Untersuchung: Kein struktureller Antisemitismus bei Deutscher Welle

Nach Antisemitismusvorwürfen gegen die arabische Redaktion der Deutschen Welle liegt nun ein Gutachten vor. Der Auslandssender trennt sich von Mitarbeitern und überprüft weitere.
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Der arabischen Redaktion der Deutschen Welle (DW) kann einem Gutachten zufolge kein struktureller Antisemitismus vorgeworfen werden. Antisemitische Äußerungen von Mitarbeitern in sozialen Medien seien unabhängig von der Arbeit der Redaktion erfolgt, erklärten die nordrhein-westfälische Antisemitismus-Beauftragte Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und der Psychologe Ahmad Mansour in ihrem am Montag vorgelegten Bericht. Der Zentralrat der Juden forderte die zügige Umsetzung von Maßnahmen.

Von Mitte Dezember bis Ende Januar hatten die ehemalige Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger und Mansour im Zusammenhang mit den Vorwürfen ermittelt. Mitglieder und Mitarbeiter der arabischen Redaktion hatten sich auf privaten Accounts in sozialen Medien und in Textbeiträgen für andere Medien teils antisemitisch geäußert.

Ein Redaktionsmitglied nannte den Holocaust ein „künstliches Produkt“, eine Kollegin von ihm schrieb in Zusammenhang mit Israel von einem „Krebs“, der herausgeschnitten werden müsse. Leutheusser-Schnarrenberger betonte, dass es in Teilen der arabischen Redaktion kein Vertrauen in die Führung gebe. Sie sprach sich für die Einrichtung eines DW-Wertebeauftragten aus, um durch Qualifikationen für das Thema zu sensibilisieren.

„Wir reden hier von punktuellen Fehlaussagen, aber nicht über strukturellen Antisemitismus in der arabischen Redaktion“, machte auch Mansour deutlich. Im Verlauf der Gespräche mit 30 der insgesamt 200 Mitarbeiter der arabischen Redaktion sei aber der Eindruck entstanden, dass die Redaktion bei dem Thema „zutiefst gespalten“ sei. Notwendig seien daher klare Richtlinien für die arabischen DW-Partner, in denen das Existenzrecht Israels und die Anerkennung des Holocaust deutlich und klar formuliert würden.

Eine entsprechende Antisemitismus-Definition will die DW nach Worten von Intendant Peter Limbourg nun einführen und an die Mitarbeiter vermitteln. Ein damit verbundener Verhaltenskodex der Mitarbeiter solle zudem Teil der Arbeitsverträge werden. Das Angebot des Leiters der arabischen Redaktion, seine Arbeit zu beenden, habe man angenommen. Zudem habe der Sender ein Trennungsverfahren gegen fünf feste und freie Mitarbeiter eingeleitet. Acht weitere Verdachtsfälle würden als Ergebnis der Untersuchung geprüft sowie drei weitere, die die DW selbst ermittelt habe.

Limbourg bekräftige sein Bedauern über die Vorfälle: „Es tut mir und der Geschäftsleitung aufrichtig leid, dass wir in dieser Situation sind.“ Allein der Verdacht, dass es in einer steuerfinanzierten deutschen Einrichtung Antisemitismus gebe, sei unerträglich.

Der Zentralrat der Juden erklärte, das Gutachten zeige, dass viele der öffentlichen Vorwürfe berechtigt gewesen seien. „Als öffentlich-rechtlicher Sender trägt die Deutsche Welle daher die Verantwortung, weitere Konsequenzen aus den Vorfällen zu ziehen“, teilte er mit. Präsident Josef Schuster betonte, dass nun „rasch die Empfehlungen der Gutachter“ umgesetzt werden sollten. „In einem Vierteljahr sollte die Deutsche Welle einen ersten Bericht vorlegen, der über die getroffenen Maßnahmen Auskunft gibt“, sagte er. „Gebührenfinanzierten Israel-Hass und Antisemitismus in den Medien darf es nicht geben.“

Auch Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) unterstrich die besondere Rolle der Deutschen Welle: „Die DW hat in ihren Sendungen die Würde des Menschen zu achten und zu schützen.“ Zentrale Aufgabe von Intendanz und Geschäftsleitung sei es nun, strukturelle Maßnahmen für Vertrieb, Programm, Akademie und Personalmanagement vorzuschlagen, erklärte sie.

epd
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Eine Antwort

  1. Es gab also „Antisemitismus“ in der Redaktion, nur eben nicht „strukturell“ – ein kaum glaublicher Tatbestand! Und ein klares Versagen der DW-Leitung, die natürlich von nichts gewusst haben will.
    Dass das mehr ist als nur eine Beschönigung, sagt jede Erfahrung.

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