„Medienkompetenz ist Kernkompetenz der Gegenwart“

Im Journalismus geht es nie um die reine Erstellung von Nachrichten, sondern immer um publizistische Verantwortung und Ethos. Journalismus müsse alle Seiten aufzeigen sowie Tatsachen und Meinung klar voneinander trennen. Das hat die BR-Intendantin Katja Wildermuth erklärt.
Von Johannes Blöcher-Weil
Die Intendantin des Bayerischen Rundfunks Katja Wildermuth

In der Gedächtnisvorlesung zum Gedenken an die Widerstandsgruppe Weiße Rose hat sich die Intendantin des Bayerischen Rundfunks Katja Wildermuth mit dem Thema „Gesellschaftlicher Zusammenhalt und mediale Verantwortung“ beschäftigt. Darin forderte sie, Medienkompetenz als eine Kernkompetenz der Gegenwart zu begreifen.

Zunächst blickte sie auf die Entstehung der Medien nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Nationalsozialisten hätten die Medien geschickt zur Verbreitung ihrer Propaganda genutzt und so ihre Macht gesichert. Als Lehre dieser Zeit habe die Politik nach 1945 einen föderal organisierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk etabliert, der kein Werkzeug von Machthabern war. ARD und später das ZDF und der private Rundfunk sollten von Anfang an unbeeinflusst ihrer publizistischen Verantwortung folgen.

Im Zuge der Digitalisierung gebe es kein Informationsmonopol und keine Deutungshoheit mehr für die klassischen Medien. China zeige aber, dass sich auch das Internet kontrollieren lasse. Deswegen brauche es Nutzer, die kompetent und zielsicher identifizieren können, „was richtig ist und was Fake News sind: Medienkompetenz ist Kernkompetenz der Gegenwart“.

„Investigativer Journalismus findet nicht bei Google und Facebbook statt“

Der Buchdruck habe alle Menschen zu potenziellen Lesern gemacht, die Digitalisierung alle Menschen zu potenziellen Autoren. Es habe lange gedauert, bis alle Menschen lesen konnten. Medienkompetenz zu vermitteln, sah sie als eine Gemeinschaftsaufgabe von Elternhäusern, Bildungseinrichtungen und Politik, auch weil die neue Kommunikationsformen zu verkürzten Darstellungen neigten.

„Der Aufreger setzt sich vor klugen und komplexen Inhalten durch“, betonte Wildermuth. Algorithmen verengten das Ganze und wirkten als Brandbeschleuniger. „Verengung, Emotionalisierung und fehlende publizistische Standards sind nie gut für die Demokratie. Hochwertiger Journalismus ist gerade in der heutigen Zeit notwendiger denn je. Investigativer Journalismus findet aber nicht bei Google und Facebook statt.“

Aktuelle Debatten müssten in den historischen Kontext eingebettet werden. Außerdem sollten auch „massenattraktive Angebote Werte vermitteln und Standards hochhalten: immer orientiert an der Lebensrealität der Menschen“. Dass neue Angebote attraktiv sein können, habe das Instagram-Projekt zu Sophie Scholl gezeigt. Damit habe man die letzten zehn Monate der Widerstandskämpferin ins Hier und Jetzt geholt.

„Wir erreichen viele Echokammern nicht“

Hier brauche es auch in Zukunft Kreativität und ausdifferenzierte Angebote. Zwar werde das Netzwerk Funk immer bekannter, „aber viele Echokammern erreichen wir nicht und uns schlägt Skepsis entgegen“. Das gesellschaftliche Klima an den Rändern werde immer rauer. Tägliche Tötungsaufrufe bei den Messenger-Diensten wie Telegram zeugten davon und seien die „Spitze des Eisbergs“.

Eine Gesellschaft müsse das zivile Miteinander und den gegenseitigen Respekt voreinander immer verteidigen. Vielfältige Medien- und Kommunikationsordnungen seien kein Selbstläufer. Die Digitalisierung habe „ein fein ziseliertes System durcheinander gewirbelt“. Als Basis für eine informierte Gesellschaft benötige es „kraftvolle Qualitätsmedien, die dialogbereit sind und auch für ihre Fehler einstehen“.

Auch der Staat sei gefordert, die notwendigen Rahmenbedingungen im digitalen Raum zu schaffen. Nutzer müssten weiter auf allen digitalen Endgeräten die Inhalte diskriminierungsfrei aufrufen: „Auch wir müssen unsere Hausaufgaben machen, relevant bleiben und schauen, wo Mediennutzung im 21. Jahrhundert stattfindet.“ Die Nutzer müssten ihre Smartphones nicht nur bedienen, sondern die Inhalte auch bewerten können. Damit dies gelingt, brauche es eine aktive Zivilgesellschaft, die Orientierung und Überzeugungen vermittelt.

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Eine Antwort

  1. “ Journalismus müsse alle Seiten aufzeigen sowie Tatsachen und Meinung klar voneinander trennen.“
    – wahre Worte, mutig gesprochen.

    Und auch dieses gilt:
    „kompetent und zielsicher identifizieren können,was richtig ist und was Fake News sind:
    Medienkompetenz ist Kernkompetenz der Gegenwart“

    Mit anderen Worten, es braucht Urteilsvermögen, einen – auch moralischen – Kompass, Wissen um die Sachverhalte, Maßstäbe.
    Alles das wird im Gespräch mit urteilsfähigen, verantwortungsbewussten Menschen entwickelt.

    Schon Paulus hat das erkannt und so formuliert:
    „Und er selbst gab den Heiligen die einen als Apostel,
    andere als Propheten,
    andere als Evangelisten,
    andere als Hirten und Lehrer,
    damit die Heiligen zugerüstet werden zum Werk des Dienstes.
    Dadurch soll der Leib Christi erbaut werden, bis wir alle hingelangen zur Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes, zum vollendeten Menschen,
    zum vollen Maß der Fülle Christi,
    damit wir nicht mehr unmündig seien und uns von jedem Wind(!) einer Lehre bewegen und umhertreiben lassen durch das trügerische Würfeln der Menschen,
    mit dem sie uns arglistig verführen.
    Lasst uns aber wahrhaftig sein in der Liebe und wachsen in allen Stücken zu dem hin, der das Haupt ist, Christus.“
    (Epheserbrief)

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