Serie über ein dunkles Kapitel der Kirche in Irland

Über 100 Jahre lang beuteten katholische Schwestern in Irland junge Mütter aus und nahmen ihnen deren Kinder weg. Eine britische Miniserie auf dem Streamingdienst Paramount+ greift diese düstere Vergangenheit der Katholischen Kirche auf.
Von Jörn Schumacher
Der sechsteilige britische Psychothriller „The Woman in the Wall“ befasst sich mit den Vorkommnissen in den sogenannten Magdalenen-Heime der Katholischen Kirche in Irland

Die Serie „The Woman in the Wall“ behandelt ein düsteres Kapitel der Katholischen Kirche in Irland. In den „Magdalene Laundries“, in Wäschereien der „Magdalenen-Heime“, mussten minderjährige Schwangere auf Druck der Ordensschwestern Zwangsarbeit leisten. Ihre Babys wurden zur Adoption freigegeben. Wenn Kinder starben, wurden sie heimlich verscharrt.

Das dunkle Kapitel wurde an die Öffentlichkeit getragen, als 1993 auf dem Gelände einer Kongregation in Dublin 155 Gräber von unbekannten Kindern gefunden wurden. Die im 18. Jahrhundert entstandene Bewegung sollte ursprünglich jungen Frauen, vor allem Prostituierten, helfen, die schwanger geworden waren. Doch die Katholische Kirche baute darauf ab 1829 ein System der Ausbeutung auf, das auf den Schuldgefühlen der „gefallenen Frauen“ basierte.

Erst 1996 schloss das letzte dieser Heime. Im 19. und 20. Jahrhundert wurden schätzungsweise 30.000 Frauen in diesen Anstalten eingesperrt. Im Jahr 2013 wurde eine formelle staatliche Entschuldigung veröffentlicht, und die irische Regierung richtete ein Entschädigungssystem für Hinterbliebene ein, das bis 2022 und nach einer Verlängerung des Systems 32,8 Millionen Euro an 814 Hinterbliebene ausgezahlt hatte.

„Ich will, dass sich der Papst bei uns entschuldigt!“

Der sechsteilige britische Psychothriller „The Woman in the Wall“ spielt im Jahr 2015 in einem fiktiven irischen Ort namens Kilkinure. Lorna Brady war damals in das örtliche Magdalenenheim gesteckt worden, weil sie schwanger wurde. Jetzt, 30 Jahre später, wird sie fast verrückt, die Erinnerungen an die Zeit im Heim verfolgen sie. Ihr wurde nie gesagt, was aus ihrer Tochter wurde, die sie damals in dem Heim zur Welt brachte.

Lorna flüchtet in eine Parallelwelt; wenn sie schläft, tut sie schlimme Dinge, rammt ein Messer in ein Gemälde von Jesus, schwingt eine Axt gegen eine Marien-Statue oder fackelt ein Auto ab. „Entschuldigung, Jesus“, sagt sie danach in tiefer Reue. Sie ist dazu verdammt, einerseits fest vom Tod ihrer Tochter auszugehen, andererseits aber immer wieder Halluzinationen zu erleben, die suggerieren, sie könnte doch noch irgendwann wieder auftauchen.

Mehrere Frauen, denen damals das gleiche Unrecht erlitten haben, bilden ein Netzwerk, um „endlich Gerechtigkeit“ zu erfahren. Doch was heißt das eigentlich? Rache? Die Initiatorin der Gruppe stellt klar: Das Mindeste wäre es, wenn die irische Gesellschaft von den Taten erfährt, dass diese in den Schulen durchgenommen werden und es vielleicht einen Gedenktag im irischen Kalender gibt.

Dass die Kirche die Taten verschweigt, sei das Schlimmste an allem. Eine Betroffene ruft wütend: „Ich will, dass der Papst den ganzen Weg von Rom nach Kilkinure tuckert in seinem dämlichen verschissenen Papamobil und sich bei jeder einzelnen von uns entschuldigt!“ Dann wird in Dublin ein Priester ermordet. Der Dubliner Polizist Colman Akande ermittelt in dem Mord; er ist selbst ein adoptiertes Magdalenenkind. Hat die Selbsthilfegruppe traumatisierter Magdalenenmütter etwas mit dem Mord zu tun?

Die Oberschwester von damals leugnet jedenfalls, dass es überhaupt Unrecht in den Heimen gab. „Es war ein Schulungszentrum“, lautet die offizielle Bezeichnung der Kirche, der sich auch die Nonnen anschließen. Es seien damals lediglich „ein paar junge Frauen“ zum Kloster gekommen, die „Probleme“ gehabt hätten. „Das war alles“, meint die Ordensschwester. Die Nonnen hätten sich dann unentgeltlich um sie gekümmert. Natürlich der blanke Hohn angesichts der längst aufgedeckten tatsächlichen Hintergründe der Magdalenenheime.

„The Woman in the Wall“ will sicher keine historische Fakten zu den Fällen der Misshandlung und des Menschenhandels im Namen der Kirche aufarbeiten, sondern eine unterhaltsame Krimiserie sein. Dennoch schafft sie es, ein wertvolles Schlaglicht auf dieses dunkle Kapitel der irischen katholischen Kirche zu werfen. Und das auf sehenswerte Art und Weise und mit guten Schauspielern. Sehenswert und wahrscheinlich durchaus realitätsnah ist zudem der Versuch der betroffenen Frauen, heute trotz der schlimmen Erinnerungen und der Unsicherheit, was aus dem eigenen Kind wurde, ein normales Leben zu führen. Was heißt eigentlich Gerechtigkeit, Wiedergutmachung, wie kann man vergeben?

„The Woman in the Wall“, sechs Episoden, seit 20. Januar bei Paramount+

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