Judenhass und Gewalt bei „Pro-Palästina-Demo“ in Berlin

Am Samstag demonstrierten bei einer Kundgebung in Berlin tausende Menschen für ein „freies Palästina“. Dabei wurden judenfeindliche Parolen gerufen, es kam zu Angriffen auf Polizei und Journalisten. Über Stunden herrscht heilloses Durcheinander.
Von Martin Schlorke
pro-palästinensische Demo, Israel, Antisemitismus

Bei einer pro-palästinensischen Demonstration ist es am Samstag in Berlin zu massiven Ausschreitungen gekommen. Am Nachmittag versammelten sich tausende Menschen im Bezirk Neukölln und forderten ein „freies Palästina“. Die angemeldete Demonstration sollte vom Hermannplatz bis zum Rathaus Neukölln ziehen. Bereits am Startpunkt standen die Teilnehmer dicht gedrängt beieinander. Abstände, die aufgrund der Corona-Pandemie zur Auflage der Demonstration gehörten, wurden nicht eingehalten. Ebenso trugen viele Teilnehmer keinen Mund-Nasen-Schutz.

An der Versammlung nahmen arabische Familien mit Kinderwagen, Unterstützer der rechtsextremen, türkischen Organisation „Graue Wölfe“ und Imperialismus-kritische Gruppierungen teil. Zum Protest aufgerufen hatte die Gruppe „Samidoun“. Deren erklärte Aufgabe ist es, palästinensische Gefangene in israelischen Gefängnissen zu unterstützen. Erst im März stufte die israelische Regierung „Samidoun“ als Terror-Organisation ein. Insgesamt nahmen 3.500 Menschen an der Demonstration teil.

Nach etwa einer halben Stunde beendete die Polizei die Veranstaltung wegen Verstößen gegen die Hygieneauflagen an der Ecke Sonnenallee/Panierstraße. Daraufhin eskalierte die Situation.

Gewaltsame Auseinandersetzungen

Noch als die Polizei die Teilnehmer mit Durchsagen auf Deutsch und Arabisch zum Verlassen der Demonstration aufforderte, schlug die aufgeheizte Stimmung in blanke Gewalt um. Über mehrere Stunden war die Polizei nicht Herr der Lage. Glasflaschen, Pyrotechnik, Baumaterialien und Pflastersteine wurden auf Beamte geworfen. Für die Sicherheitskräfte vor Ort wurde der Einsatz zu einem gefährlichen Spießrutenlauf zwischen aggressiven Randalierern und schaulustigen Anheizern. Die Beamten setzten sich mit Pfefferspray zur Wehr und versuchten, mit gezielten Verhaftungen von Randalieren die Gewalt einzudämmen.

pro-palästinensische Demo, Israel, Antisemitismus, Polizei Foto: PRO/Martin Schlorke
93 Polizisten wurden bei den Demonstrationen am Samstag verletzt

Als die Polizei immer mehr die Kontrolle in der Sonnenallee zurückerlangte, wichen die Randalierer in Nebenstraßen aus und versuchten, dort in Hauseingänge einzudringen. Nur mit Hilfe weiterer hinzugerufener Hundertschaften bekam die Polizei am Abend die Lage unter Kontrolle.

Nach Angaben der Polizei wurden 93 Beamte während des Einsatzes verletzt. Die Polizei nahm insgesamt 59 Personen wegen schweren Landfriedensbruches, gefährlicher Körperverletzung, Angriffen auf Beamte und versuchter Gefangenenbefreiung fest. Insgesamt wurden 150 Personen erkennungsdienstlich erfasst.

Ziel der Angriffe waren auch immer wieder Journalisten. Pressevertreter wurden beschimpft, bedrängt und gezielt mit Pyrotechnik beworfen. Während einer Live-Schalte wurde ein Journalist des Berliner Tagesspiegels angegriffen. Die Reporterin Antonia Yamin vom israelischen Fernsehsender Kan wurde ebenfalls mit einem Knallkörper attackiert. Sie hatte auf Hebräisch von der Demonstration berichtet.

Offener Judenhass

Dominiert wurde die Demonstration von antisemitischen Sprechchören und Plakaten. Immer wieder riefen Teilnehmer dazu auf, Tel Aviv zu bombardieren. Wie der „Tagesspiegel“ berichtet, wurde in anderen arabischen Slogans der bewaffnete Widerstand gegen Israel legitimiert. Häufig zu hören war auch der Ruf: „Chaibar, Chaibar, ja jahud, Jaisch Muhammad, sa Jahud“ (Chaibar, Chaibar, ihr Juden, Mohammeds Heer kehrt zurück). Die Parole bezieht sich auf einen Feldzug Mohammeds im Jahr 628. Der islamischen Geschichtsschreibung zufolge soll der Prophet die von Juden besiedelte Oase Chaibar erobert haben.

pro-palästinensische Demo, Israel, Antisemitismus Foto: PRO/Martin Schlorke
Der Vorwurf des Kindermordes ist ein Jahrhunderte altes antisemitisches Motiv

Am Montag kündigte die Berliner Polizeipräsidentin Barbara Slowik vor dem Innenausschuss an, dass die Strafbarkeit einiger Parolen geprüft werde. Die Polizei habe „einzelne israelfeindliche, antisemitische Parolen“ aufgezeichnet und werde diese Aufnahmen nun überprüfen. „Im Zweifel gehen wir vom Anfangsverdacht aus und leiten Strafverfahren ein“. Allerdings würden sich die Parolen oft auf einem „schmalen Grat“ zwischen Strafbarkeit und freier Meinungsäußerung bewegen, erklärte sie.

Bei einer weiteren Demonstration, die bereits am Mittag in Neukölln stattfand, wurden bis auf wenige Verstöße gegen die Hygienerichtlinien keine weiteren Vorfälle gemeldet. An dieser Veranstaltung nahmen rund 300 Menschen teil.

Weitere Demonstrationen in Deutschland, London und Paris

Am Samstag kam es in einer Vielzahl weiterer europäischer Städte zu ähnlichen Protesten. In Köln riefen die Teilnehmer: „Israel Kindermörder“. Wie die Tageszeitung Die Welt berichtet, kam es auch zu Hitler-Vergleichen. In Frankfurt am Main versammelten sich rund 2.500 Menschen. Zuvor hatte das Verwaltungsgericht das am Freitag beschlossene Demonstrationsverbot aufgehoben. Die Veranstaltung wurde am Abend von der Polizei aufgelöst.

In London versammelten sich am Samstag ebenfalls tausende Menschen, um gegen Israels Luftangriffe zu demonstrieren. Als Redner trat unter anderen der frühere Chef der Labour-Partei, Jeremy Corbyn, auf. Er forderte Israel auf, die Besatzung des Westjordanlandes zu beenden und die Blockade des Gazastreifens aufzuheben. Am Sonntag kam es bei einem pro-palästinensischen Autokorso in London ebenfalls zu antisemitischen Parolen. So wurde dazu aufgerufen, Jüdinnen zu vergewaltigen. Premierminister Boris Johnson (Tories) verurteilte den Vorfall scharf: „Es gibt keinen Platz für Antisemitismus in unserer Gesellschaft. Ich stehe an der Seite der britischen Juden, die einen solch schändlichen Rassismus, wie wir ihn heute gesehen haben, nicht ertragen müssen sollten.“

In Paris gingen trotz eines Verbotes bis zu 3.500 Menschen auf die Straße. Die Polizei versuchte mit Tränengas und Wasserwerfern, die Demonstration zu beenden. Mindestens 44 Menschen wurden festgenommen. Zuvor hatte die Pariser Polizeipräfektur auf Anweisung des Innenministers Gérald Darmanin (La République en Marche) die Demonstration untersagt. Ein Gericht bestätigte später die Entscheidung. In anderen französischen Städten gingen insgesamt 22.000 Menschen am Samstag auf die Straße.

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3 Antworten

  1. „Pressevertreter wurden beschimpft, bedrängt und gezielt mit Pyrotechnik beworfen.“
    „Dominiert wurde die Demonstration von antisemitischen Sprechchören und Plakaten.“

    Verstörende Szenen.

    Und die „volle Härte des Rechtstaats“ (Seehofer) wirkt offensichtlich kaum abschreckend.
    Dabei hatte schon 2018 die CDU gefordert: „Wer als Zuwanderer in Deutschland gegen Juden hetzt, soll nach einem Entwurf der Unionsfraktion sein Aufenthaltsrecht verlieren.“
    Umgesetzt wurde von dieser Forderung allerdings wohl zuwenig …
    https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/union-fordert-schnellere-ausweisung-bei-antisemitismus-15376492.html

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  2. Der Berliner Innnensenator beschrieb das Geschehen wie folgt: Das waren junge erlebnisorientierte Männer, die nicht organisiert waren. Man hatte sich also rein zufällig dort zur selben Zeit eigefunden. Und die Gewalt wurde sicher nur von Aktionisten ausgeübt. Die Kanzlerin l i e s s sprechen, Herr Seibert sagte, er spreche a u c h für die Kanzlerin. Ansonsten solle die Gesellschft gegen diese Meinungsäußerungen aufstehen.
    Aha, wir sollen also Gegendemos organisieren, wie sonst die Antifa. Wo war die eigentlich? Haben wir keine Gesetze, die so etwas verbieten? Wie mögen sich die jüdischstämmigen Menschen in Deutschland fühlen? Sicher gibt es diese Demos auch in anderen Ländern, aber wir sind kein Land wie andere. Ich bin froh, dass meine jüdische Verwandtschaft nicht in diesem Land lebt. Ich schäme mich sehr.

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