Zwangsprostitution: Straftaten konsequenter verfolgen

Seit knapp fünf Jahren können Sexkäufer für ihre Taten rechtlich belangt werden. Sowohl das EU-Parlament als auch viele Hilfsorganisationen bemängeln am Welttag gegen den Menschenhandel eine zu lasche Anwendung der Gesetze.
Von Johannes Blöcher-Weil
Straßenstrich in Berlin

2016 wurde in Deutschland die Freierstrafbarkeit bei Opfern von Menschenhandel eingeführt. Laut der aktuellen Gesetze können die Freier mit Haftstrafen von drei Monaten bis zu fünf Jahren belegt werden. Allerdings monieren sowohl die Europäische Union als auch Hilfsorganisationen, dass die Gesetze mit zu wenig Konsequenz umgesetzt werden.

Das EU-Parlament hatte seinen Mitgliedsstaaten empfohlen, „dass Personen, die Dienste in Anspruch nehmen, nachweisen sollten, dass sie alle zumutbaren Schritte unternommen haben, um sicherzugehen, dass sie keine Dienstleistungen in Anspruch nehmen, die von einem Opfer des Menschenhandels erbracht werden“. Trotzdem gebe es Tausende Täter, die auf die Anklagebank gehörten.

Aufforderung kommt nicht von ungefähr

Aus Sicht der Hilfsorganisation Sisters, die Prostituierten beim Ausstieg aus dem Gewerbe hilft, komme diese Aufforderung nicht von ungefähr. Seit der Einführung des Straftatbestandes 2016 sei in Deutschland wohl nur ein einziges Ermittlungsverfahren gegen Sexkäufer abgeschlossen worden. Von 2017 bis 2019 waren es 970 abgeschlossene Ermittlungsverfahren wegen Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung mit insgesamt 1346 festgestellten Opfern.

In Berlin gab es in diesen drei Jahren 151 abgeschlossene Strafverfahren im Bereich Zwangsprostitution und entsprechend eine Vielzahl von festgestellten Opfern. Jedes dieser Opfer sei Tag für Tag von mehreren Männern vergewaltigt worden – zum Teil über Jahre hinweg. Während gegen Zuhälter und Menschenhändler ermittelt werde, blieben die Männer, die diese Straftaten verübten – unbehelligt.

Um eine Strafverfolgung gegen solche Täter zu erleichtern, hat der Bundestag in seiner letzten Sitzungswoche eine Verschärfung des Strafgesetzbuches beschlossen, erklärt der Verein in einer Pressemitteilung. Nun können „Freier“, die sexuelle Handlungen trotz einer offensichtlichen Zwangslage oder Hilflosigkeit in Anspruch nehmen, ebenfalls bestraft werden. Sie müssen künftig nachweisen, dass sie von dieser Zwangslage oder Hilflosigkeit nichts wussten.

„Tausende Täter gehören auf die Anklagebank“

Die Organisation seiht darin einen kleinen Fortschritt in der Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung in Form der Prostitution. Sie fordern anlässlich des Welttages gegen den Menschenhandel die Ermittlungsbehörden auf, „endlich auch in Berlin den Fokus auf diese Tätergruppe zu legen“. In der Pressemitteilung heißt es dazu: „Es gibt allein in Berlin Tausende Täter, die endlich auf die Anklagebank gehören!“

Sisters ist eine Gruppe, die sich für die Rechte und soziale Absicherung von Frauen in der Prostitution einsetzt. Zur Arbeit gehört auch ein Kontaktcafé am Straßenstrich der Kurfürstenstraße und das Netzwerk Ella, eine Aktivistinnengruppe für Frauen aus und in der Prostitution.

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Eine Antwort

  1. Ein guter Schritt, das Gesetz zu verschärfen, aber es wird weitgehend ein zahnloser Tiger bleiben. Ohne Anklage, keine Verurteilung. Wir brauchen ein Umdenken in der Gesellschaft, dass generell das, was Freier tun, nicht OK ist. Ob Prostitution oder gar Menschenhandel, beides ist mit einer gleichberechtigten Sexualität, in der echte Freiwilligkeit und Selbstbestimmung vorhanden ist, nicht vereinbar. Beide Tatbestände gehören zusammen. Das, was Freier tun, ist das Problem, und dem entsprechend muß endlich gehandelt werden. Durch die Einführung des Nordischen Modells.

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