Schwangerschaftskonflikt: Dritte häufig Ursache

Schwangerschaftskonflikte liegen häufig in Partnerschaftsproblemen begründet. In etwa 30 Prozent der Fälle ist der Einfluss Dritter der Hauptgrund. Das zeigt eine wissenschaftliche Untersuchung.
Von Norbert Schäfer
Mit dieser Nachbildung eines Embryos in der 10. Schwangerschaftswoche wollen Lebensschützer ins Bewusstsein rufen, dass es bei Abtreibungen um Menschenleben geht

Im Jahr 2021 sind in Deutschland rund 94.600 Schwangerschaftsabbrüche gezählt worden. Die deutschlandweite amtliche Statistik interessiert sich im Detail jedoch lediglich für die Häufigkeit medizinischer und kriminologischer (insgesamt vier Prozent) Indikationen, die letztlich zu einer Abtreibung geführt haben. Andere Ursachen werden von der Statistik nicht erfasst und bleiben daher weitgehend im Dunkeln.

Der Arzt und Medizinethiker Florian Dienerowitz hat deshalb nach den Gründen für den Schwangerschaftskonflikt geforscht. Dazu hat Dienerowitz mehr als 1.800 anonymisierte Gedächtnisprotokolle der freien Telefon- und Onlineberatungsstelle Vita L aus den Jahren 2012 bis 2018 in einer Studie im Rahmen seiner Dissertation untersucht.

Die Untersuchung zeigt, dass Frauen häufig eine Vielzahl an Gründen für ihren Schwangerschaftskonflikt angaben, wobei jedoch meist ein Hauptgrund auszumachen war. Hierbei wurden „Partnerschaftsprobleme“ am häufigsten genannt (40,8 Prozent). Der Kategorie der Partnerschaftsprobleme ordnete Dienerowitz verschiedene Unterkategorien zu, beispielsweise wenn der Kindesvater das Kind ablehnte, oder die Frau, aber nicht der Mann, oder wenn das Kind aus einer Affäre entstanden war. Der Forscher hat acht Überkategorien und zahlreiche Unterkategorien aus den Daten abgeleitet.

Medizinische Gründe kaum erheblich

Als weitere Überkategorien hat der Mediziner „biografische Gründe“ (19,7 Prozent) und „Überforderung“ (15,9 Prozent) als Hauptursache für den Schwangerschaftskonflikt identifiziert. Bei deutlich weniger Hilfesuchenden stellten sich „äußerer Druck“ (9,2 Prozent) oder „materielle Sorgen“ (5,3 Prozent) als wichtigsten Grund für den Konflikt heraus. Medizinische Gründe bei der Schwangeren (4,2 Prozent) oder dem Kind (3,8 Prozent) spielten zahlenmäßig eine untergeordnete Rolle, noch seltener wurde „Vergewaltigung“ (1,1 Prozent) genannt.

Ein Grund für die schlechte Datenlage ist, dass weder Ärzte noch staatliche anerkannte Beratungsstellen dazu verpflichtet sind, sich die subjektiven Gründe der schwangeren Frauen detailliert erläutern zu lassen. Denen hat Dienerowitz versucht auf die Spur zu kommen, denn eine gründliche Erfassung der Konfliktgründe könnte sowohl Schwangeren – und bei daraus resultierenden verbesserten Hilfen – auch den Ungeborenen zugutekommen.

Kritik von „pro familia“

Die Ergebnisse der Untersuchung steht im Widerspruch zu der Annahme – die gerne von Pro-Choice-Aktivisten bemüht wird –, dass Frauen „selbstbestimmt“ über ihre Leibesfrucht entscheiden. „Insgesamt zeigen die Daten, dass mehr als 30 Prozent der Frauen den Einfluss Dritter als den Hauptgrund für den Schwangerschaftskonflikt genannt haben“, erklärt Dienerowitz. Das hören Fürsprecher selbstbestimmter Abtreibung und der Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen nicht gerne. Bei einer staatlich finanzierten Beratungsstelle, „pro familia“, ist die Untersuchung jedenfalls auf Kritik gestoßen. Gegenüber SWR aktuell bemängelte „pro familia“ Baden-Württemberg unter anderem die Wahl der Datenquelle.

Vita L ist staatlich nicht anerkannt als Beratungsstelle für Schwangerschaftskonflikte. Die Einrichtung darf daher also den für eine Abtreibung erforderlichen Beratungsschein nicht ausstellen. Die Einrichtung erfüllt nach Ansicht von pro familia nicht die Qualifikationsanforderungen wie anerkannte Beratungsstellen. Pro familia stößt sich insbesondere daran, dass Vita L zum „Umfeld sogenannter ‚Lebensschützer‘“ gehört, und rechnet den Verein daher den „Selbstbestimmungsgegnern“ zu.

Warum hat Dienerowitz dennoch eine Beratungsstelle als Datengrundlage gewählt, die im Schwangerschaftsabbruch keine adäquate Lösung des Konfliktes sieht? „In Abwägung der Vor- und Nachteile der verschiedenen staatlichen- und nichtstaatlichen Beratungsstellen in Bezug auf einen solchen Forschungsansatz bietet Vita L einige Vorteile. Beispielsweise ermöglicht die 24-stündige telefonische Erreichbarkeit eine niederschwellige, unmittelbare Kontaktaufnahme in der akuten Konfliktlage, wohingegen Frauen beim Aufsuchen der staatlich anerkannten Stelle ihren Entscheidungsprozess für eine Abtreibung häufig bereits durchlaufen haben und ihre Konfliktgründe nicht mehr nennen wollen“, erklärt Dienerowitz, und weiter: „Natürlich muss man die Aussagekraft der Untersuchung anhand anderer Statistiken überprüfen. Hierzu wurde eine umfangreiche Recherche zu bereits vorliegenden Informationen über Konfliktgründe unternommen.“

Pro familia und andere große staatlich anerkannte Beratungsträger konnten auf Anfrage des Wissenschaftlers jedoch keine eigenen Statistiken zu den Konfliktgründen nennen. Allerdings verweise „pro familia“ auf eine Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung aus dem Jahr 2016, die zwar sehr viel weniger umfangreich sei, aber ein ähnliches Ergebnis hat: Partnerschaftsprobleme sind der führende Konfliktgrund. Auch eine amtliche Berliner Statistik sowie die Daten der abtreibungskritischen freien Organisation Pro Femina bestätigten diese Tendenz deutlich.

Liberaleres Abtreibungsrecht spielt Männern in die Hände

Die Untersuchung offenbart, dass ein Gutteil der befragten schwangeren Frauen den Schwangerschaftsabbruch erwägt, weil die Unterstützung durch den Vater des Kindes fehlt. Schlimmstenfalls nötigt der Kindsvater die werdende Mutter sogar zur Abtreibung. „Ein Abbruch könnte dann schwerwiegende Folgen für die Frau haben“, sagt der Mediziner. Dienerowitz geht davon aus, dass ein liberaleres Abtreibungsrecht den Männern in die Hände spielt, die Druck auf ihre schwangere Partnerin ausüben.

Anstelle weiterer Liberalisierungsansätze plädiert er vielmehr dafür, zunächst die detaillierten Gründe für den Konflikt in der Beratung auf breiter wissenschaftlicher Basis festzustellen und daraus verbesserte Hilfen zu entwickeln, sodass Schwangere im Konflikt überhaupt in die Lage versetzt werden, ein „Ja“ zum Kind ernsthaft zu erwägen. Der von ihm entwickelte Forschungsansatz könne hierfür ein geeignetes Instrument auch für die staatlich anerkannten Beratungsstellen sein – sofern eine gründliche Auseinandersetzung mit den Gründen des Schwangerschaftskonfliktes politisch überhaupt erwünscht sei.

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3 Antworten

  1. „Schwangerschaftskonflikt: Dritte häufig Ursache“. Die letzte Entscheidung, ob das ungeborene Kind sterben muss oder nicht, liegt bei der Mutter ganz allein. Die Entscheidung kann ihr letztlich niemand abnehmen. Das Kind ist in ihrem Bauch, nirgends sonst. Damit trägt SIE die Verantwortung. Höre man doch endlich auf mit der Hin- und Herschieberei der Verantwortung. Wer sich nicht gegen das Kind entscheidet, hat auch mit einem „Konflikt“ gar nichts zu tun. Das sind hausgemachte „Probleme“.

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  2. Da können die (feministischen) Daumen ruhig nach unten gehen. Es ist so und es bleibt so..

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  3. Wer Sie kritisiert, muss gottlos sein… oder feministisch… oder dem links-grünen Zeitgeist verfallen. Sie immunisieren sich gegen Argumente hier immer und immer wieder, indem Sie sich hinter nicht durchdachten fundamentalistischen Stereotypen (oder Bibelsprüchen) verstecken!
    Ihr Beitrag zeigt ein völlig fehlendendes Problembewusstsein und die völlige Absenz jedweder Empathie. Selbst innerhalb des Feldes borniert männlicher Perspektiven ist die Ihre schon besonders ignorant!
    Hier geht es um Frauen in Konfliktsituationen, die von ihren Partnern implizit oder explizit unter Druck gesetzt werden. Hier geht es um menschliche Not!
    PS Meinen Daumen-runter haben Sie nicht bekommen, weil ich dieses Medium für bedenklich halte und deshalb noch nie benutzt habe und auch ferner nicht nutzen werde. Ihre Auffassungen aber halte ich für rundweg evangeliums- und menschenfeindlich und in keiner Weise durchdacht – und das sage ich Ihnen auch ganz direkt. Wenn es sein muss, immer wieder, da ja Ihr Mitteilungsbedürfnis offenbar immer uferloser wird!

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