Meinung

Kein Koran sollte brennen

Wo Bücher brennen, werden symbolisch Gedanken und Ideen vernichtet. Wohin das führt, hat die deutsche Geschichte gezeigt. Koranverbrennungen verdienen daher keine Sympathie. Doch der aktuelle Fall in Schweden zeigt noch etwas anderes.
Von Jonathan Steinert
brennendes Buch, Feuerflammen

In Schweden hat diese Woche ein Mann öffentlich einen Koran angezündet. Es war nicht der erste Koran, der in den vergangenen Monaten brannte. Doch diesmal kann eine rechtsextreme Gesinnung wohl ausgeschlossen werden: Der Koranverbrenner war ein Flüchtling aus dem Irak. Seine Begründung: Der Koran ist gefährlich und schade der schwedischen Demokratie. Seine Aktion will er laut Medienberichten nicht als Hass oder Hetze verstanden wissen, sondern als Kritik am Islam und der Scharia.

An dieser Aktion sind gleich mehrere Aspekte bedenkenswert.

Zuerst ist zu betonen: In keinem demokratischen Land sollten Bücher öffentlich verbrannt werden. Bücher stehen für Kultur, für Wissen, für geistige Ideen, für Weltanschauung, für Bildung, für bestimmte Werte. Ein brennendes Buch symbolisiert die Auslöschung all dessen, wofür es steht. Auch wenn Aktionen im Einzelfall anders verstanden werden wollen – diese Symbolik lässt sich nicht leugnen.

Darin spiegelt sich eine Verachtung, die der inhaltlichen Auseinandersetzung aus dem Weg geht. Und die trifft automatisch auch die Menschen, die sich mit diesen Inhalten verbunden fühlen. Wo bestimmte Ideen symbolisch vernichtet werden, ist es nicht weit bis zur physischen Vernichtung derer, die diese Gedanken gut finden. Das lehrt die deutsche Geschichte: Vor 90 Jahren verbrannten die Nationalsozialisten „undeutsche“ Literatur. Was danach kam, ist bekannt.

Womöglich hatte der Koranverbrenner persönlich nachvollziehbare Gründe für seine radikale Islamkritik. Aber diese Protestform verdient keine Sympathie.

Wie laut protestiert der Westen?

Sodann ist bemerkenswert, dass die schwedische Polizei Koranverbrennungen grundsätzlich verbieten wollte – nicht aber Verbrennungen von Bibel und Torah. Offenbar geschah das unter einem gewissen politischen Druck, wie der Skandinavien-Korrespondent der „taz“ berichtet. Denn der türkische Präsident Erdogan blockiert derzeit Schwedens Nato-Beitritt. Da hat die Regierung kein Interesse daran, ihn unnötig zu verärgern. Erst Gerichte haben die Koranverbrennung als Form der freien Meinungsäußerung für legal erklärt. Allerdings wird der Vorfall nun daraufhin untersucht, inwiefern er zum Hass aufrief.

Und damit sind wir bei einem dritten bemerkenswerten Punkt. An der feurigen Protestaktion waren nur zwei Personen beteiligt. Keiner kam zu Schaden. Die öffentliche und internationale Empörung darüber ist jedoch überwältigend und führt zu mittelschweren diplomatischen Krisen. Marokko etwa bestellte den schwedischen Botschaftsvertreter ein und rief seinen Botschafter in Stockholm zurück. Mehrere Staatschefs islamischer Länder verurteilten die Aktion. Und Erdogan wird neues Futter für seine Nato-Blockade haben.

Da drängt sich die Frage auf: Wie vernehmbar und konsequent sind westliche Politiker ihrerseits mit Protest, wenn andere Länder Menschenrechte mit Füßen treten, wenn Christen und andere Minderheiten diskriminiert und verfolgt werden? Dazu gehören nämlich auch diejenigen, die sich jetzt am lautesten beschweren. Für Länder, die sich Freiheitsrechte auf die Fahne geschrieben haben, ist dabei ganz sicher noch Luft nach oben.

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