Ataman leitet Antidiskriminierungsstelle

Das nennt man wohl einen holprigen Start ins neue Amt. Die Journalistin Ferda Ataman leitet in Zukunft die Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Die Personalie war sogar in der eigenen Koalition umstritten.
Von Johannes Blöcher-Weil
Die Antidiskriminierungsbeauftragte Ferda Ataman

Die Besetzung der Stelle war schon vor der Wahl ein Politikum. Mitte Juni hatte das Kabinett die Journalistin Ferda Ataman für die Leitung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes vorgeschlagen. Seitdem tobte eine heftige Debatte um ihre Eignung. Selbst Vertreter der Regierungsfraktionen waren skeptisch, ob sie die richtige Wahl ist.

Bei der Wahl im Bundestag entfielen auf Ataman 376 Ja-Stimmen. Damit erhielt sie knapp die erforderliche absolute Mehrheit von 369 Stimmen. 278 Abgeordnete stimmten gegen sie, 14 enthielten sich. Dass die Wahl so knapp ausfiel, lag offenbar daran, dass viele Abgeordnete fehlten. Von den 736 Parlamentariern und Parlamentarierinnen gaben nur 671 ihre Stimme ab.

Ataman wurde von ihren Gegnern mit einigen Fehlern der Vergangenheit belastet. Heute hat der Bundestag sie mehrheitlich in dieses Amt gewählt. Kritik an der Nominierung gab es im Vorfeld auch aus der eigenen Koalition. Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP, Stephan Thomae, forderte, dass sich Ataman „von einigen früheren Aussagen klar distanzieren würde“.

Für Aufsehen sorgte sie unter anderem mit ihrer „Spiegel“-Kolumne 2020. Darin verteidigte Ataman die Bezeichnung „Kartoffel“ für Deutsche ohne Migrationshintergrund. Kritiker werfen ihr auch vor, dass sie im Zuge der Nominierung frühere Tweets bei Twitter gelöscht habe, die als polemisch interpretiert werden könnten.

„Islamismus-Kritiker nicht einladen“

In einem Beitrag für eine Publikation der Amadeu Antonio Stiftung bezeichnete sie 2018 ein Heimatministerium vor allem als „Symbolpolitik für potenzielle rechte Wähler“. Daraufhin verzichtete Horst Seehofer als Bundesinnenminister auf seine Teilnahme am Integrationsgipfel. Darüber hinaus polarisierte sie unter dem Twitter-Hashtag #vonhier mit ihren Aussagen zum Thema Zugehörigkeit.

Ataman hatte unter anderem eine 30-prozentige Migrantenquote in den Medien gefordert und lehnt Begriffe wie „Ehrenmord“, „politischer Islam“ oder „Integration“ als „rassistisch“ ab. Sie hat zudem bisher davon abgeraten, Islamismus-Kritiker wie Ahmad Mansour, Necla Kelek oder Hamed Abdel-Samad als Gesprächspartner für Diskussionsrunden einzuladen.

Der Psychologe und Autor Ahmad Mansour warf ihr nach der Nominierung vor, dass es ihr um „Ideologie und wenig um den Abbau von Rassismus oder Diskriminierung“ gehe. Sie habe ein abstruses Weltbild und diffamiere jegliche kritische Sicht auf den Islam als „rechts“.

Offener Brief gegen die Ernennung

Etliche liberale und säkulare Personen mit Migrationshintergrund und deren Organisationen warnten in einem offenen Brief vor der Ernennung Atamans. Darin heißt es, sie blende den Rassismus, auch von Migranten selbst, gegenüber nicht-muslimischen Menschen aus. Außerdem versuche sie ihr unliebsame Meinungen aus dem Diskurs auszuschließen.

Unterstützt wurde Atamans Nominierung unter anderem von der taz-Journalistin Heike Kleffner. Sie bezeichnete die Gegenstimmen als „orchestrierte Kampagne durch rechte Filterblasen“. Tagesspiegel-Redakteur Stephan-Andreas Casdorff verteidigte ihre Wahl ebenfalls. Er schrieb: „Wer gegen Diskriminierung antreten will oder soll, muss sich was trauen. Kann von Amts wegen nicht leise sein, brav, lieb.“

Die grüne Familienministerin Lisa Paus bescheinigte Ataman in der Erklärung des Ministeriums zum Kabinettsbeschluss, dass Ataman für großes Engagement für eine inklusive, demokratische Gesellschaft stehe. Ihr Parteikollege, der Queer-Beauftragte der Bundesregierung Sven Lehmann, verteidigte die geplante Ernennung: „In Kolumnen spitzt man ab und zu mal zu.“

Stelle im Familienministerium angesiedelt

Ferda Ataman wurde 1979 in Stuttgart geboren. Sie wuchs in Nürnberg als Kind türkischer Einwanderer auf. Ihr Politik-Studium in Erlangen und Berlin schloss sie mit dem Diplom ab. Von 2005 bis 2010 schrieb sie Reden für den damaligen Integrationsminister von Nordrhein-Westfallen, Armin Laschet (CDU).

Es folgte eine Ausbildung an der Berliner Journalisten-Schule und Stationen bei Spiegel Online und dem Tagesspiegel. Von 2010 bis 2012 leitete sie das Referat Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation der Antidiskriminierungsstelle des Bundes und von 2012 bis 2016 den Mediendienst Integration. Ataman gehört seit 2020 der Mitgliederversammlung der parteinahen Heinrich-Böll-Stiftung an.

Sie war auf Vorschlag von Bündnis 90/Die Grünen auch Mitglied der 17. Bundesversammlung, die den Bundespräsidenten wählte. Das Bundesfamilienministerium, bei dem die Antidiskriminierungsstelle angesiedelt ist, hatte sie für dieses Amt vorgeschlagen. Die Behörde berät Betroffene bei der Durchsetzung ihrer Rechte, etwa wenn sie aus rassistischen, ethnischen, geschlechtlichen oder religiösen Gründen diskriminiert werden. Zudem gibt die Stelle Studien in Auftrag, erstellt Broschüren oder thematisiert öffentlich Diskriminierung.

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