Meinung

Wie aus Schriften verschiedener Jahrhunderte ein Buch entstand

Die Bibel versammelt Schriften aus über 1.000 Jahren und wirkt doch wie ein Buch. Die Theologen Jens Schröter und Konrad Schmid haben über „Die Entstehung der Bibel“ einen 500 Seiten starken Schmöker vorgelegt. Für Laien anspruchsvoll, aber lohnend.
Von Johannes Blöcher-Weil
Die Bibel ist eine Sammlung ganz unterschiedlicher Bücher

Die Bibel stellt die verbindliche Grundlage des Christentums dar. Wie das Buch mit seinen 66 teilweise ganz unterschiedlichen Büchern entstanden ist, haben die beiden Theologie-Professoren Jens Schröter und Konrad Schmid in ihrem neuen Buch „Die Entstehung der Bibel“ herausgearbeitet.

Sie betonen bereits im ersten Teil, wie unterschiedlich „Die Bibel“ in verschiedenen Kulturkreisen vom Umfang und der Anordnung gestaltet ist. Unterschiede ergeben sich vor allem durch die verschiedenen Konfessionen und Sprachräume. Auch die Grenzen der Texte, die Wissenschaftler heute als „kanonisch“ und „apokryph“ unterscheiden, hätten bei den frühen Christen keine Rolle gespielt.

Die ältesten Schriften, die später zur Bibel wurden, entstanden sogar in einem Umfeld, in dem Texte keine nennenswerte religiöse Funktion hatten, erläutern die Autoren. Die Schriftprophetie, die göttliches Wissen an menschliche Empfänger übermittelte, habe nicht nur im biblischen Kontext in Israel und Juda eine wichtige Rolle gespielt, sondern auch an anderen Orten im Alten Orient.

Jesus verändert das Gottesbild

In Bezug auf das Alte Testament ist bemerkenswert, dass dessen Rechtsverständnis offenkundig einen Anteil an der altorientalischen Rechtstradition hat. Dabei enthält die Bibel aus Sicht von Schröter und Schmid „kein zeitloses göttliches Gesetz“. Gerade das göttliche Gesetz bedürfe der fortwährenden Aktualisierung.

Bereits vor dem Aufkommen der Bibelkritik hätten Forscher herausgearbeitet, dass die erzählte Welt in den biblischen Büchern nicht die Welt der Erzähler sei. Oft würden dort Gegebenheiten ihrer Gegenwart erläutert, indem sie diese in eine idealisierte Zeit versetzten. Im Laufe der Jahrhunderte habe sich die „Rewritten Bible“-Methode etabliert. Diese nahm bereits existierende Schriften zum Vorbild, um sie aus eigener Perspektive nachzuerzählen und damit im Gedächtnis der Leser zu verankern. Die Autoren erzählen die betreffenden Geschehnisse in eigenen Schriften noch einmal nach. Ein Beispiel dafür ist das Buch der Chronik.

Buchcover: Die Entstehung der Bibel

Konrad Schmid, Jens Schröter: „Die Entstehung der Bibel“, C. H. Beck, 504 Seiten, 16,95 Euro, ISBN 9783406774140

Mit dem Wirken Jesu von Nazareth wurden die Schriften Israels unter einem neuen Vorzeichen verstanden. „Der Glaube an Jesus Christus veränderte auch den Glauben an den Gott Israels“, schreiben die Autoren. Gott wurde als derjenige bezeugt, der durch Jesus Christus zugunsten der Menschen gehandelt hat. Besonders der Evangelist Matthäus habe Jesu Weg als die Erfüllung der Schriften Israels gedeutet.

Viele Bibelstellen zeigten, dass sich das frühe Christentum die Schriften Israels in der Überzeugung, angeeignet habe, „das von Gott so zu sprechen ist, dass sein rettendes Handeln an Jesus Christus zugleich als sein Handeln durch Christus an den Menschen zur Geltung gebracht wird“.

Evangelien nicht gegeneinander ausspielen

Im letzten Teil des Buches gehen die Autoren darauf ein, wie sich aus der gemeinsamen Wurzel von Juden- und Christentum Religionen unterschiedliche Zweige entwickelt hätten. Die Vielfalt der frühchristlichen Texte drücke die Breite von Perspektiven auf Inhalt und Bedeutung des christlichen Glaubens aus, die in verschiedenen Strömungen des Christentums entstanden seien. Da sich Theologen auf vier Evangelien festgelegt hätten, gälten diese auch als verbindliches Zeugnis und dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden.

Das Buch „Die Entstehung der Bibel“ ist vielleicht nicht für die breite Masse an Lesern geeignet. Aber wer Lust hat, tiefer in das Thema einzutauchen und dabei sehr viele, wissenschaftlich fundierte Details mag, der sollte die über 400 Seiten gerne „durcharbeiten“. Die Autoren gehen in dem Buch auf zahlreiche Bibelstellen ein und erklären, wie sie deren Herkunft interpretieren. Die Lektüre hat auf jeden Fall gezeigt, dass die Bezeichnung der Bibel als „Buch der Bücher“ eine doppelte Bedeutung hat.

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4 Antworten

  1. Mein lieber Scholli, so viele Widersprüche und Ungereimtheiten in einem Text. Wo fang ich an?
    Religiöse Texte hatten in dem Umfeld keine Bedeutung? Ist das dasselbe Umfeld, dass über Jahrtausende die jüdische Bibel (AT) zusammengestellt, geschützt, geachtet, befolgt, ja sogar übersetzt hat (ins Syrische, Lateinische, Griechische). Dasselbe Umfeld, das die Schriften für so wichtig erachtet hat, dass sie in den Höhlen von Qumran so sicher versteckt wurden, dass sie 2000 Jahre später noch da waren?

    Die frühen Christen unterschieden sehr wohl zwischen kanonisch und apokryph. Für Juden sind die apokryphen Schriften des AT kein Bestandteil der Bibel. Fürs NT wurden nur solche Schriften als Gottes Wort angesehen, die
    Gottes Wort sind. Zeitzeugen und echte Propheten, bestätigte Apostel – deren Worte wurden anerkannt und überliefert. Wie wehrten sich Paulus und Johannes gegen abweichende Lehren? Die Grenze war sehr wohl schon damals gezogen. Mir erscheinen diese Behauptungen eher ideologisch motiviert und nicht dem historischen Befund entsprechend.

    Keineswegs verändert Jesus das Gottesbild in dem Sinne, dass er gegen das Alte Testament argumentierte. Jesus änderte die Menschen. Der ewige Gott, der das AT offenbart hatte, wurde Mensch. In Jesus wurden die wahren, aber toten Buchstaben des AT lebendiges Fleisch, zum Anschauen und zum Anfassen. (Johanes 1,14; Kolosser 2,9). Jesus handelte immer in Übereinstimmung mit dem Vater. Es gibt keinen Unterschied des Wesens zwischen Jesus und dem „alttestamentlichen Gott“. Jesus ist derselbe Gott von Schöpfung bis Apokalypse.

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    1. Ihre Aussagen sind nicht schlüssig und nicht sachgerecht:
      Die frühesten biblischen Texten sind entstanden in einem „Gespräch“ mit der orientalischen Umgebungskultur und in dieser gab es natürlich Texte, aber Textproduktion war nicht in erster Linie eine religiöse Angelegenheit. Das ist Konsens in der historischen Forschung!
      Die Kanonisierung der jüdischen heiligen Schriften und der christlichen Bibel ist ein überaus komplexer Prozess, allerdings ist es richtig, dass schon relativ früh sich ein fester Kern des Verbindlichen abzeichnete. „Für das NT wurden nur solche Schriften als Gottes Wort angesehen, die es auch sind.“ – das ist eine Tautologie ohne jeden Erkenntniswert!
      Was Sie am Ende sagen, ist als Bekenntnis zu Jesus ja gar nicht verkehrt, Sie verwenden es aber – so scheint mir – zugleich als fundamentalistische Aussage über die Bibel, und als solches ist es einfach unzutreffend. Die Bibel bildet einen breiten Bogen religionsgeschichtlicher Entwicklungen ab und die Vorstellungen, die sich in den Texten widerspiegeln, sind weitgefächert.
      Es drängt sich immer wieder der Eindruck auf, dass diejenigen, die die Bibel besonders ernst nehmen möchten, den Texten ausweichen und lediglich ihre Ideologie über die Texte bestätigt sehen wollen!

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  2. „Ich freue mich über dein Wort wie einer der große Beute macht“, so David im Psalm 119.
    Jesus bezeugt ihm durch den heiligen Geist zu reden, so nachzulesen bei Matth 22
    Nichts gegen wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Bibel, auch das hat seinen Platz.
    Aber „Beute “ macht man wenn man Gott zu sich sprechen lässt, auch das erlebt man vermutlich nur unter dem Einfluss des Geistes. „Und davon reden wir auch nicht mit Worten, welche menschliche Weisheit lehren kann, sondern mit Worten, die der Geist lehrt, und deuten geistliche Dinge für geistliche Menschen.“ 1 Kor 2,13-16
    Schmökert ein Vegetarier in einem Kochbuch für Fleischgerichte, bekommt er allenfalls eine Ahnung von den kulinarischen Genüssen die da verborgen liegen. Beim Fleischesser hingegen eröffnen sich Welten.

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  3. „Bereits vor dem Aufkommen der Bibelkritik hätten Forscher herausgearbeitet, dass die erzählte Welt in den biblischen Büchern nicht die Welt der Erzähler sei.“

    Aus dem Kommentar ist nicht ganz klar, ob damit auf verschleierte Art und Weise das Misstrauen gegenüber der Historizität der biblischen Berichte gemeint ist. Aus der Amazonproduktbeschreibung: „Ereignisse wie der Auszug aus Ägypten oder der Tempelbau unter König Salomo gelten nicht länger als historisch.“ Wenn dem so ist, gibt es da neue oder besondere Argumente, die man kritisch beleuchten kann? Sonst wäre mir die Investition meiner Zeit zu schade.

    Für eine Einführung finde ich eher „Das Alte Testament: Entstehung, Geschichte, Botschaft“ von Egelkraut geeignet. Aus Amazonproduktbeschreibung: „Beim Umgang mit dem Alten Testament geht dieses Werk von gewissen in der Bibel selbst verankerten Vorgaben aus, u.a. der, dass das Alte Testament Gottes Wort ist. Es begegnet ihm deshalb nicht mit Skepsis, sondern mit Grundvertrauen und in dem Wissen, dass uns in ihm Gottes Weg zum Glauben und Leben gewiesen wird. Gerade weil das Alte Testament als Heilige Schrift ernstgenommen wird, wird in dieser Einführung in das Alte Testament auch seine geschichtliche Verankerung ernstgenommen.“

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