„Von Gottes Liebe überzeugter“: SZ-Autor bekennt seinen Glauben

Ein Bekenntnis zum katholischen Glauben hat der Journalist Tobias Haberl in der Titelgeschichte des Magazins der Süddeutschen Zeitung abgelegt. Von Gottes Liebe sei er überzeugter als von „Self Care“ und „Mental Health“.
Von Jörn Schumacher
Tobias Haberl, geboren 1975, schreibt seit 2005 als Redakteur für das Süddeutsche Zeitung Magazin. 2016 erhielt er den Theodor-Wolff-Preis. Zuletzt legte er die Streitschrift „Die große Entzauberung – Vom trügerischen Glück des heutigen Menschen“ vor (2019).

„Ich scheine da irgendeinen Nerv getroffen zu haben“, sagt der katholische Journalist Tobias Haberl jüngst in einem Interview. Der Autor hatte Ende März einen längeren Text für das Titelthema des SZ Magazins geschrieben. Der Deutschlandfunk nahm die enormen Reaktionen darauf zum Anlass, den Journalisten zu interviewen, der berichtet, dass etwa 80 Prozent der vielen Leser-Reaktionen positiv gewesen seien; sogar Thomas Gottschalk habe ihn daraufhin kennenlernen wollen.

Das Cover des SZ Magazins der Süddeutschen Zeitung am 31. März zierte lediglich eine Schwarz-Weiß-Aufnahme aus einer Kirche, der Titel lautete: „Mein Gott“. Darunter stand: „Unser Autor ist religiös. Die Menschen um ihn herum sind es eher nicht. Kaum zu glauben, meint er, was die sich entgehen lassen.“ Das SZ Magazin ist neben dem Zeit-Magazin eines der größten Magazine hierzulande mit einer Auflage von rund einer halben Million.

Seinen Essay beginnt Haberl mit den Worten: „Diesen Text traue ich mich nur zu schreiben, weil ihn sowieso niemand liest.“ Denn entweder man höre weg oder werde aggressiv, wenn es „um Glauben oder, noch schlimmer, die Kirche geht“.

Ihm sei bewusst, dass viele zuerst „an fummelnde Priester“ denken und viele die Kirche an sich für böse halten. Allein 2021 seien schätzungsweise 640.000 Menschen aus der katholischen Kirche ausgetreten. Er selbst aber gewinne der Kirche und seinem Glauben viel ab.

„Spätmodernem Menschen täte göttlicher Trost gut“

Er erlebe „ungläubig-angewiderten Blicke“, wenn er sage, dass er an einem Sonntagvormittag keine Verabredung wahrnehmen könne, weil er in den Gottesdienst gehe. Im Koalitionsvertrag der Ampelregierung komme die Buchstabenfolge „Christ“ auf 178 Seiten nur ein einziges Mal vor – in der Unterschrift des Finanzministers, so Haberl. Er sei jedoch der Meinung, dass „dem spätmodernen Menschen in seiner Haltlosigkeit so etwas wie göttlicher Trost gut täte“.

Ihm begegneten Menschen, die Toleranz gegenüber Minderheiten fordern, aber seinen Glauben „selbstverständlich verunglimpfen“, ebenso wie Menschen, die bei jeder Gelegenheit Diversität fordern, „aber verkennen, dass ein Gottesdienst um ein Vielfaches diverser besetzt ist als jede ihrer Partys, auf denen immer alle die gleichen Netflix-Serien schauen“.

Er begegne „Menschen, die an technischen Fortschritt, Instagram, Self-Care, Hyaluron-Filler, Mental Health und Nachhaltigkeitsfonds glauben, nur eben nicht an Gott.“ Haberl weiter: „Ob sie ahnen, dass es mir genau andersherum geht? Dass mir fast alles, worauf sie zählen, hohl und fragwürdig erscheint, während ich von der Liebe Gottes immer noch überzeugter bin?“

Es gebe heute viele Menschen, „für die es wenig Schlimmeres gibt als Stille, die Abwesenheit von Whatsapp- und Push-Nachrichten, weil dann Fragen auftauchen, deren Antwort sie nicht googeln können“.

Glaube trägt und hält

In der Sendung „Tag für Tag“ des Deutschlandfunks sagte Haberl, ihn hätten nach Erscheinen des Textes „Unmengen“ von Reaktionen erreicht. „Ich scheine da irgendeinen Nerv getroffen zu haben, sowohl bei Menschen, die mir zustimmen, als auch bei Menschen, die anderer Meinung sind oder sich provoziert gefühlt haben.“

Etwa 80 Prozent der Leserreaktionen seien positiv gewesen, stellte Haberl fest. „Bischöfe, Pfarrer, die Passagen in die Osterpredigt genommen haben, Thomas Gottschalk hat mich angerufen, er will mich treffen, um mich kennenzulernen.“ Dankbar seien die Menschen gewesen, viele hätten den Text tröstlich gefunden oder sogar mutig.

Haberl bekennt zum einen, dass der Glaube „ein Faktor“ in seinem Leben sei, der ihn „trägt und hält“. Andererseits falle ihm in der Gesellschaft eine Tendenz auf, die für ihn zu einem Lebensthema geworden sei, und die er in einem kommenden Buch beschreiben möchte: In seinem links-liberalen Umfeld würden die Werte Diversität und Toleranz hochgehalten.

„Das ist wunderbar“, so Haberl. „Mir fällt nur auf, dass diese Begriffe oft heuchlerisch verwendet werden; die Leute, die von Diversität schwärmen, leben oft in einem Milieu, in dem alle die gleichen Reisen machen, die gleichen Bücher lesen und die gleichen Kleidung tragen. „Und die Diversität und die Toleranz sind mehr Etiketten, die man sich anheftet, um sich moralisch gut dazustehen.“

„Katholische Messe ist gelebte Diversität“

In der katholischen Messe hingegen sehe er „gelebte Diversität“: Menschen aus aller Welt, mit vollkommen unterschiedlichen Stilen, auch zu beten. „Da sind Menschen aus verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen.“

Er sei dann manchmal „stolz“ auf seine Kirche: „Da ist jeder willkommen, und jeder geht seinen persönlichen individuellen Weg. Das habe ich bei den üblichen Partys und Geburtstagseinladungen kaum.“ Wie Haberl gegenüber den Deutschlandfunk sagte, wolle er über dieses Thema ein Buch schreiben, das im besten Fall im Herbst kommenden Jahres fertig sein werde, ein „modernes Glaubensbekenntnis“.

Haberl schrieb bereits die Bücher „Der gekränkte Mann: Verteidigung eines Auslaufmodells“ und

„Die große Entzauberung: Vom trügerischen Glück des heutigen Menschen“. Er erhielt 2016 den Theodor-Wolff-Preis. Im Interview von PRO sagte er 2020: „Wer nicht mehr auf die Knie geht, jegliche Transzendenz entsorgt, Gott nicht kennt, wer nicht an das ewige Leben glaubt, ist auf sich selbst zurückgeworfen. Die Folge ist, dass er sich selbst der letzte Sinn ist, dass er ständig in Angst vor dem Ende lebt und krampfhaft versucht, sein Leben einzigartig zu machen und vor allem: aussehen zu lassen.“

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