Friedensforscher zu Ukraine-Krieg: Globale Auswirkungen nicht vergessen

In Berlin haben mehrere Friedensforscher ihr Jahresgutachten vorgestellt. Schwerpunkt ist der Ukraine-Krieg, der aus Sicht der Forscher massive Auswirkungen auf Länder des globalen Südens hat.
Von Martin Schlorke
Kind Afrika

„Wir leben nicht in der Welt eines Kalten Krieges 2.0.“ Das sagte Ursula Schröder vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH) am Dienstag in Berlin. Der Krieg in der Ukraine sei vielmehr ein heißer Krieg, dessen globale Folgen immer mit bedacht werden müssten. Daher sei eine Krise wie die aktuelle „sehr viel größer, sehr viel komplizierter und viel schwerer zu lösen“ als zur Zeit des Kalten Krieges.

Mehrere Friedensforscher wiesen im Rahmen der Vorstellung des Friedensgutachten 2022 vor allem auf die globalen Auswirkungen des Ukraine-Krieges hin. Insbesondere in den afrikanischen Entwicklungs- und Schwellenländern, sowie im Nahen Osten sei die Ernährungssicherheit in Gefahr. Grund dafür sei neben den hohen Rohstoffpreisen die Abhängigkeit jener Staaten von Getreidelieferungen aus Russland und der Ukraine.

In dem Bericht warnen die Forscher vor den Auswirkungen der Lebensmittelknappheit. Bereits in der Vergangenheit „waren steigende Lebensmittelpreise immer wieder Anlass sogenannter ‚Brotaufstände‘“, die zu einer Eskalation der Gewalt führten. Europa müsse daher auch außerhalb der eigenen Grenzen friedensfähig sein und sich für eine Stabilisierung Ostafrikas einsetzen. Dazu gehöre aus Sicht der Friedensforscher schnelle und unbürokratische Hilfe bei der Beschaffung von Lebensmitteln. Zudem müssten diese Staaten langfristig von Getreideimporten unabhängig gemacht werden.

Laut dem Friedensgutachten 2022 befinden sich von weltweit 128 Konflikten 78 auf dem afrikanischen Kontinent. Zurückzuführen sei dies auch auf das Erstarken dschihadistischer Gruppen.

Nato soll auf atomaren Erstschlag verzichten

Auf der Pressekonferenz warnten die Friedensforscher darüber hinaus vor einer Eskalation im Ukraine-Krieg. Der Krieg führe zu einer massiven Steigerung des nuklearen Eskalationsrisikos. Um dieses zu senken, solle die Nato öffentlich den Verzicht auf einen nuklearen Erstschlag erklären.

Langfristig gesehen dürfe das Ziel einer europäischen Friedensordnung nicht aus dem Blick verloren werden, erklärte Schröder. Anders als Sicherheitsordnungen, die auf Abschreckung basierten, böten Friedensordnungen mehr Stabilität. Als Beispiel nannte die Forscherin den Innenraum der Europäische Union, in dem die Austragung von Kriegen undenkbar geworden sei. Kurzfristig müsse dagegen eine Sicherheitsordnung angestrebt werden – ohne Russland.  

Das Friedensgutachten wird jährlich von mehreren deutschen Friedensinstituten veröffentlicht. Darunter das Leibnitz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK), das Institut für Entwicklung und Frieden (INEF) und das Bonn International Centre for Conflict Studies (BICC).

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