Undercover-Reportage bei Freikirchen

Ein Journalist des Schweizer Fernsehens gibt sich als homosexuell aus. In etlichen Freikirchen recherchiert er verdeckt zum Thema Konversion. Dabei gewinnt er für ihn erschreckende Erkenntnisse.
Von Johannes Blöcher-Weil
Der Journalist Livio Chistell im Gespräch mit dem Wissenschaftler Adriano Montefusco

Der Journalist Livio Chistell ermittelt mit versteckter Kamera bei Schweizer Freikirchen. Dafür erfindet er die Geschichte, dass er homosexuell sei und sich heilen lassen wolle. Im Gespräch mit Lebensberaterinnen und Seelsorgern bekommt er spannende Antworten, wie er seine Homosexualität „heilen“ kann.

Er selbst begründet seine verdeckte Recherche damit, dass das Thema so umstritten sei. In dem Film agiert er mit dem erfundenen Namen Guido. Zunächst besucht er eine Lebensberaterin, die ihre Ausbildung am Institut für Christlichen Lebens- und Eheberatung gemacht hat. Sie lobt „Guidos“ mutigen Schritt, das Thema aufzuarbeiten.

In der für den Beitrag nachgestellten Szene sucht sie mit „Guido“ nach Ereignissen in der Kindheit, die für eine angebliche Entwicklung der Homosexualität relevant sein könnten. Unter anderem fällt der Satz, ob in der Kindheit etwas schiefgelaufen sei, ob es einen Vater-Komplex gebe oder Missbrauch stattgefunden habe. In etwa zehn Sitzungen, die 100 Franken kosten, wolle sie sich um das Problem kümmern.

Trotz wissenschaftlichem Konsens fragwürdige Methoden

Auch bei der zweiten Therapeutin wird der verdeckte Ermittler auf mögliche Traumata der Kindheit angesprochen, die man aufarbeiten müsse. Heilung könne sie nicht versprechen. Der SRF-Redakteur erläutert in kurzen Sequenzen, was ihn an den Begegnungen am meisten verstört. Es sei ja wissenschaftlicher Konsens, dass Homosexualität keine Krankheit ist. Auch dass Therapeuten die als überholt geltenden Methoden des Arztes Alfred Adler anwendeten, störe ihn.

Ohne versteckte Kamera findet das Treffen mit Mäth Gerber statt. Der freikirchliche Christ berichtet von seiner Lebensgeschichte. Er habe im Laufe seines Lebens gemerkt, dass er homosexuell empfinde. Über Jahre habe er gegen seine Homosexualität angekämpft, bis er gelernt habe, sie zu akzeptieren.

Am verstörendsten ist für den säkularen Journalisten der Termin bei der Heilsarmee. Dort, wieder mit versteckter Kamera, solle das Problem mit intensiven Gebeten behandelt werden. Die nachgesprochene Stimme sagt die Worte: „Im Namen Jesus Christus von Nazareth. Ich löse mich von dieser gleichgeschlechtlichen Liebe.“ Nachbeten darf „Guido“ die folgenden Worte: „In deinem Namen, Jesus Christus von Nazareth, löse ich mich von dieser Hingezogenheit zu Männern. Ich löse mich davon. Im Namen Jesus.“

Schweizer Allianz will Stellung beziehen

Der Religionswissenschaftler Adriano Montefusco kritisiert in dem Beitrag vor allem, dass die besuchten Personen oft keine Ahnung auf diesem Gebiet hätten. Die Konstrukte in diesem Milieu erstaunten ihn nicht: „In der Logik dieser Personen machen sie Sinn. Aus wissenschaftlicher Sicht nicht.“ Zudem gebe es in evangelikalen Bereichen ein starkes Abhängigkeitsverhältnis von Leitern. Der Journalist Chistell nimmt die Seelsorger und Therapeuten am Ende in seinem Fazit sogar noch teilweise in Schutz: „Sie handeln nicht aus Bösartigkeit. Aber sie machen es noch schlimmer, auch wenn es sei nicht wollen.“

In der Schweiz sind Konversionsmaßnahmen noch erlaubt. Hierzu gebe es aber neue parlamentarische Anträge, dies zu ändern. Im Nachgang zu den Recherchen hat der Journalist die Organisationen mit seinen Ergebnissen konfrontiert. Alle distanzieren sich in schriftlichen Stellungnahmen von Konversionstherapien. Die Heilsarmee betonte, dass sie solche nicht anbiete. Dem SRF-Reporter wirft sie dagegen vor, dass er unter Vorspielung einer falschen seelischen Not um Seelsorge gebeten hat: „Hätte sich der Reporter als Homosexueller geoutet und den Wunsch geäussert, diese ausleben zu wollen, wäre unser Seelsorgeteam anders vorgegangen als im Film dargestellt“, heißt es in der Reaktion, die das SRF auf der Website im Beitrag zum Film veröffentlichte.

Die Seelsorge der Heilsarmee erfolge nach klaren Grundsätzen. Sie erkenne die Gleichwertigkeit aller Menschen an. Niemand werde manipuliert oder ihm eine Überzeugung aufgedrängt. Heute Abend ist Marc Jost, Generalsekretär der Schweizerischen Evangelischen Allianz (SEA), in der „Rundschau“-Theke zu Gast und wird zu dem Thema Stellung beziehen. Das Netzwerk verschickte ebenfalls eine Pressemitteilung dazu, in der sich die SEA von sogenannten Konversionstherapien distanziert, wenn diese nicht den fachlichen therapeutischen Richtlinien entsprächen. Zugleich lehnt die SEA aber deren Verbot ab: „Abgesehen vom nicht ausgewiesenen Regulierungsbedarf ist zu befürchten, dass von einem Verbot auch legitime und hilfreiche Angebote betroffen wären“, heißt es in der Mitteilung.

Bei solchen Praktiken sei es in der Vergangenheit zu leidvollen Fehlern gekommen, „die wir bedauern“. Gleichwohl gebe es Menschen, die ihre homo- oder bisexuelle Orientierung konflikthaft erlebten und deshalb fachliche Begleitung suchten. Das Ziel dieser Angebote sei die ergebnisoffene begleitete Reflexion über die eigene sexuelle Identität, um einen individuell stimmigen Weg für eine ganzheitliche Lebensgestaltung zu finden. Ein Verbot von „Konversionstherapien“ drohe jedoch auch diese hilfreichen Angebote unter Generalverdacht zu stellen und damit Menschen mit einem legitimen Bedürfnis von wertvollen Hilfestellungen abzuhalten. Ihr Recht auf Selbstbestimmung sei zu respektieren. Die SEA setze sich dafür ein, dass christliche Seelsorge und Begleitung von homosexuell empfindenden Menschen keine unrealistischen Erwartungen fördere, „die eigenen professionellen Grenzen und Mandate wahrt, stets den Willen der begleiteten Person achtet, ihre Würde respektiert und ihre physische wie mentale Gesundheit schützt“.

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19 Antworten

  1. Da gäbe es in der Esoterik-Szene sicher fragwürdigere und bei weitem teurere angebliche Therapien zu kritisieren.

    Schlimmer aber ist, dass hier unter Vorspiegelung falscher Tatsachen der Versuch eine Skandalisierung vorgenommen wird. Unter pauschaler Verdächtigung von Freikirchen, Seelsorgern und Beratern.
    Wäre es nicht mindestens ebenso berichtenswert, wie sich viele Christen ehrenamtlich und engagiert in den verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen einbringen? In Flüchtlingshilfe, Kinder- und Jugendfürsorge, Nachbarschaftshilfe, Besuchsdienst in Krankenhäusern und Gefängnissen, …

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  2. Wenn die zuständige für Gemeinde Führung und auch unverfälschte Bibelwort Pastoren, ihren Aufgaben sich verweigern , macht sich der Neue-Alte Götze in den Gemeinden breit und somit breitetet sich eine Götzen Anbetung aus, und vertreibt aus der Gemeinden noch der Rest der Gläubigen weg . Ist doch einfach . Darum tut Buße und bekenne eure Sünden , weil sie sind immer noch dieselben , die durch die verantwortlichen Pastoren und Ältesten der Gemeinden, zu Tugend erhoben wurden.

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  3. Interessant, dass hier bei PRO auf die kritische Doku hingewiesen wird, während IDEA für den offen.bar Vortrag von Sam Allberry wirbt. Anschaulicher kann der Unterschied zwischen den beiden Medien nicht deutlicher gemacht werden.

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    1. Es ist doch prima, dass Pro und Idea nicht in jeder Ansicht und Berichterstattung „gleichgeschaltet“ sind !
      In diesem „Fall“ möchte ich mich ausdrücklich bei Dr. Johannes Blöcher —Weil für den interessanten, lesenswerten Beitrag ( in diesem Fall von „der PRO“ bedanken !😇👍

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  4. Der Journalist gibt sich nicht als homosexuell aus. Er ist homosexuell. Er gibt nur vor, dass er Veränderung / Heilung möchte.

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    1. Der 1. Satz im Text: „Ein Journalist des Schweizer Fernsehens gibt sich als homosexuell aus. „

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  5. Das ist ein Leichtes und kann auch mit anderen Themen und Therapeuten(-Gruppen) gemacht werden. Das ist kein Artikel wert.

    Wenn jemand selisch bedinget Konflikte im eigenen Körper vortäuscht um Helfende möglichst schlecht dar zu stellen und Skandal, Skandal zu rufen. Kann es dann sein, dass dieser Mann wirklich starke Probleme mit seiner Homosexualität hat?

    Zum Thema: Ich frage für einen Freund.

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  6. Es mag Gemeinden und Seelsorger geben die bei diesem Thema schwer überfordert sind, ist ja auch nicht einfach, strenges Bibelwort und gnädiges Handeln am Menschen in Einklang zu bringen.
    Staunen tu ich aber doch über Leute die sich als Christen bezeichnen und mit Leichtigkeit die ernsten Warnungen Gottes über sexuelles Fehlverhalten in den Wind schlagen. Fehlt es da an Gottesfurcht, oder ist Gott in ihren Augen ein passiver ewig lächelnder Buddha-Typ, ein zahnloser Tiger ?
    Das die säkulare Gesellschaft, Politik, Medien, Kulturschaffende göttliche Werte nicht mehr gelten lassen ist jetzt keine wirkliche Überraschung !

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  7. Staunen tue ich über Christen, die sich immer und immer wieder in denselben Floskeln gefallen, andere der Nichternsthaftigkeit zeihen und ihnen ein verqueres Gottesbild andichten. Derweil verweigern diese sich aber konsequent notwendigen hermeneutischen und historischen Erkenntnissen, um immer und immer wieder ihre homophoben Vorurteile in der Bibel bestätigt zu finden. Trairig – und moralisch verwerflich odendrein!

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  8. Sodom und Gomorra ist eine deutliche Warnung Gottes. zu dem Thema.
    Wenn Er heute anders denkt ist ER nicht der Selbe Heute und in Ewigkeit. Man sollte bei allen Überlegungen dies im Auge behalten auch wenn Sodom und Gomorra sich stark vergrößert hat.
    Gott liebt den Sünder und nicht die Sünde.

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    1. Verstehe ich nicht. Was hat Fremdenhass (deswegen hat Gott gestraft) mit Homosexualität zu tun?

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    2. @Stefan E.:
      Also alle Männer in Sodom waren schwul …. nun, da hätte sich Gott ja schon aus Gründen des Energiesparens die Vernichtung verkneifen können, denn dann wären die Sodomiter doch über kurz eh ausgestorben. Aber wie bloß kommt Lot darauf, dieser Horde vergewaltigungslüsterner schwuler Männer ein Mädchen anbieten zu wollen, das muss ja echt verlockend gewesen sein….
      Sie merken, Ihre Story funktioniert hinten und vorne nicht! Ganz davon abgesehen ist sie überaus schäbig, weil Sie (!) dergestalt Homosexualität generell mit einem schweren Sexualdelikt in Verbindung bringen!
      Wer lesen kann, ist klar im Vorteil!

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    3. In meiner Bibel steht das so: „da umstellten die Männer der Stadt das Haus, die Männer von Sodom, Jung und Alt, alles Volk von weit und breit.
      Sie riefen nach Lot und fragten ihn: Wo sind die Männer, die heute Nacht zu dir gekommen sind? Bring sie zu uns heraus, wir wollen mit ihnen verkehren.“

      Glaubt Ihr alle Männer in Sodom waren Homosexuell? Alle Männer Jung und Alt, alles Volk? Wie haben die sich denn vermehrt?

      Ich kann daraus nur ablesen, das heterosexuelle Männer, nicht vergewaltigen sollen, andere Menschen nicht demütigen sollen und das Gastrecht nicht brechen sollen.
      Gott kümmert sich um die Entrechteten.
      Die Verfehlungen heterosexueller Männer den homosexuellen Menschen anzupassen ist wirklich mies.

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  9. Die Frage ist doch, ob wir unsere Sichtweise den aktuell modernen Sichtweise anpassen oder uns auf die Deutung der Bibel verlassen. Ob wir jetzt sie direkt so sehen oder sie „historisch-kritisch“ verbrämen.

    Wenn ich von Geburt an eine Neigung hätte, mit mehreren Frauen intim sein zu wollen, sollte ich sie dann nicht auch ausleben dürfen? Mit welchem Recht sollte mir irgendjemand die Auslegung davon verbieten?
    Nur wenn wir das biblische Menschenbild annehmen, dass der Mensch durch und durch verdorben ist in Sünde (Unglauben Gott ggü.) kann dem Menschen auch geholfen werden.

    Ich finde der Artikel gibt einfach nur die Doku wieder. Ohne selber eine bibeltreue Sichtweise zu beleuchten. Schade. Vielleicht liest ihn ja auch ein nicht Christ & hätte so diese Sichtweise kennenlernen können. – Von Michael Kotsch gibt es hierzu eine sehr ausführliche Erklärung zur gelebten homosexuellen Praxis und all ihren Folgen.

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  10. Heute sind es die Ungeimpften die ausgegrenzt, diffamiert werden. Laut Herr Scholz sind sie für den jetzigen Zustand verantwortlich. Doch niemand sollte sich täuschen, morgen sind es die konservativen Christen. Das zeichnet sich schon lange ab. Vielleicht erkennen dann auch noch die letzten Christen, welche Leute uns regieren und was sie für Absichten haben.

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    1. Es ist schon sehr interessant, wie man von jemand, der ein Seelsorgebedürfnis heuchelt, zu ausgegrenzten Ungeimpften und dann zu Olaf Scholz und den von ihm angeblich verfolgten konservativen Christen kommen kann. Irgendwie muss es schön sein, sich permanent als Opfer zu fühlen. Wird da etwa ein Bereich im Gehirn angesprochen, der mir persönlich bisher unbekannte Glücksgefühle auslöst? Gibts da irgendwo eine Anleitung, etwa: Wie ich am Ende immer das Opfer bin? Bitte helft mir. Ich möchte auch mal Opfer sein.

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      1. Hallo Harald, dir kann geholfen werden. Einfach mal so tun als seist du nicht geimpft und dann mal alle Einschränkungen auskosten. Falls du dann noch den passenden Beruf hast, auf dein Gehalt verzichten. Oder als Selbständiger zusehen wie dein Lebenswerk den Bach runter geht. Was konservative Christen angeht, ist die geschilderte Geschichte im zwangsfinanzierten Fernsehen längst kein Einzelfall mehr.

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  11. Im Bereich seelischer Nöte gibt es nur einen, der das Therapieziel wählen kann: der Betroffene selber. Genau das wird verwehrt, wenn man „Konversionstherapie“ verbietet. Aber es gibt ja die Menschen, die sich mit ihren gleichgeschlechtlichen Gefühlen nicht identifizieren können und Veränderung wollen, es gibt auch Beispiele erfolgreicher Veränderung. Warum dürfen sie ihr Therapieziel nicht frei bestimmen?
    Die behauptete „wissenschaftliche Erkenntnis“ gibt es nicht, sondern politisch gesetzte Überzeugungen, die sich unter dem Eindruck gesellschaftlicher bzw. medialer Mehrheiten allmählich verändert haben.
    Aktivisten wie Livio Chistell wollen Homosexualität als natürlich und unabänderlich darstellen, das mögen sie tun. Aber Andersdenkende anzuklagen, anzuprangern, möglichst vor Gericht zu bringen, dieses immer beliebter werdende Spiel ist unrecht.

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  12. Warum haben die Kirchen den Journalisten nicht einfach gefragt ob dieser sich taufen lassen wolle? 😉
    Wundert mich ehrlich gesagt schon, das dieser Schwindel nicht aufgeflogen ist.

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