Ehemaliger EAD-Vorsitzender Vetter: „Ethische Themen nicht in den Vordergrund stellen“

Zum Jahresende endete die Amtszeit von Ekkehart Vetter als Vorsitzender der Evangelischen Allianz in Deutschland (EAD). Im Gespräch mit PRO hat er ein Fazit gezogen.
Von Norbert Schäfer
Ekkehart Vetter betont die Einheit der Christen (Archivbild)

PRO: Herr Vetter, was ist Ihr Fazit nach sechs Jahren Allianzvorsitz?

Ekkehart Vetter: Wenn ich heute zurückblicke, stand die Evangelische Allianz in dieser Zeit vor enormen Herausforderungen. Wir mussten die Allianz durch die Corona-Pandemie navigieren. Zwei Allianz-Konferenzen mit einem historischen Jubiläum konnten wir nur digital beziehungsweise mit deutlich geringerer Teilnehmerzahl durchführen. Das war bitter.

Das Zweite, was mich und den gesamten EAD-Vorstand sehr beschäftigt hat, war die Nachfolge von Hartmut Steeb. Er war mehr als 30 Jahre Generalsekretär und zunächst war nicht klar, wie es nach ihm weitergehen würde. Mit Reinhardt Schink ist es gelungen, einen sehr guten Nachfolger zu finden. Mit ihm ist dann schließlich auch der tiefgreifende strukturelle Veränderungsprozess der EAD eingeleitet worden, der im Herbst 2022 nach einem mehrjährigen Prozess beschlossen wurde und der jetzt beginnt zu greifen. Mit Reinhardt Schink und Frank Heinrich als neuer Vorstand ist die EAD gut aufgestellt!

Die Übernahme der Leitung der Allianz fiel in nicht so ganz leichte Zeiten …

Soll heißen, in die interne Debatte um die Stellung zur Homosexualität, die Vorgänger Michael Diener angestoßen hatte?

Ja. Das war sehr kontrovers. Die Debatte zog sich vom Hauptvorstand bis auf die Ebene der Gemeinden quer durch die Allianz und hat uns sehr geschüttelt. Selbst wenn es bei dieser Frage ruhiger geworden ist, heißt das nicht, dass in dem Punkt jetzt eine gemeinsame Auffassung herrscht.

Also zeichnet sich in der Frage keine Einigkeit ab?

Die unterschiedlichen Positionen an der Stelle sind da. Da ist weiterhin Diskussionsbedarf. Dies haben wir in manchen Fragen. Die Taufe ist der Klassiker. Da sind wir innerhalb der Allianz nicht einer Meinung, akzeptieren dies aber gegenseitig. Wir haben schließlich zu dem Thema Homosexualität als EAD-Hauptvorstand ein Papier verabschiedet. Bewusst sehr kurz, weil es unter uns auch die Meinung gab, dass wir uns gar nicht äußern sollten und das einfach aushalten bzw. dass es Aufgabe der verschiedenen Kirchen sei, dies für sich zu klären. In bin froh, dass die Debatte an Temperatur verloren hat. Was nicht heißt, dass wir uns inhaltlich einander angenähert haben. Aber es ist so, dass wir ethische Themen nicht in den Vordergrund stellen wollen.

Das Thema hat einigen Staub aufgewirbelt. Was hat die Allianz gelernt?

Innerhalb der Bewegung haben wir neu gelernt, auch mit Differenzen zu leben. Und dass wir Themen, die nicht im Fokus der EAD stehen, nicht immer sofort auf Zuruf bedienen müssen, als wenn sie das Wichtigste von der Welt wären. Wir sind als Allianz ein Netzwerk, nicht Kirche. Das heißt, wir müssen und wollen auch gar nicht in jeder Frage etwas sagen, die Kirchen unter sich klären müssen.

Und: Lautstärke ist kein Argument. Die Intensität, mit der ich etwas vortrage, eben sowenig. Auch dies lernen wir weiter, dass wir trotz kontroverser Auffassungen sachlich und ruhig miteinander unterwegs sein können.

Was bleibt? Was lag Ihnen am Herzen?

Die Grundfrage. Wie erreichen wir gemeinsam in einer weitgehend säkularisierten Gesellschaft Menschen, die ohne christliche Vorkenntnisse unterwegs sind, mit dem Evangelium? Wie können wir zu einer missionarischen Erneuerung von Kirchen und Gemeinden beitragen? Dieser Frage müssen wir uns mit absoluter Priorität stellen.
Unsere fünf EAD-Grundaufträge halte ich weiterhin für zentral: Einheit fördern, Gebet in den Fokus rücken, die Bedeutung der Bibel als Wort Gottes und Evangelisation und Mission betonen, und schließlich gesellschaftliches Engagement fördern. Dies muss in den jeweils aktuellen Situationen immer neu durchbuchstabiert werden.

Ein Zweites: Wenn ich helfen konnte, ein Klischee geradezurücken, was unter Christen in Deutschland in Bezug auf Pfingstler herrscht und in vielen Fällen unzutreffend ist, würde mich das freuen. Ich gehöre ja zum Mülheimer Verband, der historisch gesehen Teil der Pfingstbewegung ist. Pfingstler sind in aller Regel keine exotischen Paradiesvögel – ein Image, dass ihnen mehr angedichtet wird, als dass es der Wirklichkeit entspricht. Wenn also deutlicher wurde, dass wir als Christen unterschiedlicher Couleur ganz normal miteinander unterwegs sein können und jeder seine Duftmarke einbringen kann, wäre das schön. Wenn ich dazu beitragen konnte, dass wir in der Allianz Christsein als einen gemeinsamen Blumenstrauß, als ein Sinfonieorchester entdecken, indem alle Farben und Töne irgendwie sinnvoll sind und zu einem guten Ganzen zusammenzubringen sind, darf das gerne bleiben.

Wie nehmen Sie das Bild der Evangelikalen in der Öffentlichkeit wahr?

Ich weiß natürlich, dass nicht alles rosarot ist bei den Evangelikalen, dass es beispielsweise auch einen rechten Rand gibt, der in den Medien immer wieder kolportiert wird. Nicht komplett zu Unrecht, oft aber definitiv zu pauschal. Ein Beispiel: Beim „Marsch für das Leben“, der von einem breiten ökumenischen Bündnis getragen wird, in Berlin war ich dabei, weil es die einzige Veranstaltung ist, wo in einer gewissen Öffentlichkeit auf Lebensschutz in Deutschland hingewiesen werden kann. 2022 hat die Tagesschau erstaunlicherweise darüber berichtet, spricht von evangelikal-fundamentalistischen Gruppen, die diesen Marsch tragen, und blendet in dem Moment Beatrix von Storch ein, die sich vorne bei der Kundgebung unter die Demonstranten gemischt hat. Das kann sie ja tun, wir haben in Deutschland Demonstrations- und Meinungsfreiheit. Damit wird aber die Botschaft vermittelt: Sämtliche Christen, die für Lebensschutz eintreten, sind Fundamentalisten und wählen AfD. In der medialen Darstellung wird kaum differenziert. Das hat sich nicht geändert. Dass Christen der AfD und ihrem inhaltlichen Komplettpaket auf den Leim gehen, halte ich für fatal.

Corona wird finanziell nicht spurlos an der Allianz vorbei gegangen sein. Wie sehr haben Sie finanzielle Sorgen belastet?

Das Allianzhaus in Bad Blankenburg war während der Corona-Pandemie zeitweise gezwungen, den Gästebetrieb komplett einzustellen. Das war finanziell eine riesige Herausforderung. Dass wir letztlich mit einem blauen Auge davongekommen sind, liegt zwar mit in der Zeit meiner Verantwortung, ist aber vor allem Reinhardt Schink, der Hausleiterin Gabriele Fischer-Schlüter und dem Aufsichtsrat des Allianzhauses zu danken. Sie alle haben da einen sehr guten Job gemacht. Weil die finanziellen Fragen trotz der Schwierigkeiten nicht überhitzt entschieden wurden, konnte ich trotz allem noch gut schlafen.

Welches Bibelwort hat Sie als Vorsitzenden besonders begleitet?

„Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir.“ Ein Bibelwort aus Galater 2, 20. Das, was ich bin, mit all dem, worum es mir geht, ist letztlich nicht mein Ding, sondern eine Sache, die Jesus bewirkt. Darum will ich – so gut es von meiner Seite her möglich ist – alle Fragen mit Hingabe an ihn beantworten. Auch, was es bedeutet, dass Christen nach dem Auftrag Jesu eins sein sollen. Wohl wissend, dass bereits zu neutestamentlicher Zeit nicht in allen Fragen eine Meinung unter Christen herrschte.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Allianz?

Ich möchte zwei Dinge betonen: Einerseits, dass die Allianz weiterhin einen Dialograum bietet, wo man über unterschiedliche theologische Positionen ins Gespräch kommt und nicht von vornherein nur eine Deutung möglich ist. Nicht, dass jeder, der ein paar Millimeter rechts oder links davon abweicht, sofort disqualifiziert wird. Andererseits wünsche ich mir, dass im Sinne der grundsätzlichen theologischen Überzeugungen, die in der Glaubensbasis der Allianz formuliert sind, weiter Kurs gehalten und versucht wird, möglichst viele Leute mitzunehmen zu einem Leben mit Jesus Christus.

Vielen Dank für das Gespräch!

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20 Antworten

  1. Herr Vetter hat sich als Vorsitzender sehr bemüht – aberwas er hier verlauten lässt, finde ich wenig überzeugend. Er meint sogar, die Allianz dürfe nicht “ ethische Themen nicht in den Vordergrund“ stellen! Wie bitte? Eine eher dürftige Position, die angesichts der Herausforderungen kaum haltbar sein wird.
    Ansonsten das übliche, was ein Funktionär (auch ein frommer) eben so von sich gibt. Er beklagt die Klischees („Pfingstler“) und bedient sogleich massiv selber welche (AfD); zu ‚Corona‘ bzw. zu den damit verbundenen Verheerungen, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen: nicht mal einen Satz!
    Sicher wird sich die Ev. Allianz bei manchen Fragen zurückhalten müssen, sie hat ja viele Stimmen in ihrem Chor, Aber gegen die auszuteilen, die Herr Vetter als ‚rechter Rand‘ ausgemacht hat, ist doch befremdlich, wenn er gleichzeitig undifferenzierte Darstellung beklagt.
    So gesehen würde ich mir wünschen, dass sein Nachfolger noch andere und überzeugendere Zeichen setzt. Und zwar sowohl in theologischer als auch ethischer Hinsicht. Denn die Herausforderungen und Diskussionen zu verschiedenen Themen werden in Zukunft nicht geringer!

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    1. Sehr gut auf den Punkt gebracht, thomas. Ich würde noch zugespitzter formulieren: Was Corona betrifft, haben sich alle Klerikal-Offiziellen redlich bemüht, das mainstream-Narrativ sogar noch zu befeuern („Was wären wir ohne Römer 13?“. Und wenn neben der Beatrix der Friedrich und oder gar der Olaf gelaufen wäre, ja, was hätte er dann gesagt? Spaltung auf ganzer Linie, Steinmeier mit frommem Zuckerguß (au weia!).

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  2. Tja, nun wissen wir Bescheid: in moralischen Fragen braucht es in der EAD keine Einigkeit, aber gegenüber der AfD schon. Dass wir in Fragen der Taufe Spielraum haben ist ja richtig, aber warum schränkt das Spektrum in politischen Fragen ein, bei moralischen Fragen aber nicht. Ist sich Vetter eigentlich nicht klar wo sich unsere Gesellschaft hinbewegt? Transgender ist in vielen Kindergärten schon lange angekommen. Wir werden über kurz oder lange die Diskussionen über weitere Liberalisierungen bei Ehe und Familie wie Vielehe und anderes mehr haben. Das Thema Abtreibung bis zur Geburt haben wir ja schon. Dazu kommt noch dass alles rund im die Sterbehilfe weiter Fahrt aufnehmen wird. Und dann drückt sich die EAD um moralische Fragen. Aus meiner Sicht ist das eine Anbiederung an den Zeitgeist und die EAD gibt sich damit als Instanz für konservative Christen in ethischen Fragen auf, weil so jeder moralischen Grenzerweiterung Raum gegeben wird. Selbst die sehr konservativen Organisationen wie Bibel und Bekenntnis haben sich mittlerweile unter dem Stichwort Einheit einfangen lassen. Die immer weitere Annäherung an die ACK sowie die mangelnde Abgrenzung gegen extrem charismatisch- pfingstliche Ausrichtungen und anderes lassen vermuten, dass die EAD weiter den Weg in die Beliebigkeit gehen wird.

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    1. Bevor man Begriffe wie: “Transgender“ benutzt, sollte man sich erstmal gründlich mit den Menschen, die davon betroffen sind und mit wissenschaftlichen Studien befassen. Z.B.mayLab: https://youtu.be/8fraZlsmCio
      Niemand sucht sich aus transgender zu sein. Im Gegenteil, die Menschen leiden ihr ganzes Leben darunter, meist mit starken Selbstzweifeln bis hin zu Selbstmord Gedanken. Niemand hat ein Recht, schon gar nicht wir Christen ( ich sag nur Kreuzzüge, Hexenverbrenungen, Slavenhandel, drittes Reich, sexueller Missbrauch ) anderen Menschen vorzuschreiben was moralisch richtig oder falsch ist.
      Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein.

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    2. Herr Vetter hat da sicher etwas gesagt, was ein Christ vermeiden sollte, gerade, wenn er in der Öffentlichkeit steht, nämlich sich politisch so zu positionieren, ohne etwas genau zu begründen. Es ist schon wichtig, darzulegen, warum sich ein Christ wirklich damit befassen muß, für was eine Partei steht, hier die AfD. Die Partei hat sich massiv verändert und es ist so, daß ihre Akteure gern verbal so zündeln, daß es gerade noch nicht strafrechtlich relevant ist. Klar ist auch, daß es für einen Christen genauso problematisch ist, sich den Ökopopulisten zu nähern, die klar einen neomarxistisch-anarchistischen und atheistischen Ansatz haben, ebenso ist der Liberalismus problamatisch, der eben Gottes Gesetze nicht anerkennt, sondern die Freiheit des Individuums postuliert, so den Menschen zu seinem eigenen Götzen macht. Bei Demonstrationen ist immer das Problem, daß da Personen mitlaufen, von denen man sich fernhalten sollte. Bei Lebensschutzdemos ist leider mit der Teilnahme von Rechtsradikalen und -extremen zu rechnen, sie suchen überall neue Anhänger, sind aber eine satanische Versuchung. Ebenso sind bei vielen anderen Demonstrationen die Krawallanarchisten der sogenannten Antifa zu zugegen, die immer eine große Masse suchen, um in deren Schutz Chaos und Anarchie zu verbreiten. Parteien und Politik sind von dieser Welt, ihnen gilt nicht unserer Kampf, sondern den geistlichen Mächten dahinter, Menschenhass, Liberalismus, Anarchie, Sozialismus und Kommunismus sowie Nationalismus, all das ist vom Teufel und soll Zwietracht säen. Kirchen sollten da Distanz waren.

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  3. Eine sehr ernüchternde Bilanz seiner Amtszeit. Buntes Allerlei, alles wird tolerant nebeneinander gelten gelassen. Bezeichnend dieser Satz: „….wir müssen und wollen auch gar nicht in jeder Frage etwas sagen, die Kirchen unter sich klären müssen.“ Man stiehlt sich aus der Verantwortung. Man schiebt strittige Fragen auf die Kirchen, um die geht es aber primär gar nicht, es geht um das Wort Gottes im Innenverhältnis der Allianz. Auf die Kirchen warten, damit die was entscheiden, wovon die Allianz profitieren könnte, heißt auf den „Sanktnimmerleinstag“ warten.

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  4. Ich finde, dass die Vorträge von “Worthaus“ oder “Karte und Gebiet“, vor allem Torsten Dietz fundierte Vorträge, recht hilfreich sind, sich in ethischen Fragen eine Meinung zu bilden. Ich denke, die Zeiten sind vorbei, in denen uns eine Allianz sagt, was wir Christen glauben oder welche Werte wir vertreten sollen.

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    1. Allerdings hat Dietz durch eine völlig unsachliche, diffamierende Stellungnahmen zu dem Buch „Bonhoeffer: Pastor, Agent, Märtyrer und Prophet“ seine Glaubwürdigkeit bei mir völlig verloren. Dietz diffamierte das Buch sogar als „toxisch“, ein Wort, das als Schlagwort/Modewort üblicherweise von Ideologen einer bestimmten Richtung benutzt wird.
      Dagegen wurde das Buch nach seinem Erscheinen durch zahlreiche Rezensenten ausdrücklich gelobt. Auch PRO hatte ausführlich berichtet.

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      1. Prof. Dietz hat dem Buch von Metaxas – einem der wirklich grauenhaften Repräsentaten christlich-rechter Verschwörungstheorien in den USA – nachgewiesen, inwiefern es Geschichte absichtsvoll ideologisch verdreht. Metaxas ist bei einer Willow Creek Veranstaltung in Stuttgart zum Thema als Referent aufgetreten… auch konservative deutsche Theologen waren entsetzt, was für einen Unfug dieser Mann dort verzapft hat. Prof. Dietz ist übrigens ein Bonhoeffer-Kenner!
        Soviel zum Thema…. das übrigens hier schon rauf und runter geknetet wurde!

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      2. ..und Martin Luther hat gegen Juden gehetzt und gemeint dass behinderte Menschen ersäuft gehören – wäre es dann nicht konsequent die Bibel nach Luther Übersetzung nicht zu lesen?

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        1. Ich denke, das wäre in der Tat eine fatal falsche Konsequenz! Denn wenn man die eigene Gegenwart absolut setzt und alles aus der Wahrnehmung verbannt und in den Giftschrank schließt, was heutigen Einsichten widerspricht, dann wird man geschichtsblind.
          Aber die dunklen Seiten Luthers sind unbedingt bewusst zu halten und man wird kaum umhin kommen, diese auch mit seinem Schriftprinzip zu korrelieren. Geschichtsbewusstsein ist die Haltung, mit der man einer woken Gegenwartsphilosophie ebenso wie einem bildungsfeindlichen Fundamentalismus begegnen sollte. Thorsten Dietz Metapher von der 3-D-Brille finde ich da sehr anschaulich.

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  5. Das befürchte ich auch, dass ethische Themen sich regelrecht in den Vordergrund drängen werden. Ich würde sogar so weit gehen und behaupten, das Thema Umgang mit Homosexualität wird zur Gretchenfrage werden.
    Verstehen kann man Vetter schon, verhärten sich hier die Fronten, wird die Gefahr von Spaltungen konkret.
    Und das will man vermeiden oder zumindest hinausschieben.
    Doch der Elefant steht im Raum, es braucht klar formulierte Standpunkte, zumal diese Fragestellungen unmittelbar mit der Bedeutung der Schrift zusammenhängen. Den Vergleich mit der Tauffrage finde ich unpassend, wer, wen, wann und wie tauft wird im allgemeinen nicht mit Sünde und ihren Folgen in Verbindung gebracht.
    Unterschiedliche Positionen sind natürlich erlaubt, vielleicht sogar gewollt, bei den einschlägigen Streitfragen geht es aber in der Regel nicht um „Millimeter-Distanzen“ .
    Vetter ist ein guter Mann und guter Pfingstler, man darf gespannt sein was nachkommt !

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    1. Das Thema „Homosexualität“ wird von außen aufgedrängt, die Kirchen und Gemeinden werden zur Stellungnahme regelrecht genötigt. Dabei ist es recht klar, wenn man es bibeltreu betrachtet: Alle Menschen sind Sünder und erlösungsbedürftig, keiner mehr, keiner weniger. Für seine homosexuellen Empfindungen kann der Mensch nichts, das kann man auch nicht „austreiben“. Damit müssen Betroffene im wahrsten Sinne des Wortes leben. Allein das Bekenntnis so zu empfinden sollte keinen Unterschied machen; wer sind wir, daß wir jemanden aus der Gemeinde Jesu Christi fernhalten? Es ist seine Kirche, es sind seine Gemeinden. Ein anderes Thema ist dann natürlich das Thema „Heirat“ und „Segnung“. Klar ist, es gibt in der Bibel keine einzige Stelle, an der ein homosexuelles Paar gesegnet wird oder gar heiratet. Und wenn nicht die Bibel, was soll für eine Gemeinde sonst der Maßstab sein? Und auch auf die Pastoren hin, kann man bei Paulus klar lesen, daß alle, die eine Leitungsfunktion haben, untadelig sein sollen, bei niemandem (!) in der Gemeinde Anstoß erregen sollen, ihrer Familie vorbildlich vorstehen sollen. Auch ist dort zu lesen, daß der Leiter einer Gemeinde eine (!) Frau haben soll. Von einer verpflichtenden Ehelosigkeit ist dort nichts zu lesen, es steht dort nur, daß es „besser“ sei, das liegt zum einen darin begründet, daß dieser dann die ganze Aufmerksamkeit für sein Amt hat und zweitens dann kein Risiko besteht, daß der leitende Christ durch Verfolgung zu Tode kommt und seine Familie dann allein dasteht.
      Und eines steht über allem: Wir sollen barmherzig und vergebend sein, wir sollen niemanden bedrücken. Wem das nicht gefällt, der kann ja eine eigene Kirche gründen, in der Geschichte gab es viele Kirchenneugründen, weil deren Gründer mit der oder den bisherigen Kirchen und deren Lehre nicht einverstanden werden. Eines kann aber nicht verlangt werden: Daß eine Kirche von der Gesellschaft genötigt wird, daß mitzumachen, was die Mehrheit der Gesellschaft für „normal“ hält. Da bin ich mir auch klar: Ich habe nicht die Meinung der Mehrheit, weder in Hinblick auf die Verpartnerung von Homosexuellen noch beim Thema „Abtreibung“. Und was weltlich gilt, das bestimmt die Politik, bei uns glücklicherweise eine demokratisch legitimierte Regierung. Wer eine andere Politik will, muß demokratisch für Mehrheiten werben, kann niemanden nötigen, das müssen sich auch die Klimakleber sagen lassen.

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      1. Homosexualität. „Damit müssen Betroffene im wahrsten Sinne des Wortes leben.“ Das stimmt nicht.
        Mir fallen sofort zwei relativ prominente Evangelikale ein, die „die Wende“ geschafft haben. Es gibt die Möglichkeiten, aber sie werden ja mehr oder weniger verboten. Zynismus pur.

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  6. Vielen Dank für das Interview!
    Es hat mir neu vor Augen gemalt welchen Wert die Allianz hat in der aktuellen Zeit. Den Netzwerkaspekt in den Vordergrund zu stellen, diesen wieder zu erklären und lieb zu machen ist klug und vermutlich notwendig.
    Welche innere Haltung zum Sein und Nicht-Sein die Allianz hat („wir sind nicht Kirche“) kann ich nicht herauslesen – und würde entsprechend auf eine demütige hoffen und mir wünschen, dass sie Frucht trägt.

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  7. Dass ethische Themen sich nicht mehr aus der Selbstverständlichkeit eines kulturellen Milieus heraus beantworten lassen, ist der gesellschaftlichen Entwicklung geschuldet oder eben dem Zeitgeist, und das ist ganz neutral zu verstehen, da dieser alle Seiten heimsucht, auch wenn das in reaktionären Kreisen nicht verstanden wird. (Der Hinweis auf Prof. Faix und Prof. Dietz ist da zweckdienlich, danke @G.Sch.)
    Und dass Herr Vetters Abgerenzung gegen rechts mehr als notwendig ist, kann man hier in den Kommentarbeiträgen trefflich studieren, bis dann die die „Schere“ harmonisierend eingreift. Die Gefahr von rechts erkennt Vetter vollauf richtig!

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    1. „…auch wenn das in reaktionären Kreisen nicht verstanden wird..“ Was sind denn „reaktionäre Kreise“??
      Vor Allem: WER ist das? Was ist das denn für ein linkes Vokabular? Zudem: Der Zeitgeist sucht nur heim, wer sich heimsuchen lässt. Ich nicht. Ich lebe zwar inmitten des Zeitgeistes, meines Zeitalters, trotzdem beherrscht mich der Zeitgeist und die Welt um mich herum nicht. Außerdem soll hier schon der Zeitgeist, der die derzeitige Christenheit bestimmt, gemeint sein, das habe ich schon verstanden. Es wird nur alles wieder nebulös in Worte eingehüllt.

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  8. Die Schrift misst ethischen Fragen eine hohe Bedeutung als Konsequenz aus einem Leben mit Gott zu. Deshalb war es auch richtig diese Fragen durch Bibel und Bekenntnis in den Focus zu rücken. Wenn man das aber tut muss man auch bereit sein eine konsequente Linie zu fahren und, wenn es so wichtig ist, auch eine Bewegung parallel zu EAD zu riskieren. Mit der Tagung „Glaubensschätze“ im Dezember ist man aber nun klar sichtbar auf die EAD Linie eingeschwenkt. Für alle, die hier ein Sprachrohr in Richtung biblische Ethik gesehen haben mindestens eine große Enttäuschung. Nun werden sich noch mehr bibeltreue Christen überlegen, ob sie in EAD unabhängig Gemeinden wechseln.

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  9. Noch zur Ergänzung: Ethik ist laut Definition allgemein der menschliche Umgang. Dann gilt ja auch für die meisten 10 Gebote, “ einer achte den anderen höher als sich selbst“ usw., dass dies alles auch nicht mehr in der Vordergrund gehört ?!

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  10. „Ethik ist laut Definition allgemein der menschliche Umgang“. Kann man so nicht sagen. Ethik wird lt. wikipedia so definiert: „Die Ethik ist jener Teilbereich der Philosophie, der sich mit den Voraussetzungen und der Bewertung menschlichen Handelns befasst und ist das methodische Nachdenken über die Moral. Im Zentrum der Ethik steht das moralische Handeln…“

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