Israelische Wissenschaftler für Verbleib der „Judensau“

Seit Jahren wird um den richtigen Umgang mit der Wittenberger „Judensau“ gerungen. Nun haben sich rund 50 israelische Wissenschaftler gemeldet und sprechen sich gegen die Abnahme der Schmähplastik aus.
Von Martin Schlorke
Judensau-Wittenberg

Die Debatte um die „Judensau“ an der Wittenberger Stadtkirche zieht auch international weite Kreise. In einem Schreiben wenden sich nun rund 50 Wissenschaftler israelischer Universitäten, darunter zahlreiche Kunst- und Kulturhistoriker, an den Wittenberger Gemeindekirchenrat.

In dem auf Englisch verfassten Brief sprechen sich die Unterzeichner für einen Verbleib der „Judensau“ an der Wittenberger Stadtkirche aus. Antisemitismus lasse nicht durch einen Bildersturm stoppen, schreiben die Wissenschaftler.

Aus ihrer Sicht stelle die Präsenz der „Judensau“ im öffentlichen Raum eine wichtige Erinnerung an die Vergangenheit dar. Würde man die Schmähplastik von der Kirche entfernen, käme dies einer Leugnung der Vergangenheit gleich. Daher sei auch die Versetzung der Skulptur in ein Museum keine Option. Vielmehr müsse die „Judensau“ an Ort und Stelle genutzt werden, um über das Verhältnis von Christen und Juden im Mittelalter aufzuklären. Die Wissenschaftler schlagen vor, die Informationen an der Gedenkstätte weiterzuentwickeln.

Bundesgerichtshof hat geurteilt

Im Juni hatte bereits der Bundesgerichtshof in Karlsruhe entschieden, dass die „Judensau“ nicht entfernt werden müsse. Aus Sicht der Richter fehle „eine gegenwärtige Rechtsverletzung“, da durch Informationstafeln über das „Mahnmal“ aufgeklärt werde.

Die Plastik von 1290 zeigt eine Sau, die zwei Menschen, die Juden darstellen sollen, säugt. Ein Rabbiner hebt den Schwanz des Tiers und blickt ihm in den After. Darüber findet sich der Schriftzug „Schem HaMephoras“ – der hebräische Ausdruck bedeutet „Der festgelegte Name“ und steht für den vierbuchstabigen Gottesnamen, den religiöse Juden nicht auszusprechen pflegen. Schweine gelten im jüdischen Glauben als unrein. In der Wittenberger Stadtkirche hatte später auch er Reformator Martin Luther gepredigt und antijüdische Schriften veröffentlicht.

Helfen Sie PRO mit einer Spende
Bei PRO sind alle Artikel frei zugänglich und kostenlos - und das soll auch so bleiben. PRO finanziert sich durch freiwillige Spenden. Unterstützen Sie jetzt PRO mit Ihrer Spende.

Ihre Nachricht an die Redaktion

Sie haben Fragen, Kritik, Lob oder Anregungen? Dann schreiben Sie gerne eine Nachricht direkt an die PRO-Redaktion.

Eine Antwort

  1. „Vielmehr müsse die „Judensau“ an Ort und Stelle genutzt werden, um über das Verhältnis von Christen und Juden im Mittelalter aufzuklären. “

    Das es im Mittelalter gegenseitig polemische Schriften von christlicher sowie jüdischer Seite gab, dürfte bekannt sein. In diese Zeit passt auch die Entstehung dieser Plastik. Es wäre ja mal ein interessanter Forschungs- oder Rechercheansatz herauszufinden, ob diese Plastik in diesen Kontext gehört oder davon unabhängig entstand.
    Luthers „Von den Juden und ihren Lügen“ soll auch als Reaktion auf so ein polemisches Werk entstanden sein.

    Das macht den Inhalt bzw. den Bildgegenstand auf keinen Fall besser oder soll irgendwie glatt gebügelt werden. – Nein, Christen haben im Umgang mit den Juden große Schuld auf sich geladen und das darf auch nicht verschwiegen oder schön geredet werden.
    Dennoch ist alles, was eine genauere historische Einordnung ermöglicht, hilfreich. Auch, damit eine solche Situation nicht wieder entstehen kann.

    1
    0

Offline, Inhalt evtl. nicht aktuell

PRO-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen