Meinung

„Frauen, Leben, Freiheit“ – Warum uns die Frauen im Iran nicht egal sein dürfen

80.000 bis 100.000 Demonstranten sind am Samstag in Berlin für Freiheit und gegen Unterdrückung im Iran auf die Straße gegangen. Ana Hoffmeister und Uwe Heimowski waren dabei und erklären, warum das Thema wichtig ist.
Von PRO
Protest, Iran

Seit Wochen gehen iranische Sicherheitskräfte mit brutaler Gewalt gegen die Massenproteste im Iran vor. Auslöser der Proteste war der Tod der 22 Jahre alten iranischen Kurdin, Mahsa Amini, Mitte September. Die Sittenpolizei hatte sie festgenommen und gefoltert, weil sie die Zwangsvorschriften für das Tragen eines Kopftuchs nicht eingehalten haben soll. Tausende Frauen verbrannten daraufhin öffentlich ihre Kopftücher, die Symbole der Unterdrückung. Männer und Frauen aller Generationen, Studenten und Schüler haben sich den landesweiten Protesten im Iran angeschlossen und fordern in ihren Protesten das Ende der Islamischen Republik.

Unter dem Motto: „Frauen, Leben, Freiheit!“ und dem Hashtag #mahsaamini sind am 22. Oktober am Großen Stern in Berlin auf die Straße gegangen und haben für Freiheit und gegen Unterdrückung im Iran demonstriert. Auch aus anderen europäischen Ländern waren Teilnehmer angereist, einige kamen sogar aus Australien und Amerika. Es war die bisher größte Kundgebung gegen die Islamische Republik in Europa. Die Organisatoren hatten mit 50.000 Teilnehmern gerechnet, tatsächlich kamen doppelt so viele.

Hoffnung auf Freiheit

Viele skandierten lautstark: „Weg, weg, weg, Mullah muss weg.“ Die Wut auf das Mullah-Regime war mit Händen zu greifen, dennoch blieben die Proteste friedlich. Als ich, Uwe, offensichtlich ein deutscher Mann, ein Schild mit den iranischen Nationalfarben und dem Aufdruck „Women, Life, Freedom“ in die Hand nahm, klatschen die Umstehenden Beifall, Wildfremde nahmen mich in den Arm, junge Frauen klatschen ab, sie sprechen mir den Satz auf Farsi vor: Zan, Zendegi, Azadi. Die dringende Sehnsucht nach Solidarität ist ebenfalls mit Händen zu greifen.

Neue Hoffnung, nach über 40 Jahren endlich Freiheit im Iran zu erwirken, wächst auf. Unter den Demonstranten ist eine starke Verbundenheit zu spüren. Alle Generationen sind vertreten, verschiedene Ethnien ebenfalls. Sie alle vereint der Ruf nach Freiheit für ihre Heimat. Ana schreibt dazu auf ihren Social-Media-Kanälen: „Allein dieser Tag ist schon ein großes Wunder. Ich bin dankbar, dass ich diesen Moment mit meinen Kindern erleben durfte. Vor über 35 Jahren sind meine Eltern mit uns in Deutschland auf Iran-Demos gegangen. Wer hätte damals wissen können, dass es fast zwei Generationen brauchen würde, bis die Hoffnung wieder auflebt?“

Aber ist diese Hoffnung gerechtfertigt? Bringt es überhaupt etwas, wenn Menschen in Deutschland demonstrieren? Interessiert das die Mullahs im Iran? Wer weiß das schon zu sagen. Auf jeden Fall aber gibt es gute Gründe, mit den Iranerinnen und Iranern auf die Straße zu gehen.

Sechs gute Gründe für Solidarität

Erstens: Die Menschen im Iran brauchen diese Solidarität. Sie müssen wissen, dass sie nicht allein sind in ihrem Kampf für die Freiheit und die Menschenrechte. Freunde und Verwandte schicken ihnen Bilder und Videos aus Berlin und aus Toronto und Los Angelas, den Städten mit den größten iranischen Communities, und anderen Orten, an denen Menschen den Protest unterstützen. Das stärkt die Widerstandskraft der Iranerinnen und Iraner gegen die Unterdrücker, die mit brutaler Gewalt vorgehen.

Zweitens: Die Exil-Iraner werden ermutigt, weiterhin ihre Stimme zu erheben, wenn wir uns an ihre Seite stellen. Sie sind eine Minderheit, die die sichtbare Unterstützung der Mehrheitsgesellschaft dringend braucht. Übrigens sind viele Iraner in Deutschland und anderen Ländern zum Glauben an Jesus Christus gekommen. Auch die christliche Gemeinde im Iran erlebt seit vielen Jahren ein rasantes Wachstum. Die konvertierten Christen leben ihren Glauben in geheimen Untergrundkirchen. Auch und gerade unsere Geschwister brauchen unsere Solidarität.

Drittens: Die Proteste werden von der iranischen Regierung und von anderen Ländern sehr deutlich wahrgenommen. 2020 war Deutschland der mit Abstand größte Handelspartner für den Iran. Da gerade über ein neues Atomabkommen mit dem Iran verhandelt wird, könnte genau jetzt ein politischer Kairos sein, um Veränderungen zu erreichen. Der Druck der Menschen nötigt die Politik, zu handeln.

Viertens: Frauenrechte sind Menschenrechte. Wenn wir das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und die Europäische Grundrechtecharta ernst nehmen, dann muss unsere Solidarität den Frauen im Iran gelten.

Fünftens: Gerade angesichts der Folgen des Ukrainekrieges mit der wachsenden Inflation und der gefährdeten Energieversorgung entwicklen wir mehr und mehr einen Tunnelblick auf das eigene Land. Aber wir dürfen den Rest der Welt nicht vergessen. Nicht den Iran, nicht Afghanistan, den Jemen und die Länder Subsaharaafrikas. Die Weltgemeinschaft gehört zusammen, wir brauchen mehr denn je einen globalen Blick. Spätestens die Coronapandemie hat uns gezeigt, dass wir alle in einem Boot sitzen.

Sechstens: Auch und gerade als Christen gehören wir an die Seite der Ausgegrenzten und Unterdrückten. „Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit“ (2. Korinther 3,17). Und so haben wir während der Demonstration nicht nur an der Seite der Menschen gestanden, sondern auch still dafür gebetet, dass dieser Geist der Freiheit in den Iran einzieht.

Von: Dr. Ana Hoffmeister, Unternehmensberaterin, gebürtige Iranerin, und Uwe Heimowski, Politischer Beauftragter der Deutschen Evangelischen Allianz und Vorstand der Christlichen Medieninitiative pro

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2 Antworten

  1. „80.000 bis 100.000 Demonstranten sind am Samstag in Berlin für Freiheit und gegen Unterdrückung im Iran auf die Straße gegangen..“ Ob das im Iran was ändert?? Wohl eher nicht.

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  2. Diese Demo kann höchstens ein Ventil sein um der Hilflosigkeit gegenüber dem Elend in der Welt Ausdruck zu geben mehr nicht. Wir schaffen es nicht uns für jede Not in der Welt einzusetzen. Denn dann müssten wir bei den Konflikten wie Sudan, Jemen usw usw., die jahrelang toben schon lange auf der Strasse sein. Es überfordert einen Menschen sich für jede Not jedes Problem dieser Welt zu engagieren. Und: es grenzt schon sehr an Unkenntnis der Schrift, wenn man 2 Kor.3, 17 in diese Richtung auslegt. Denn hier geht es um die innere Freiheit durch ein Leben unter der Herrschaft des Geistes in meinem persönlichen Leben. Es geht nicht um die Freiheit von einem Regime. So kann die Bibel auch falsch ausgelegt werden

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