Trauer, Trost und Hilfe

Nach der Flutkatastrophe im Westen Deutschlands sind zahllose Helfer vor Ort. Gemeinden richten Krisenstäbe ein, Seelsorger leisten Beistand. Die Not ist erschütternd, aber Gottes Hilfe auch ganz konkret zu sehen.
Von Jonathan Steinert
Flut, Überschwemmung, Katastrophe, FeG Eupen

Mit Gottes Hilfe hat Hubert Schilles den Abfluss der Steinbachtalsperre bei Euskirchen freigebaggert – und so dazu beigetragen, dass der Damm nicht bricht. 18 Meter unter dem Wasserpegel habe er gestanden, sagte er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Wäre der Damm in dem Moment gebrochen, hätte es keine Überlebenschance gegeben. Das habe er gewusst und trotzdem keine Angst gehabt, sagte er.

„Wissen Sie, ich bin ein gläubiger Mensch. Ich habe mich zwei Mal gesegnet, als ich runter gefahren bin. ,Du Herr, musst wissen, was passiert‘, habe ich gesagt. Und ich hatte keine Sekunde Angst.“ Das Risiko habe der 68-jährige Geschäftsführer eines Tiefbauunternehmens niemanden seiner Mitarbeiter zumuten wollen. Ihm sei bewusst gewesen, was er tue. „Und das hat mit Hilfe von Gott gut funktioniert.“ Er ergänzt, dass das auch jeder andere gemacht hätte und er nicht „auf einen Eimer gehoben“ werden wolle. Und würdigt besonders einen Mitstreiter, der einen Schieber in der Staumauer öffnen musste, während er baggerte.

Billiger Trost hilft nicht

Nach der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen mit mehr als 150 Todesopfern sind zahllose Helfer im Einsatz, Notfallseelsorger kümmern sich um die Betroffenen. Die Evangelische Allianz Bonn/Rhein-Sieg etwa hat einen Krisenstab eingerichtet, um Betroffene aus den Mitgliedsgemeinden und deren Nachbarn zu unterstützen. Im Ahrtal seien Gemeindehäuser zerstört oder stark beschädigt, teilt Mario Wahnschaffe gegenüber PRO mit. Der Leiter der Freien Christengemeinde Bonn, die zum Bund freikirchlicher Pfingstgemeinden gehört, koordiniert den Krisenstab. Es gehe darum, die konkreten Bedarfe und Nöte bei den Betroffenen festzustellen, Material und Werkzeuge zu beschaffen, die Einsätze mit Helfern und Teamleitern abzustimmen.

„Viele Menschen sind unter Schock oder haben durch das schreckliche Sterben hier vor Ort schwere Traumata erlitten“, sagt Wahnschaffe. Viele hätten ertrinkende Menschen schreien gehört oder Leichen gesehen. „Die seelsorgerischen Gespräche gestalten sich aufgrund des Schocks und des Traumas schwierig. Die beste Seelsorge ist hier, keinen billigen Trost oder Erklärungen zu geben, da es keine Antwort auf dieses Leid gibt, sondern nur Mitgefühl und aufmerksames Schweigen zu schenken.“

Die Intensität und die geballte Masse der Ereignisse mit tausenden Betroffenen sei auch für die Notfallseelsorger eine Herausforderung, sagte Bianca van der Heyden dem Evangelischen Pressedienst. Sie koordiniert die Notfallseelsorge der rheinischen Landeskirche. „Die Lage erschüttert selbst hartgesottene, ganz erfahrene Kräfte“, sagte sie. Betroffene brauchten jetzt vor allem ein Gefühl von Sicherheit. Die Katastrophe habe das Urvertrauen der Menschen erschüttert, die ihr Hab und Gut oder auch Menschen verloren hätten.

Die Evangelische Kirche im Rheinland hat einen digitalen Klageraum eingerichtet. Dort können Menschen über die Sozialen Medien und dem Hashtag #unwetterklage posten, was sie angesichts dieser Not „vor Gott bringen möchten“. Es solle ein Raum sein zum Klagen, Bitten, Trauern.

Im Nachbarhaus werden Leichen geborgen

Marcus Ahrend von den „Friends of Jesus“ aus Altenkirchen im Westerwald entschied Sonntagabend spontan, mit zwei Freunden ebenfalls im Krisengebiet zu helfen. So fuhren sie Montagmorgen ins 45 Minuten entfernte Ahrtal in Rheinland-Pfalz. Allein in dieser Region starben 116 Menschen durch das Hochwasser. Das Epizentrum ist nur noch für schweres Gerät zugänglich, so parkten sie außerhalb und machten sich mit ihren Schubkarren auf den Weg. Ahrend beschreibt die Situation vor Ort: „So etwas hab ich noch nie gesehen. Überall waren Matsch und Trümmerhaufen, kaputte Autos wurden aufeinander gestapelt. Es sah aus wie im Krieg.“

Sie trafen unterwegs auf eine junge Frau, deren Eltern und Großeltern zum Duschen zu ihr gekommen waren: Deren Haus im Ortskern ist seit der Überschwemmung ohne Strom und Wasser. Die drei Helfer begleiteten die Familie und halfen, einen Stromgenerator in das stark beschädigte Haus zu transportieren. Das komplette Erdgeschoss war schon leer geräumt. Lediglich die Schlammschicht an den Wänden ließ erahnen, was hier passierte. Aus den Nachbargebäuden wurden Leichen geborgen, das hat die Familie gesehen. „Jeder sollte beten oder spenden und wer kann, vor Ort helfen“, sagt Ahrend. Nächstenliebe ist seine Motivation. „Das ist unsere Möglichkeit, ein Licht zu sein. Helfen ist gut, aber wir können in den einzelnen Situationen auch Trost spenden.“ Die ersten Grilleinladungen für die Zeit nach der Krise wurden schon ausgesprochen und gemeinsam mit seinen Freunden plant Ahrend mittlerweile den nächsten Einsatz.

Auch die christliche Hilfsorganisation Samaritan’s Purse ist mit ehrenamtlichen Mitarbeitern vor Ort, unterstützt Flutopfer in der Region Köln bei Aufräumarbeiten und leistet seelischen Beistand durch Gespräche und Gebet. Geplant ist zudem eine Essensausgabe für rund 400 Menschen, die derzeit keinen Strom haben. „Als wir das erste Mal kamen und fragten, ob wir helfen können, waren die Anwohner skeptisch. Sie konnten sich nicht vorstellen, dass einfach jemand ohne Gegenleistung helfen will. Aber als wir später mit Notstromaggregaten wiederkamen, waren sie so glücklich und haben sich tausendmal bedankt“, sagte Projektleiter Jan Suckau.

Bibeln auf dem Sperrmüll

Nicht nur in Deutschland, auch in Belgien und den Niederlanden hat das Unwetter schwere Schäden hinterlassen. Von den Überschwemmungen in Belgien ist auch die Freie evangelische Gemeinde (FeG) Eupen betroffen. Die Räumlichkeiten, die 2007 nach drei Jahren Umbau eingeweiht wurden, sind seit voriger Woche komplett unbrauchbar. Das Gebäude steht circa 50 Meter vom Flussufer der Hill entfernt. Nachdem die Wesertalsperre geöffnet werden musste, verbanden sich die Wassermassen und wurden zum reißenden Fluss.

Berthold Lamparter ist Pastor der Gemeinde im Gebiet der „Deutschsprachigen Gemeinschaft“ in Ostbelgien. Er durfte erst am Samstag, drei Tage nach der Katastrophe, die Räume seiner Gemeinde wieder betreten. Nicht nur Schlamm, sondern auch Farbe einer nahegelegenen Druckerei habe einen Großteil des Inventars zerstört. Ein Teil seiner 25 Gemeindemitglieder befinde sich derzeit im Urlaub, die Restlichen packten beim Aufräumen mit an, auch Freunde und Bekannte aus der Region und aus Lamparters voriger Gemeinde in Flandern. „Das, was die anderen gerade raustragen, würde ich am liebsten wieder mit reinnehmen, weil es so wertvolle Sachen sind.“ Pastor Lamparter wird emotional bei der Tatsache, dass selbst Bibeln jetzt zum Sperrmüll gehören.

Er lobt jedoch das belgische Krisenmanagement: 2.000 Menschen wurden vorab evakuiert und nur zwei Todesfälle sind zu beklagen. Wann die Gottesdiensträume wieder benutzbar sein werden, kann er noch nicht abschätzen. „Wir hatten während der Pandemie die Gottesdienste auf Zoom umgestellt, darauf können wir jetzt zurückgreifen.“ Am Sonntag streamte er schon von zu Hause aus. Was er sich neben der praktischen Hilfe wünscht? „Gebet! Vor allem ein Gebet, das über die jetzige Situation hinausgeht. In Belgien gibt es nur noch wenige praktizierende Christen. Wir brauchen Erweckung!“

Von: Jonathan Steinert und Hannes Buchmann

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2 Antworten

  1. Ich bin so dankbar ins total gerührt wie Herr Schilles immVertrsuen auf Gott gehandelt hat. Mir standen die Tränen in den Augen als ich im Fernsehen gesehen hab was er getan hat. Ich bin so dankbar, dass es solche Vorbilder gibt.

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