Watt und Gott: Pastor bietet „spirituelle Wattwanderungen“ an

Urlaub und 9-Euro-Ticket: Die ostfriesischen Inseln erfreuen sich aktuell großer Beliebtheit. Das macht sich ein Pastor zu Nutzen und bietet auf Wangerooge ab sofort „spirituelle Wattwanderungen“ an.
Von Jörn Schumacher
Watt

Nach einem massiven Einbruch im ersten Corona-Jahr 2020 ist der Tourismus an der Nordsee gerade dabei, sich zu erholen. Wie das Landesamt für Statistik in Hannover mitteilte, kamen 2021 rund 6,7 Millionen in die Urlaubsregion Nordseeküste und 4,2 Millionen auf die Ostfriesischen Inseln. Tendenz weiter steigend. Allein im Februar 2022 steigerten sich die Besuchszahlen im Vergleich zu den Monaten des Vorjahres um über 200 Prozent. Der Wunsch, weniger CO2 zu verbrauchen und anstatt Fernflüge das eigene Land zu genießen wuchs mit dem Krieg in der Ukraine noch an. Ein Trend, den auch der Pfarrer der der St.-Willehad-Gemeinde auf Wangerooge, Egbert Schlotmann, bemerkt. „Unsere Kirche wird immer voller“, stell der Pastor fest. „Gerade zu den christlichen Feiertagen kommen verstärkt Menschen hier hin, weil sie das Geistliche im Urlaub noch einmal intensiver erfahren.“

Der 59-Jährige Schlotmann kommt gebürtig aus dem Münsterland. In Münster und Wien studierte er katholische Theologie. Er war zehn Jahre Pfarrer in Dorsten, dann in Oldenburg. Doch seit sieben Jahren ist er Leiter der St.-Willehad-Gemeinde auf Wangerooge. Seine Insel-Gemeinde, die gerade einmal 250 Katholiken zählt, gehört zum Bistum Münster. Sie ist eng verwoben mit den vielen Touristen und Urlaubern, die jedes Jahr nach Wangerooge kommen. In coronafreien Jahren wie 2015 kommen über 120.000 Gäste auf die Insel, bei rund 950.000 gebuchten Übernachtungen.

Foto: privat
Pastor Egbert Schlotmann stammt ursprünglich aus dem Münsterland

Schlotmann machte zudem eine Ausbildung als Ehe-, Familien- und Lebensberater. Doch nicht nur das: er fügte eine Ausbildung als Wattführer hinzu, und als solcher geht er ab Pfingsten in den Dienst der Kirche: Auf „spirituellen Wattwanderungen“ greift der Pastor die Sehnsucht der Menschen auf, sich gerade im Urlaub mit geistlichen Fragen auseinanderzusetzen. Als Exerzitien-Begleiter und Systemischer Berater will Schlotmann deutlich machen: „Auch an Urlaubsorten kann etwas geistlich geschehen. Menschen sind im Urlaub offen für spirituellen Fragen“, sagt Schlotmann gegenüber PRO.

Achten auf den Kompass – im Watt und im Leben

In der Sommerzeit beginnt er den Tag mit einem Morgenimpuls, sagt der Seelsorger. „Wir nennen das – ganz norddeutsch – ‚Einnordung‘. Dann treffen wir uns in kleinen Gruppen. Nach dem gemeinsamen Frühstück gibt es verschiedene Angebote auf der Insel. Mittags gibt es nochmal eine Zeit mit einem Impuls von mir, sowie eine Zeit der Stille und Musik, danach nochmal Angebote, für Kinder, für Jugendliche und Erwachsene. Abends gibt es einen kleinen Gottesdienst.“

Als zertifizierter Wattführer nimmt er ab Pfingstsamstag alle 14 Tage Menschen mit auf eine Rundführung durchs Watt. Das Wattenmeer wurde 2009 sogar in die UNESCO-Welterbe-Liste aufgenommen. „Wattwanderungen sind bei den Menschen sehr beliebt“, weiß Schlotmann. „Man erlebt die Insel so auf eine ganz andere Weise. Mir war klar: Das ist ein guter Weg für die Kirche, Menschen anzusprechen. Ich will das Evangelium auf neue Art und Weise in die Welt bringen.“

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Bei der Ausbildung zum Wattführer gehe es etwa um das richtige Lesen der Seezeichen, das Navigieren und die Kreuzpeilung mittels Kompasses und Karte, sagt Schlotmann. „Daraus ergeben sich für eine spirituelle Wanderung schon viele interessante Anknüpfungspunkte. Ich frage die Leute etwa: Wie ist es in meinem eigenen Leben – Was ist mein Orientierungspunkt? Habe ich ihn noch im Blick, oder gehe ich ihm längst aus dem Weg? Oder ist vielleicht schon alles vernebelt?“ Schlotmann ergänzt: „Nebel kommt im Watt häufig vor, dann brauche ich einen Kompass. Da stellt sich die Frage: Was ist eigentlich der Kompass für mein Leben?“ Im Watt spricht Schlotmann dann vielleicht passend dazu eine Stelle aus Psalm 119 an: „Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege.“

Zu den Kenntnissen eines Wattführers gehöre auch die Wetterkunde und das Wissen um die Gefahren im Watt, sagt Schlotmann. Ebenso muss er natürlich darüber Bescheid wissen, was es alles im Watt und in den Salzwiesen zu entdecken gibt, welche Tiere und Pflanzen dort anzutreffen sind und wo man sie findet. Aber auch Fragen wie: „Welche Spuren entdecke ich? Oder: Welche Spuren hinterlasse ich selbst in meinem Leben?“, spielten eine Rolle.

Geld kosten die Wanderungen nicht, die Teilnehmer können aber gerne Spenden geben, die dann der Gemeinde zugutekommen. Die Inselbewohner fanden die Idee faszinierend, sagt Schlotmann. „Manche wunderten sich, dass es so etwas bisher noch nicht gab.“ Andere Wattführer machen gerne für die spirituellen Wanderungen ihres kirchlichen Kollegen Werbung, sagt der Pastor. „Für sie ist der Aspekt wichtig, die Schöpfung bei solch einer Wanderung in den Blick zu nehmen.“ Schlotmann ist bewusst: „Wir sind verwoben mit der Schöpfung. Das wird einem bei einer Wattwanderung besonders bewusst.“

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Eine Antwort

  1. „Wo der Geist Gottes ist, da ist Freiheit“…. und auch Freiheit für neue , gute, befreiende Ideen!
    Klasse Beispiel ! Klasse Bericht hier in der „Pro“

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    0

Offline, Inhalt evtl. nicht aktuell

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