Meinung

Ein guter Tag für die Medienfreiheit

Der Rundfunkbeitrag wird erhöht: Was Sachsen-Anhalts Ministerpräsident zu verhindern wusste, hat nun das Bundesverfassungsgericht entschieden. Für die Freiheit der Medien ist das ein guter Tag.
Von Jonathan Steinert
Fernseher

86 Cent können die Gemüter erhitzen, Parlamente und Gerichte beschäftigen. Nämlich dann, wenn es um den Rundfunkbeitrag geht, den manche Kritiker auch als Zwangsgebühr beschimpfen. Der wird nun, rückwirkend ab 1. Juli, um genau diesen monatlichen Betrag auf dann 18,36 Euro erhöht. Das entschied das Bundesverfassungsgericht am Donnerstag und kritisierte Sachsen-Anhalt dafür, dass sein Landtag der Beitragserhöhung im Dezember nicht zugestimmt hatte. Sonst wäre die Erhöhung bereits im Januar in Kraft getreten.

Für die Medienpolitik in Deutschland sind die Bundesländer zuständig und damit auch für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Steht eine Beitragserhöhung an, müssen alle Ministerpräsidenten und alle Landesparlamente zustimmen. Sachsen-Anhalt blockierte das jedoch. Und zwar nicht, indem das Parlament dagegen stimmte: Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) zog das Papier vor der Abstimmung von der Tagesordnung zurück. SPD und Grüne wollten dafür stimmen, die CDU-Fraktion dagegen – und die AfD ebenfalls. Hätten Union und AfD die 86 Cent gemeinsam verhindert, wäre das wohl das Ende der Regierungskoalition gewesen. So hielt sie – und Haseloff, der sich selbst kritisch zur geplanten Erhöhung geäußert hatte, führte seine Partei bei der Landtagswahl im April erneut zum Sieg. Sein politisches Manöver um den Rundfunkbeitrag hat sicherlich zu diesem Erfolg beigetragen.

Das juristische Nachspiel dürfte er eingeplant haben, politisch kann ihm das nicht mehr schaden. ARD, ZDF und Deutschlandradio klagten vor dem Bundesverfassungsgericht: Ohne eine Beitragserhöhung sei die Rundfunkfreiheit verletzt, weil die Sender Anspruch auf eine „funktionsgerechte Finanzierung“ hätten. Das Gericht gab ihnen Recht. Für die Medienfreiheit ist das ein guter Tag.

Sender müssen sich an ihrem Auftrag messen lassen

Denn in seinem Urteil unterstrich das Gericht die inhaltliche Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Die Politik muss die Finanzierung gewährleisten, aber darf das nicht an inhaltliche Vorgaben knüpfen. Gesetze etwa zur Struktur oder dem Auftrag des Rundfunks müssen unabhängig von den Verträgen zur Finanzierung beschlossen werden. Deshalb ermitteln auch nicht die Politiker selbst, wie viel Geld die Sender benötigen, sondern eine extra eingesetzte Experten-Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF). Wenn die Politik deren Empfehlungen nicht folgt, muss sie handfeste Gründe anbringen, etwa dass die Bürger zu sehr belastet würden. Das hat sie nicht getan, stellte das Gericht fest.

Gleichzeitig haben die Richter den Sendern ihren besonderen Auftrag ins Stammbuch geschrieben: „durch authentische, sorgfältig recherchierte Informationen, die Fakten und Meinungen auseinanderhalten, die Wirklichkeit nicht verzerrt darzustellen und das Sensationelle nicht in den Vordergrund zu rücken, vielmehr ein vielfaltsicherndes und Orientierungshilfe bietendes Gegengewicht zu bilden“. Das sei insbesondere in diesen Zeiten wichtig, wo Informationen immer komplexer, aber auch leicht verfälscht oder einseitig dargestellt und verbreitet werden können.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss beweisen, dass er diesem Anspruch tatsächlich gerecht wird und das Geld der Beitragszahler „verdient“. An seinem Auftrag muss er sich messen lassen. Auch wenn die Beitragserhöhung vor allem wegen eines gewieften politischen Manövers zum eigenen Machterhalt ausgesetzt wurde, hat das doch eine Debatte angestoßen: über Funktion und Strukturen, über Standorte in Ost und West, über Gehälter und Pensionen. Dass hier dringender Reformbedarf besteht, ist offensichtlich. Das betrifft auch die Prozesse, wie der Rundfunkbeitrag festgesetzt wird. In diesem Fall hat das Gericht keine politische Entscheidung gekippt, weil gar keine getroffen wurde. Aber was, wenn die Abgeordneten per Abstimmung die Beitragserhöhung unmöglich gemacht hätten? Haseloff bemerkte zu Recht als Reaktion auf das Urteil, dass hier ein „Demokratieproblem“ noch nicht gelöst sei.

Helfen Sie PRO mit einer Spende
Bei PRO sind alle Artikel frei zugänglich und kostenlos - und das soll auch so bleiben. PRO finanziert sich durch freiwillige Spenden. Unterstützen Sie jetzt PRO mit Ihrer Spende.

Ihre Nachricht an die Redaktion

Sie haben Fragen, Kritik, Lob oder Anregungen? Dann schreiben Sie gerne eine Nachricht direkt an die PRO-Redaktion.

17 Antworten

  1. Ich habe einen anderen Begriff von Freiheit – jedenfalls einen, der ohne Zwangsgebühren auskommt. Ich weiß noch, wie einst am Telefon mich der Typ von der GEZ gefragt hatte, wie lange ich das Radio denn schon hätte. Ich wusste es nicht – immerhin war es ein Radio, was mal meinem Opa gehörte. Ich sagte ihm 3, 4 oder 5 Jahre – solange stand das bestimmt schon auf dem Speicher. Ja, teure Antwort: Denn es ging ja nicht darum, ob ich es genutzt hatte.

    0
    0
  2. Laut Wikipedia beträgt das Budget der Öffentlich-Rechtlichen in Deutschland 9,1 Milliarden Euro jährlich und die ARD wird damit als „der größte nicht-kommerzielle Programmanbieter weltweit“ beschrieben.
    Laut FAZ-Online (vom 08.12.2020) steigern sich die Beiträge durch die aktuelle Erhöhung „für die Zeit von 2021 bis 2024 um 1,5 Milliarden Euro“.
    Wenn sich ARD, ZDF und Deutschlandradio beklagen, „Ohne eine Beitragserhöhung sei die Rundfunkfreiheit verletzt, weil die Sender Anspruch auf eine „funktionsgerechte Finanzierung“ hätten.“, frage ich mich, was intern schief laufen muss um als Sendeanstalt mit 9Mrd. Euro pro Jahr keine „funktionsgerechte Finanzierung“ ermöglichen zu können. Ebenso erschließt sich mir nicht, inwiefern die Erhöhung einen guten Tag für die „Medienfreiheit“ darstellt, wie Sie es schreiben Herr Steinert.

    0
    0
  3. Ist das auch ein guter Tag für die Demokratie?
    Wenn ohne die Zustimmung von allen Parlamenten eine Erhöhung einer Pflichtabgabe von einem Gericht bestimmt werden kann, halte ich das für fragwürdig. Somit kann also eine Behörde festlegen, wie sich der Betrag verändert. Warum sollten dann noch die Parlamente darüber abstimmen.
    Meine Meinung als rechts-konservativer Bürger dieses Landes sehe ich in den ÖR-Medien fast überhaupt nicht vertreten. Das Framing (vgl. Diskussion 2019) ist einfach zu stark eine Richtung.
    Wo sind die Formate wie Hauser & Kienzle?

    0
    0
  4. Das oberste deutsche Gericht hat im Kern entschieden, dass die Bundesländer im Prinzip nur zustimmen können, wenn es um Gebührenerhöhung geht. Warum muß dann überhaupt abgestimmt werden. Und von wegen unabhängig und ausgewogen: die Rundfunkräte nehmen Einfluss, Journalisten gehören zur Atlantikbrücke und die Berichterstattung ist eindeutig linkslastig. Das kann man ja alles machen, aber warum muss man dann sich als ausgewogen darstellen wenn es nicht stimmt. Die unsinnig hohen Gehälter gehören reduziert wie die Anzahl der Rundfunkanstalten. ARD und ZDF gehören fundamental reformiert vor allem auch deshalb weil sich das Sehverhalten der Jüngeren z. B. Richtung Netflix massiv verändert. Der Druck in diese Richtung wird sich nun weil die Gebühren noch doch erhöht wurden noch viel stärker werden. Deshalb haben die Richter in Karlsruhe dem Status Quo einen Bärendienst erwiesen

    0
    0
  5. „Für die Freiheit der (Mainstream) Medien ist das ein guter Tag“
    Traurigerweise Allerdings !
    Albrecht Pflüger

    0
    0
  6. Ja ich bin wirklich hoch erfreut darüber, das ich nun mehr Geld dafür ausgeben darf um Hetze und Lügen über Corona-Maßnahmenkritiker zu hören.

    0
    0
  7. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist für mich nicht nachvollziehbar. Im Kommentar zitiert Jonathan Steinert ja erfreulich, was der Auftrag der öffentlich-rechtlichen Sender ist, nämlich „durch authentische, sorgfältig recherchierte Informationen, die Fakten und Meinungen auseinanderhalten, die Wirklichkeit nicht verzerrt darzustellen und das Sensationelle nicht in den Vordergrund zu rücken, vielmehr ein vielfaltsicherndes und Orientierungshilfe bietendes Gegengewicht zu bilden“. Nach meiner Wahrnehmung sind die Sender inzwischen meilenweit von dieser Vorgabe entfernt. Aber hier ging es ja um die Höhe der Gebühren. Und da leuchtet mir vieles nicht ein. Aus meiner Sicht könnte der Auftrag wunderbar mit der Hälfte des Rundfunk- und Fernsehangebots auskommen. Dass das Bundesverfassungsgericht mindestens zunächst den notwendigen Sparzwang und die Ausgabendisziplin vermeidbar macht, ist ein Skandal. Und ich gebe zu: Von „pro“ wünsche ich mir eine viel kritischere Begleitung der öffentlich-rechtlichen und nicht eine so schnelle Zustimmung.

    0
    0
  8. Ich gehöre zwar nicht zur Community von KenFM und habe in das Portal nur wenig reingehört und kenne die kritische Haltung des Mainstreams zu diesem Portal und zu Ken Jebsen (es gibt einen interessanten Audiopodcast vom Mainstream zu Ken Jebsen: „Cui Bono: WTF happened to Ken Jebsen?“ Gut gemacht und interessante Hintergründe.)

    ABER: Hier hat es eine Person geschafft, ganz ohne Zwangsgebühren allein durch sein Tun und seine Arbeit eine Anhängerschaft aufzubauen, die die Arbeit finanziert. Ich muss sagen, das verdient Respekt. Und die Vorwürfe des Antisemitismus scheinen mir nach dem, was ich gelesen habe, an den Haaren herbeigezogen.

    Auch Boris Reitschuster hat es geschafft, sich von seinen Lesern finanzieren zu lassen. Ganz ohne Anzeigenkunden, die die Zeitung dann finanziell erpressen können. Das sind einfach Leute, die den Nerv treffen.

    Klar, viele interessiert das nicht oder sehen es kritisch. Andererseits zeigt es, dass durchaus eine kritische Berichterstattung abseits der großen Medien gefragt wird. Diese sollte man nicht zensieren und dann von „Pressefreiheit“ tönen.

    0
    0
  9. Was Herr Steeb für kritischen Journalismus hält, hat er ja bei seinen Einlassungen zu den Coronamaßnahmen eindrücklich demonstriert. Verschwörungsaffine Alternativmedien scheinen ihm und anderen Kommtatoren durchaus zuverlässig. Wobei (@Christian) KenFM ist nicht verschwörungsaffin, das ist ein eindeutig hanebüchener Verschwörungsschwurbler der übelsten Sorte, das hat mit Journalismus überhaupt nichts zu tun. Dass man das nicht mehr auseinanderhält bzw. auseinanderhalten kann, ist ein Indiz dafür, wie korrumpiert der öffentliche Diskurs durch „fake news“ und Populismus bereits ist! LEIDER!

    0
    0
    1. Es ist mir einfach zu billig bei berechtigter Diskussion über die ÖRR Hartmut Steeb anzugreifen oder alles auf die Verschwörungsebene zu ziehen. Sich mal wirklich mit den In den Kommentaren genannten Problemen der ÖRR zu stellen, das wäre doch mal was Carvalho.

      0
      0
      1. Von Ihnen den Vorwurf des „Billigen“ zu bekommen, ist nicht billig, sondern absurd… Ihre Angriffe auf den ÖRR sind keine Sachkritik, sondern „fake news“- Propaganda, wie Sie gerade an anderer Stelle in diesem Forum einmal mehr belegt haben! Ich habe dort ja geantwortet, wie diese Diskussion ethisch einzuordnen ist!

        0
        0
      2. P.S. Dass Herr Steeb verschwörungsaffine rechtslastige Foren als „seriöse“ Quellen zu Rate zieht, ist alles andere als nebensächlich, sondern zeigt, auf welche (ethischen und politischen) Abwege man in einem bestimmten evangelikalen Milieu kommen kann, wenn der Kompass nicht mehr stimmt!

        0
        0
        1. Was soll denn dieser Beitrag? Ich habe mich in meinem Beitrag auf gar keine Quellen bezogen sondern meine Meinung dargelegt. Bleiben Sie doch beim Thema Carvalho!
          Ist das eigentlich Ihr Name oder wer diskutiert hier?

          0
          0
          1. Das Thema war, dass Sie Ihre Form von kritischem Journalismus ja bei Ihren Äußerungen zu den Coronamaßnahmen dokumentiert haben und daselbst höchst dubiose Quellen zu Rate gezogen haben. Das hat ja auch Ihren ehemaligen Arbeitgeber dazu veranlasst auf eine für die EA schon sehr deutliche Weise auf Abstand zu Ihnen zu gehen. Das ist Fakt.
            MfG
            Carvalho

            0
            0
          2. P.S. Falls Sie vermuten, dass sich hinter meinem Namen verdeckt finstere Machenschaften verbergen – vielleicht die EKD in Verbund mit der Antifa -, dann fragen Sie doch bei „rubikon“, die wissen über solche Machenschaften doch bescheid. Aber vermutlich verhält es sich wie mit allen konspirativen Verdächtigungen…
            MfG
            Carvalho

            0
            0
  10. Die öffentlich-rechtlichen Sender klagen:
    Ohne eine Beitragserhöhung sei die Rundfunkfreiheit verletzt, weil die Sender Anspruch auf eine „funktionsgerechte Finanzierung“ hätten.
    Es könnte auch eine Überlegung wert sein, wie man mit den vorhandenen Mitteln auskommt bzw. sie effektiv einsetzt. Manche „Funktion“ braucht es bei einer Senderlandschaft 2021 vielleicht bei ARD und ZDF gar nicht (mehr), manche Funktion läuft mittlerweile auf anderen Schienen. Viele Sportsendungen eben sowieso im Bezahlfernsehen.
    Ich vergleiche es mal für den Privathaushalt. Es ist durchaus möglich das mein Arbeitgeber auf meine Frage nach Gehaltserhöhung positiv reagiert, ansonsten muß ich mir Gedanken machen wie meine Mittel für eine Funktionsgerechte Finanzierung meiner Familie reichen. Zwangsgebühren sind ein Privileg.

    0
    0
    1. So sieht es aus, wenn sich die finanziell reich gesegneten Sendeanstalten noch einen Schluck mehr genehmigen – angesichts der Intendantengehälter ein Skandal – dann ist das im Berliner Politikbetrieb weitgehend zu befürworten, aber wollen die nicht gerade fürstlich bezahlten Lokführer keine Nullrunde hinnehmen, dann bricht für dieselben Protagonisten das Abendland zusammen, wenn gestreikt wird. Die ÖR-Sender machen das heimlich. Beispiel: Vor einiger Zeit brachte der NDR 1, Welle Nord für Schleswig-Holstein bis um 22 Uhr gesonderte Nachrichten, nun ist schon um 19 Uhr Schluß, weniger leisten, aber mehr zahlen.

      0
      0

Offline, Inhalt evtl. nicht aktuell

PRO-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen