Wird die EKD zum „Schubverstärker“ für Klimaaktivisten?

Der Theologe Günter Thomas hat die Solidarisierung der evangelischen Kirche mit Klimaaktivisten kritisiert. Dadurch drohe, dass Radikalisierung religiös befördert werde.
Von Norbert Schäfer
Themen rund um den Klimaschutz haben Jugendliche in letzter Zeit besonders bewegt. Das zeigen unter anderem die „Fridays for Future“-Demos.

Die Solidarisierung von Teilen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) mit der „Letzten Generation“ sorgt weiter für Gesprächsstoff. Der Bochumer Theologe Günter Thomas hält die Einladung der Klimaaktivistin Aimée van Baalen auf die EKD-Herbstsynode rückblickend für falsch.

Aimée van Baalen hatte auf der EKD-Herbstsynode in Magdeburg als Vertreterin der „Letzten Generation“ zu den 128 Delegierten des Kirchenparlaments gesprochen und von großen Teilen des versammelten Plenums stehenden Applaus erhalten. Weil Synodale die „Stoßrichtung“ der „Letzten Generation“ nicht erkannt hätten, sei der Eindruck entstanden, „dass sich die evangelische Kirche zur Vorfeldorganisation einer radikalen Gruppe machen lässt“, erklärte der Theologieprofessor in einem Interview der Tageszeitung Die Welt vom Mittwoch.

Linke Protestanten „politisch und moralisch“ auf dem Gaspedal

Nach Thomas‘ Einschätzung dominiert aktuell „der linke Flügel der Reformation“ innerhalb des deutschen Protestantismus. Der drücke nach seiner Beobachtung „politisch und moralisch“ beständig auf das Tempo und treibe Radikalisierungen voran.

Der Theologe bemängelte den „Verlust rettender Transzendenz“ in der Kirche. „Gott als Akteur“ komme kaum noch vor. „Wenn dieser handelnde Gott aber abhandenkommt, wird die religiöse Rhetorik des Protestantismus zu wenig mehr als zum beschleunigenden Schubverstärker politischer Ansinnen“, sagte Thomas. Das Bestreben, einem „ultimativen Anliegen“ alles unterzuordnen, führe in den Totalitarismus.

Thomas sieht die Gefahr, dass die Kirche wegen der unterschiedlichen Haltung von Kirchenoberen und der Basis auseinander driftet, „die Kirchenspitze und die Gruppe der Aktivisten von der Basis“ sich abkoppelt und zu einer „abgehobenen Hierarchie“ werde. Die Präses der EKD-Synode, Anna-Nicole Heinrich, hatte Unterstützung für die Bewegung „Letzte Generation“ gewünscht und deren Straßenblockaden als „berechtigten gewaltlosen zivilen Ungehorsam“ bezeichnet.

In dem Welt-Interview erinnert Thomas an die „tiefe Verankerung der RAF in protestantischen Milieus“ und die Verachtung der Demokratie vonseiten radikaler Klimaaktivisten. „Wenn damit EKD-Synodale sympathisieren, droht eine religiöse Beförderung der Radikalisierung.“

Die Kirche müsse sich selbst fragen, wie tief der Respekt von Bewegungen wie die der Klimaaktivisten vor der Kirche sei. „Nehmen die uns Evangelische ernst? Oder nutzen sie uns bloß als Verstärker?“, fragte der Theologe.

Von „Romantisierung der Natur lösen“

Seiner Auffassung nach soll sich die Kirche aber nicht vor dem Klimaschutz verschließen, sondern mit „hoffnungsvollem Realismus“ begegnen. „Kirche muss sich mit Glaube, Liebe und Hoffnung auf die Welt einlassen“, sagte Thomas, sie müsse sich beim Thema Klimaschutz „Zielkonflikte mit der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und dem Sozialstaat“ bewusst machen.

Vehementen Klimaschutz, begründet aus einem alternativlosen biblischen Auftrag zur Bewahrung der Schöpfung, sieht der Theologe kritisch. Christen sollten sich von „Romantisierung der Natur lösen“. Im Protestantismus und im Katholizismus herrsche derzeit die Meinung, „dass die Natur, theologisch als Schöpfung verstanden, einfach gut ist“. Da sei schlicht falsch. Die Natur sei gemäß der hebräischen Bibel voller Gewalt, zudem sei der Mensch aus dem Paradies vertrieben. „Eine nur zu bewahrende Schöpfung gibt es nicht mehr.“ Wer sich eine „vermeintlich gute Natur zurechtfantasiere“, ende in „religiösem Kitsch“ und Antihumanismus. Thomas: „Denn in jener angeblich guten Natur gibt es weder Krankenhäuser noch Barmherzigkeit.“

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7 Antworten

  1. wow ! es scheint noch ein paar kluge und vernünftige Köpfe im Umfeld der EKD zu geben, nur werden sie gehört ?

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  2. Die EKD driftet immer mehr ab und wird damit quasi zum Beschleuniger der „Klimakrise“.

    Immer mehr biblische Wahrheiten werden geleugnet oder umgedeutet. Kein Absolutheitsanspruch Jesu, ablehnen des Sühneopfers Jesu, EHE für alle, befürworten der Genderideologie, interreligiöser Dialog und viele ander Punkte mehr. Die Gottlosigkeit der Kirche konkurriert mit der Welt und feiert das, was dem lebendigen Gott ein Gräuel ist. Die Warnungen Jesu in Matth. 24 werden ignoriert und die Kirche ist schon lange nicht mehr Botschafter an Christi statt. Die Kirche verbrüdert sich mit dem Zeitgeist und verliert damit ihre Salzfunktion. „Weh euch Hirten, die ihr die Herde meiner Weide umkommen laßt und zerstreut! Spricht der Herr“ (Jer. 23,1).
    Die Kirche brauchte eine radikale Umkehr und Neuausrichtung zur biblischen Wahrheit.
    L.G. Martin Dobat

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  3. „Das Bestreben, einem „ultimativen Anliegen“ alles unterzuordnen, führe in den Totalitarismus.“

    Das kann ich nur voll und ganz unterschreiben. Denn in so einer Gesellschaft ist jeder ein „Feind“, der dieses Anliegen nicht (genug) unterstützt.

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    1. Maik, ich stimme Ihnen zu. Spontan kam mir der Ausspruch von Franklin Graham in den Sinn (Zitat) „Andersdenke sind die Feinde Gottes!“

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  4. So, wie es bei der Fußball-WM nur noch um die Binde geht, geht es bei der EKD nur noch ums Klima..
    Und jetzt noch um die Binde zusätzlich…Wie abartig das alles ist. Es wird sich in alles, aber auch wirklich alles, reingemengt.

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  5. „‚Gott als Akteur‘ komme kaum noch vor.“
    Wenn er/sie/es als Akteur mal in Erscheinung treten würde, müssten nicht immer andere die Arbeit machen…
    Wir stehen vor der größten Katastrophe der Menschheitsgeschichte und die EKD soll lieber die Hände in den Schoß legen und hoffen, dass der liebe Gott das alles regelt, so wie die meisten anderen Frommen (und Nicht-Frommen)? Das ist nicht nur äußerst unklug (um es vorsichtig auszudrücken), sondern auch biblisch wie theologisch hanebüchen…
    Und um es für die Unverständigen noch einmal zu wiederholen, es geht nicht darum, die Natur zu schützen, die Natur kommt gut ohne uns zurecht und wird sich vermutlich wieder erholen, wenn die Menschheit ausgestorben ist. Es geht darum, dass menschliches Leben für jetzt über acht Milliarden und zukünftige Generationen lebbar bleibt. Und das ist ziemlich unabhängig davon, ob man die Natur als gut oder nicht betrachtet…!

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