„Belfast“: Liebe statt Krieg

In dieser Woche startet der Film „Belfast“ in den deutschen Kinos. Er zeigt Nordirland im Jahre 1969, Katholiken kämpfen gegen Protestanten, Autos stehen in Flammen, Molotowcocktails explodieren. Und mittendrin lebt der neunjährige Buddy, der sich ein wenig für Religion, aber viel mehr für seine hübsche Klassenkameradin interessiert.
Von Anna Lutz

Eine Weggabelung bereitet dem neunjährigen Buddy (Jude Hill) Kopfschmerzen. Sein protestantischer Pfarrer hat in seiner letzten Predigt von ihr gesprochen. Wo die Wege auseinandergehen, da müsse jeder Mensch eine Entscheidung treffen – und folge er der falschen Straße, lande er im Verderben. Aber was bedeutet das? Für was muss Buddy sich entscheiden? Und wann? Immer wieder grübelt der Grundschüler darüber nach und kommt doch zu keinem Schluss.

Dabei scheint die Antwort auf der Hand zu liegen: Im Jahr 1969 in der nordirischen Hauptstadt Belfast verläuft die mutmaßliche Grenze zwischen Gut und Böse entlang konfessioneller Grenzen. Auf der einen Seite stehen die Katholiken, auf der anderen die Protestanten. Es kommt zu Ausschreitungen, Molotowcocktails fliegen, Geschäfte werden geplündert und Banden gegründet. Nordirland befindet sich im Bürgerkrieg.

Mitten in diesen Unruhen lebt Buddy mit seiner Familie. Während die Großmutter (Judi Dench) überzeugte Protestantin ist, sind Buddys Eltern (Caitriona Balfe und Jamie Dornan) wenig religiös und bemühen sich, den gewalttätigen Konflikten fernzubleiben. Ein Ding der Unmöglichkeit, wie sie im Laufe des Films schmerzhaft feststellen müssen. Denn nicht nur ein protestantischer Nachbar fordert unter Androhung von Gewalt von ihnen, sich für eine Seite zu entscheiden. Auch Buddys älterer Bruder wird an der Schule in die allerorts schwelenden Konflikte hineingezogen. Über allem steht deshalb für Buddys Eltern die Frage: Gehen oder Bleiben?

Im nahen England winkt eine dauerhafte Existenz ohne Gewalt und Sicherheit für die Söhne, denen der Glaube, um den es beim Nordirkandkonflikt ja eigentlich geht, wenig bedeutet. „Ich habe für heute genug von Gott“, sagt Buddy etwa, als er versucht, die Unterschiede zwischen Katholiken und Protestanten zu verstehen – und am Ende doch nicht zu begreifen vermag, warum eine Seite besser sein soll als die andere. Für Buddy zählen im Leben nur zwei Dinge: Das katholische Mädchen aus seiner Klasse, in das er verliebt ist. Und seine Großeltern, die er niemals verlassen will.

Krieg ist nur die Kulisse

Regisseur Kenneth Branagh erzählt mit „Belfast“ deshalb nicht die Geschichte eines religiösen Konflikts. Dieser bietet lediglich die Kulisse für sein wie ein Kammerspiel anmutendes Stück, denn der Film spielt in nur einem Abschnitt einer Straße mitten in Belfast, die durch Stacheldraht und Barrikaden von den Katholiken nebenan abgetrennt ist. Ganz selbstverständlich bewegen sich seine Figuren durch die unwirtliche Gegend und doch wirkt das ganze wie eine nordirische Version der 80er-Jahre-Serie „Wunderbare Jahre“.

Ein Junge entdeckt das Leben, die Liebe, die Höhen und Tiefen des Lebens – und dass um ihn herum gerade Krieg herrscht, ist nur ein Teil seiner Geschichte, bestimmt sie aber nicht. Eine Fußnote. So bewegen sich die Hauptfiguren ganz selbstverständlich durch die von Aufständen, Explosionen und Bränden gezeichnete Reihenhausgegend. Was hier zählt, ist nicht die Schönheit der Bilder, sondern die Schönheit des Lebens selbst, das wird auch durch die Erzählung in Schwarz-Weiß deutlich.

Foto: Universal
Buddy mit seinen Großeltern im Film „Belfast“: v.l. Judi Dench, Jude Hill und Ciarán Hinds

Branagh gelingt es, die Beiläufigkeit, mit der sich dramatische historische Ereignisse im Spiegel der Kindheit vollziehen, darzustellen, ohne aber den Nordirland-Konflikt an sich zu verharmlosen. Das macht Mut, weil es klarstellt: Da ist immer noch mehr als die politische Lage, in der wir uns befinden. Kinder wachsen auf, ob in Friedenszeiten oder im Krieg und offenbar treiben sie ähnliche Dinge um, die gar nichts mit den Umständen ihres Aufwachsens zu tun haben.

In der Liebe zu Buddys katholischer Schulkameradin zeigt Branagh zugleich die Absurdität der konfessionellen Grenzlinien. Denn selbstverständlich ist es den Kindern völlig egal, ob sie katholisch oder protestantisch erzogen wurden. Die Weggabelung scheint am Ende des Films vergessen. Zumindest jene, die der Pfarrer meinte. Tatsächlich findet sich Buddy an einer für ihn viel wichtigeren wieder: Wird er seinen Schwarm je wiedersehen, wenn er selbst Nordirland verlässt? Liebe ist wichtiger als Krieg, wichtiger als Religion. Das ist die naive, schlichte und doch herzergreifende Botschaft von Belfast.

Foto: Universal
Belfast, 2021, 98 Minuten, FSK 12, Starttermin 24.02.21
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Eine Antwort

  1. Nach einigen Jahren könnte solch ein Roman oder Film mit ähnlicher Handlung , auch über den russ. „Bruderkrieg“ an der ukrainischen Grenze zwischen russ. orthodoxen Christen aus Moskau, oder der Geschwister Kirche in Kiew anhängend, bzw. evang. oder kath. Christen geschrieben und verfilmt werden. Als Ehrengast der Filmvorführung könnten dann die derzeitigen Präsidenten Putin und Lukaschenko eingeladen werden die dann über Liebe und Freundschaft innerhalb einer Nation reden werden.

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