Kommentar

Wann trennt sich das ZDF von Böhmermann?

Jan Böhmermann knöpft sich in der jüngsten Ausgabe des „ZDF Magazin Royale“ Lebensschützer vor. Auf journalistische Standards pfeift der Satiriker. Seine politische Agenda hingegen ist umso klarer.
Von Jonathan Steinert
ZDF Magazin Royale, Jan Böhmermann

„Dieses Thema gehört meines Erachtens nicht in eine Satireshow.“ Gemeint ist das Thema Abtreibung. Geschrieben hat diesen Satz der Mediziner Florian Dienerowitz auf eine Anfrage vom „ZDF Magazin Royale“ des sogenannten Satirikers Jan Böhmermann. Dienerowitz hatte für seine Doktorarbeit Protokolle der Schwangerschaftskonfliktberatung des Vereins „Vita L“ ausgewertet. Er war dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass in rund 30 Prozent der Abtreibungen Druck von Dritten der treibende Grund für den Schwangerschaftsabbruch war – und nicht die selbstbestimmte Entscheidung der Frau.

Böhmermann wollte nun von Dienerowitz wissen, für wie repräsentativ dieser seine eigene Untersuchung hält. Doch der Mediziner tat gut daran, nicht weiter auf die Anfrage einzugehen, denn mit seiner Einschätzung hatte er völlig recht: Ein solches Thema ist für eine Satireshow nicht geeignet. Und Böhmermann gab sich alle Mühe, diesen Eindruck in seiner jüngsten Sendung zu bestätigen.

Der Moderator tut so, als würde er aufklären und enthüllen – etwa dass es Menschen gibt, die sich gegen eine Liberalisierung der gesetzlichen Regelung von Abtreibung und für den Schutz des ungeborenen Lebens engagieren. Obwohl angeblich 80 Prozent der Bevölkerung laut einer Umfrage den Paragrafen 218 abschaffen wollten, der Schwangerschaftsabbrüche als Straftat wertet, die unter bestimmten Umständen straffrei bleibt. Aber der einzige Skandal liegt offenbar darin, dass Lebensschützer für eine Minderheitenposition einstehen.

Zwar überführt er Cornelia Kaminski, Vorsitzende der „Aktion Lebensrecht für alle“ einer mindestens grob ungenauen Aussage: In einem Interview behauptete sie laut Einspieler, „die Studienlage“ in Deutschland zeige, dass 30 Prozent der Frauen, die abtreiben, von ihren Männern dazu gezwungen würden. Wobei sie sich auf die Arbeit von Dienerowitz bezieht, dessen Daten von einem Verein stammen, der zu Kaminskis Verband gehört. Viel mehr hat Böhmermann aber nicht aufzubieten.

Journalistische Standards spielen keine Rolle

Eine Auseinandersetzung mit dem Anliegen derer, die den Paragrafen 218 beibehalten möchten, interessiert Böhmermann offensichtlich auch gar nicht. Es geht ihm darum, sie lächerlich zu machen. Er nennt sie „Gebärmutter-Stalker“, die den Namen des Kindes schon beim Orgasmus rufen würden – so laut, dass Gott schon die Kommunion vorbereiten könne. „Wie heißen die Dinger, die rauskommen, wenn man nicht abtreibt? Bei uns in der Redaktion weiß das keiner. Wir treiben alle immer ab“, palavert Böhmermann. „Babys“ ist das gesuchte Wort und mit deren Schreien verglich er den „Kommunikationsterror“ derer, die sich gegen Abtreibungen stark machten.

Mit dieser Geschmacklosigkeit nicht genug. Fragwürdig ist auch, wie Böhmermann mit journalistischen Standards umgeht. Er war sich nicht zu schade, sein Team beim Lebensrechts-Kongress „Leben.Würde“ im christlichen Gästezentrum Schönblick verdeckte Aufnahmen machen zu lassen. Im Pressekodex ist jedoch festgehalten, dass sich Journalisten grundsätzlich zu erkennen geben sollen. Verdeckte Recherche ist nur dann zulässig, wenn Inhalte von besonderem öffentlichen Interesse nicht anders beschafft werden können. Das wäre hier ganz leicht gewesen: Die Reporter hätten sich ganz normal wie alle anderen Journalisten auch akkreditieren können.

Als Böhmermann behauptet, 80 Prozent der deutschen Bevölkerung seien der Meinung, Abtreibung müsse entkriminalisiert werden, zitiert er aus einer Sekundärquelle, ohne die genaue Umfrage zu nennen. Ganz zu schweigen davon, dass innerhalb der vergangenen drei Jahre mehrere Umfragen zu dieser Frage unterschiedliche Werte ermittelten.

Weiter empört sich Böhmermann sich, dass sich eine Reihe von Gynäkologen in einem offenen Brief an die Politiker im Bundestag gewandt haben, um den Paragrafen 218 zu erhalten. Das seien ja keine neutralen Informationen, sondern Lobbyarbeit. Ja, Herr Böhmermann, wo ist das Problem? Alle möglichen Verbände und Interessengruppen wenden sich mit ihren Anliegen an Politiker. Manche legen sogar gleich einen Gesetzesentwurf zur Abschaffung von Paragraf 218 vor. Aber das ist in der Sendung keine erwähnenswerte Information.

Klare politische Agenda

Die ganze Sendung bespielt das Narrativ: Wer sich gegen eine liberale Abtreibungsregelung einsetzt, kämpft gegen das Selbstbestimmungsrecht der Frau. Dass auch der Embryo Menschenwürde hat, und die Politik vom Bundesverfassungsgericht damit beauftragt ist, das ungeborene Leben zu schützen – das stellt Böhmermann nicht in Rechnung. Dass die aktuelle gesetzliche Regelung ein sorgsam austarierter Kompromiss in diesem Spannungsfeld ist und nicht etwa das Ziel hat, Frauen zu schikanieren; dass ungewollt schwangere Frauen womöglich wirklich einen inneren Konflikt verspüren – egal.

Genau deshalb gehört dieses Thema nicht in eine Satiresendung. Es ist politisch hochumkämpft und zugleich berührt es Kernfragen der Menschenwürde. Am Vorgehen von Lebensschutzgruppen lässt sich durchaus einiges kritisieren. Doch ihr Anliegen derart lächerlich zu machen, ist keine journalistisch wertvolle, einen Missstand anprangernde Satire. Das ist medialer Aktivismus für die politische Liberalisierung von Abtreibungen. Und wem bis dahin noch nicht klar war, dass Böhmermann eine politische Agenda verfolgt, der erfährt es am Ende der Show aus dessen eigenem Mund: „Unser gemeinsamer Kampf geht weiter, wir Frauen müssen zusammenhalten“, ruft er an die Feministin Alice Schwarzer gerichtet. Oder sollte ausgerechnet das satirisch gemeint gewesen sein?

Unverhohlener als in dieser Sendung kann man kaum politisch Position beziehen. Es ist auch nicht das erste Mal, dass Böhmermann medienethische Grenzen überschreitet. Wenn dem ZDF, das dessen Sendung seinen Namen leiht, ein journalistischer Qualitätsanspruch auch in seinen Satiresendungen wichtig ist, sollte der Sender das von Böhmermann klar einfordern – oder sich von ihm trennen.

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