Erst Islamistin, dann Atheistin, jetzt Christin: Ayaan Hirsi Ali

Die bekannte niederländische Politikerin Ayaan Hirsi Ali wandte sich einst dem radikalen Islam zu. Nach dem 11. September 2001 wurde sie zur radikalen Atheistin. Nun hat sie zum christlichen Glauben gefunden.
Von Jörn Schumacher
Ayaan Hirsi Ali

Die bekannte Islam-Kritikerin, Politikerin und Feministin Ayaan Hirsi Ali galt als ein bekanntes Gesicht der „Neuen Atheisten“. Sie wuchs in Somalia auf, wo sie in Kontakt mit der Muslimbruderschaft kam. Deren Lehre nahm sie so ein, dass sie sich selbst dem radikalen Islam zuwandte. Die Terror-Anschläge in den USA vom 11. September 2001 führten jedoch eine Wende herbei, Hirsi Ali wandte sich nicht nur vom Islam ab, sondern wurde zur überzeugten Atheistin.

Hirsi Ali bekam bei ihrer Arbeit als Übersetzerin für die niederländische Einwanderungsbehörde viel von häuslicher Gewalt gegen Frauen in muslimischen Familien mit. Als Politikerin im niederländischen Parlament war sie einige Jahre lang für die konservativ-liberale Partei „Volkspartei für Freiheit und Demokratie“ (VVD) aktiv, sie prangerte eine missglückte Integrationspolitik der Niederlande an, äußerte heftige Kritik an den islamischen Schulen in den Niederlanden und initiierte ein Gesetz zur strengeren Bestrafung der Beschneidung von Mädchen.

Hirsi Ali erhielt Morddrohungen. Zusammen mit dem niederländischen Filmregisseur Theo van Gogh hatte sie 2004 einen islamkritischen Film gedreht. Der Filmemacher wurde daraufhin von einem Islamisten ermordet, an seiner Leiche befestigte der Täter einen an Ayaan Hirsi Ali gerichteten Drohbrief.

„Warum ich jetzt Christin bin“

Vor kurzem gab die Aktivistin bekannt, sich nun dem Christentum zugewandt zu haben. Unter dem Titel „Warum ich jetzt Christin bin“ veröffentlichte sie einen längeren Text auf dem britischen Internet-Portal „UnHerd“. Zugleich veröffentlichte sie auf Instagram ein Video, unter dem gleichen Titel. „Wir können den Islamismus nicht mit säkularen Werkzeugen allein bekämpfen“, heißt es darin. „Wenn wir die Herzen der Muslime hier im Westen gewinnen wollen, müssen wir ihnen mehr anbieten als Tiktok-Videos.“ Dann wechselt die Musik von einer dramatischen Anmutung zu einer Klavier-Interpretation des christlichen Liedes „Amazing Grace“. „Ich bekehrte mich zum Christentum, weil ich endlich zu der Meinung gekommen bin, dass ein Leben ohne irgendeinen geistlichen Trost unerträglich und geradezu selbstzerstörerisch ist.“ Zu sehen sind christliche Symbole, ein Kreuz sowie betende Hände vor einer aufgeschlagenen Bibel. Weiter heißt es: „Atheismus hat darin versagt, eine einfache Frage zu beantworten: Was ist der Sinn des Lebens?“

In ihrem Artikel vergleicht die ehemalige Atheistin zunächst die Reaktionen auf die Anschläge vom 11. September mit dem Angriff von Hamas-Kämpfern auf israelische Zivilisten am 7. Oktober 2023. In den vergangenen Wochen hätten sich Millionen von Menschen mit der Notlage der Menschen im Gazastreifen sympathisiert, doch sie „versuchten, die Terroranschläge vom 7. Oktober als gerechtfertigte Reaktion auf die Politik der israelischen Regierung zu rationalisieren“.

Sie rekapituliert dann ihren eigenen Glaubensweg. Sie habe sich als Jugendliche der Muslimbruderschaft zugewandt, weil diese „einen geradlinigen Weg“ aufgezeigt hätten. Für die Anhänger des radikalen Islam sei die Aussicht darauf, als Märtyrer für Allah zu sterben, verlockend. „Sich den Freuden der Welt hinzugeben, bedeutete, Allahs Zorn auf sich zu ziehen und zu einem ewigen Leben im Höllenfeuer verurteilt zu werden.“ Zu den „weltlichen Vergnügungen“, die sie anprangerten, gehörten das Lesen von Romanen, das Hören von Musik, das Tanzen und der Kinobesuch. Ein „besonderer Hass“ galt zudem „einer Untergruppe der Ungläubigen: den Juden“, schreibt Hirsi Ali. „Wir beschimpften die Juden mehrmals am Tag und brachten Entsetzen, Ekel und Wut über die Litanei von Straftaten zum Ausdruck, die sie angeblich begangen hatten.“

Nach dem 11. September habe sie ihren Glauben an Allah vollständig aufgegeben und Religion als Ganzes abgelehnt. Religion baue in erster Linie auf Angst auf, so ihre Erkenntnis. Doch selbst als sie sich von der Religion abwandte, sei eine „irrationale Angst vor dem Höllenfeuer“ bestehen geblieben, stellte sie fest. Bei den Atheisten habe sie einen neuen Freundeskreis gefunden, darunter Christopher Hitchens und Richard Dawkins.

„Was ist der Sinn und Zweck des Lebens?“

Zu den Gründen, sich nun dem Christentum zuzuwenden, schreibt die Autorin: „Die westliche Zivilisation wird von drei verschiedenen Kräften bedroht: dem Wiederaufleben des Autoritarismus und Expansionismus der Großmächte in Form der Kommunistischen Partei Chinas und Wladimir Putins Russland; der Aufstieg des globalen Islamismus, der eine große Bevölkerung gegen den Westen zu mobilisieren droht; und die virale Verbreitung der ‚woken‘ Ideologie, die sich in die Moral der nächsten Generation hineinfrisst.“

Mit den säkularen Mitteln, ob militärisch, wirtschaftlich, diplomatisch oder technologisch, sei diesen Konflikten nicht beizukommen, ist Hirsi Ali überzeugt. „Entweder geht uns das Geld aus, unsere Staatsverschuldung liegt im zweistelligen Billionenbereich, oder wir verlieren unseren Vorsprung im technologischen Wettlauf mit China.“

Der Satz „Gott ist tot!“ scheine ihr inzwischen unzureichend, und es sei darin kein Trost zu finden. „Die einzig glaubwürdige Antwort liegt meiner Meinung nach in unserem Wunsch, das Erbe der jüdisch-christlichen Tradition aufrechtzuerhalten.“ Sie schreibt: „Mir wurde klar, dass meine atheistischen Freunde den Wald vor lauter Bäumen nicht sahen. Der Wald ist die Zivilisation, die auf der jüdisch-christlichen Tradition aufbaut.“ Die Gewissens- und Meinungsfreiheit – „vielleicht der größte Vorteil der westlichen Zivilisation“ – sei das Ergebnis „jahrhundertelanger Debatten innerhalb jüdischer und christlicher Gemeinschaften“. Diese Debatten hätten erst die Wissenschaft und die Vernunft vorangebracht. „Im Gegensatz zum Islam ist das Christentum über sein dogmatisches Stadium hinausgewachsen“, schreibt Hirsi Ali. „Es wurde mir immer klarer, dass die Lehre Christi nicht nur eine begrenzte Rolle der Religion als etwas Getrenntes von der Politik implizierte. Sie implizierte auch Mitgefühl für den Sünder und Demut gegenüber dem Gläubigen.“

Der Atheismus, die Ablehnung Gottes und der Rückzug der Kirche hätten ein „Gottesloch“ hinterlassen, so Hirsi Ali, eine „Lücke“, die lediglich von einem „Durcheinander irrationaler quasi-religiöser Dogmen“ gefüllt werde. Hirsi Ali gibt zudem ein Zitat wieder, das man häufig G. K. Chesterton zuschreibe: „Wenn Menschen sich dafür entscheiden, nicht an Gott zu glauben, glauben sie danach nicht mehr an nichts, sondern werden fähig, an alles zu glauben.“

Abschließend betont die ehemalige Atheistin: „Ich habe mich auch dem Christentum zugewandt, weil ich ein Leben ohne spirituellen Trost letztendlich für unerträglich – ja fast selbstzerstörerisch – halte. Der Atheismus kann eine einfache Frage nicht beantworten: Was ist der Sinn und Zweck des Lebens?“

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