-Abgeordnete in einem Video feierten wie eine Party – und bei dem die Abstimmung ebenfalls nicht als Gewissensentscheidung deklariert wurde. 

Es klingt eigentlich unglaublich: Aber eine Abschaffung des Paragrafen 218 ist absehbar möglich – und zumindest nicht völlig abwegig. Was das Bundesverfassungsgericht dann mit dieser Entscheidung macht, steht freilich auf einem anderen Blatt. Denn Bayern hat schon angekündigt, gegen eine entsprechende Reform zu klagen. In der Vergangenheit hat das höchste Gericht mehrfach im Sinne des ungeborenen Lebens entschieden.

PRO wird dran bleiben! Nicht zuletzt, weil stimmt, was der Journalist Alexander Kissler jüngst auf der Plattform „X“ schrieb: „Wer die niedrige #Geburtenrate in Deutschland beklagt, sollte nicht von der (noch immer hohen) Zahl der Abtreibungen schweigen.“ 

Helfen Sie PRO mit einer Spende
Bei PRO sind alle Artikel frei zugänglich und kostenlos - und das soll auch so bleiben. PRO finanziert sich durch freiwillige Spenden. Unterstützen Sie jetzt PRO mit Ihrer Spende.

Ihre Nachricht an die Redaktion

Sie haben Fragen, Kritik, Lob oder Anregungen? Dann schreiben Sie gerne eine Nachricht direkt an die PRO-Redaktion.

PRO-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen