UNESCO: Journalismus ist weltweit in Gefahr

Ein Report der UNESCO sieht den Journalismus weltweit in Gefahr. Soziale Medien und die Pandemie setzen die Branche unter Druck, aber auch Gewalt und mangelhafte Gesetze.
Von Anna Lutz
Für Recherchen zu Themen wie Korruption, organisiertem Verbrechen und Umweltzerstörung riskieren Journalisten in einigen Ländern ihr Leben (Symbolfoto)

Die Pandemie hat den wirtschaftlichen Druck auf Journalisten verstärkt. Zwei Drittel von ihnen fühlen sich aufgrund rückläufiger Werbeeinnahmen, Redaktionsschließungen und Kündigungen nicht mehr ausreichend abgesichert. Über ein Drittel hat Gehaltskürzungen oder gar Entlassungen und Schließungen erlebt. Das ist das Ergebnis eines aktuellen UNESCO-Reports, der Daten aus den vergangenen fünf Jahren zusammenfasst.

Pandemie der Desinformation

Dabei, so der Report, sei ein verlässlicher und einordnender Journalismus gerade zu Coronazeiten wichtig. Allein im September 2020 seien über eine Million nachweislich falscher oder nicht zuverlässiger Posts zum Coronavirus auf Twitter zugänglich gewesen. Die UNESCO spricht in diesem Zusammenhang von einer Desinformationspandemie. Zugleich habe aber auch das Vertrauen der Bevölkerung in die klassischen Medien abgenommen.

Internetplattformen wie Facebook oder Google nähmen diesen zudem die Nutzer und die Werbekunden weg. Vielen klassischen Zeitungen sei der Wechsel hin zu digitalen Modellen bisher nicht ohne finanzielle Verluste geglückt. Abonnenten und Werbekunden bleiben demnach oft weg, statt ins Digitale zu wechseln.

„Zwischen 2016 und 2021 sind 455 Journalistenmorde dokumentiert, die meisten davon in Lateinamerika, Asien und der arabischen Welt beziehungsweise in den Ländern Mexiko, Afghanistan und Syrien.“

UNESCO Global Report 2021/2022

Die Nöte der Branche beschränken sich aber nicht nur aufs Wirtschaftliche. Insgesamt sei die Pressefreiheit auf dem Rückzug, so die UNESCO: In 85 Prozent der Länder habe sich die Lage der Pressefreiheit in den vergangenen fünf Jahren verschlechtert. Zwischen 2016 und 2021 sind 455 Journalistenmorde dokumentiert, die meisten davon in Lateinamerika, Asien und der arabischen Welt beziehungsweise in den Ländern Mexiko, Afghanistan und Syrien. Neunzig Prozent dieser Verbrechen bleiben demnach unaufgeklärt.

Die UNESCO erreichten außerdem zwischen Januar und August des vergangenen Jahres Nachrichten über Angriffe auf Journalisten während Demonstrationen oder Aufständen in rund 60 Ländern der Welt. 13 Journalisten kamen dabei ums Leben.

Frauen unterrepräsentiert

Besonders Frauen sind dem Report zufolge von digitaler Gewalt betroffen. 70 Prozent der weiblichen Journalisten gaben an, im Internet angegriffen worden zu sein. In 20 Prozent der Fälle erlebten die Frauen im Zusammenhang mit diesen Taten auch offline Gewalt. Und: Frauen sind laut Report nach wie vor in der Medienwelt unterrepräsentiert, besonders in Führungsetagen und auf dem Politikfeld.

Und das, obwohl offenbar genug weibliche Journalistinnen und Expertinnen zu haben wären. Als Beispiel nennt die UNESCO, dass während der Pandemie nur 27 Prozent der in den Medien vertretenen medizinischen Spezialisten Frauen gewesen seien. Insgesamt betrachtet machten Frauen aber die Hälfte aller möglichen Ansprechpartner auf diesem Feld aus.

Die UNESCO trägt zusammen: Vier von zehn klassischen News werden durch weibliche Reporter vorgetragen. Nur jeder fünfte Top-Journalist oder -herausgeber ist eine Frau. Lediglich jede vierte Nachrichtenquelle oder jeder vierte Nachrichtenprotagonist ist weiblich.

Corona genutzt, um Restriktionen zu verhängen

Die UNESCO kritisiert zudem die oft schlechten Gesetzeslagen weltweit. In vielen Ländern würden Journalisten nur unzureichend geschützt oder die Gesetze richteten sich sogar zensierend gegen sie. Allein im Jahr 2021 wurden demnach 293 Journalisten inhaftiert. Das sind im jährlichen Vergleich mehr als in den 30 vorangegangenen Jahren.

Dabei spielt auch die Pandemie eine Rolle: Der Report stellt fest, dass Corona-Restriktionen in 96 von 144 untersuchten Ländern benutzt wurden, um ernste Pressefreiheitsverletzungen zu rechtfertigen. So etwa in China, Brasilien oder auf den Philippinen.

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