Theologe: Sanktionen erschweren Hilfe im Nahen Osten

Weltweit werden Menschen aufgrund ihres Glaubens bedrängt, verfolgt und benachteiligt. Über die Lage der Christen im Nahen Osten haben Experten bei einer Veranstaltung der Katholischen Akademie Berlin diskutiert. Der Theologe Markus Dröge forderte die Politik auf, ihre Sanktionspolitik zu überdenken. Dies könne Türen öffnen.
Von Johannes Blöcher-Weil
Christen in Syrien

Viele Gläubige weltweit nehmen Gefahren und Nachteile in Kauf. Dies wurde bei der Podiumsdiskussion „Was tun? Zur Lage der Christen im Nahen Osten!“ in der Katholischen Akademie in Berlin am Mittwoch deutlich. Davon seien sowohl Christen als auch Angehörige anderer Religionen und Weltanschauungen betroffen.

Der frühere Berlin-Brandenburger Landesbischof Markus Dröge, Vorsitzender der Evangelischen Mittelost-Kommission, betonte die Verantwortung der Kirchen für die Christen des Nahen Ostens: sowohl für diejenigen, die in Syrien lebten, als auch für diejenigen in Deutschland: „Die Flüchtlingswelle hat klar gemacht, dass hier Nachholbedarf besteht. Es muss möglich sein, dass dort wieder christliches Leben wachsen kann.“ Die Situation vor Ort sei verheerend: „Die Hilfsorganisationen tun, was sie können.“

Der Theologe Markus Dröge Foto: Katholische Akademie Berlin/Screenshot pro
Der Theologe Markus Dröge fand deutliche Worte zur Situation der Christen im Nahen Osten.

Es sei oft schon schwer, Geld an Hilfsorganisationen zu überweisen, weil das Geld dort durch die Sanktionen nicht bei den Menschen ankomme: „Wir dürfen keine Fördermittel einsetzen in Gebieten, die vom syrischen Staat kontrolliert werden.“ Er rief die Politik dazu auf, die eigene Sanktionspolitik zu überdenken: „Der Nahe Osten ist das Ursprungsland des Christentums. Aber die Christen werden dort verschleppt oder zur Konversion gezwungen.“ Auch über Syrien hinaus sei ein differenzierter Blick notwendig: „Wir müssen uns für die Vielfalt in Einheit aussprechen, aber es wird immer schwieriger.“

„Persönliche Schicksale brechen mir das Herz“

Maria Flachsbarth, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, bedauerte, dass Syrien aus dem Blickfeld vieler Menschen verschwunden sei. 80 Prozent der Bevölkerung lebten unterhalb der Armutsgrenze: „Die persönlichen Schicksale brechen mir als katholischer Christin und Mutter das Herz.“

Flachsbarth wies darauf hin, dass aus Deutschland seit 2012 vier Milliarden Euro an internationale humanitäre Organisation geflossen seien – unabhängig von deren Religion oder Ethnie. Trotzdem zog sie ein ernüchtertes Fazit: „Im Weltsicherheitsrat gibt es keine Mehrheit, die den Frieden in Syrien will. Dort werden Stellvertreterkriege geführt.“

„Wir müssen dort hinschauen, ob nicht andere Lösungen möglich sind“, sagte Flachsbarth weiter. Das Problem sei nur politisch zu lösen: „Die Sanktionen bedeuten nicht, dass Deutschland sich dort nicht humanitär engagiere: aber multilateral und nicht bilateral. Die gewünschte Perspektive kann ich ihnen nicht geben.“ Sie hoffe, dass die jungen Menschen später wieder in ihre Länder zurückkehrten, um beim Aufbau ihres Vaterlandes mitzuhelfen.

„Tradition, Kultur und Sprache werden uns genommen“

Erzpriester Elias Esber aus Syrien berichtete aus eigener Anschauung. Der Beauftragte für Flüchtlinge und Migration der Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland kritisierte, dass Christen als Minderheit behandelt würden: „Aber wir sind die Ureinwohner Syriens. Das ist unsere Kultur, Sprache und Tradition. Sie wird uns genommen.“

Christen müssten erst Appelle starten und um Hilfe bitten: „Die Hilfe kommt in Flüchtlingslagern an, aber nicht bei Christen in Syrien.“ Zudem werde das Geld in Syrien immer mehr entwertet: „Was vor vier Jahren 300 Dollar wert war, sind heute nur noch 30 Dollar. Davon kann kaum jemand leben.“

Aus Sicht von Uwe Heimowski (Beauftragter beim Deutschen Bundestag der Evangelischen Allianz in Deutschland) müsse es gelingen, den Exodus der verfolgten Christen zu verhindern. Katrin Visse (Katholische Akademie in Berlin) mahnte, diejenigen in den Blick zu nehmen, denen die westliche Welt ihr Christsein zu verdanken habe, und um Lösungen zu ringen.

Gemeinsam mit drei Bischöfen überreichte Amir Gorgis von der syrisch-orthodoxen Gemeinde in Berlin einen Appell an Staatssekretärin Flachsbarth, der zur größerem Unterstützung der christlichen Gemeinden im Nahen Osten aufrief: „Wir müssen die multireligiöse Gesellschaft dort erhalten. Das ist auch wichtig für andere Minderheiten. Die Christen werden dort gebraucht. Ansonsten ist die Sorge groß, dass der gesamte Nahe Osten ausgeblutet wird.“

Initiiert haben die Veranstaltung die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK), der Ökumenische Rat Berlin-Brandenburg (ÖRBB), die Evangelische Allianz in Deutschland (EAD) und die Katholische Akademie in Berlin. Moderiert wurde sie von der Journalistin Wiltrud Rösch-Metzler (Pax Christi).

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