Die Bundesländer haben sich auf ein neues Verfahren zur Festsetzung der Höhe des Rundfunkbeitrags geeinigt. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD) bezeichnete das Verfahren am Donnerstag nach dem Treffen der Ministerpräsidentenkonferenz in Berlin als „Durchbruch“. Die Finanzierung soll ab 2027 neu geregelt werden, bis dahin soll der Rundfunkbeitrag nicht steigen. Bayern und Sachsen-Anhalt wollen diesen Beschluss aber nur dann in das parlamentarische Verfahren geben, wenn ARD und ZDF ihre Verfassungsbeschwerde zum Rundfunkbeitrag zurückziehen.
Die Sender hatten im November beim Bundesverfassungsgericht eine Beschwerde eingereicht, um eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags zu erreichen. Der Empfehlung der Finanzkommission KEF, den monatlichen Beitrag von derzeit 18,36 Euro zum Jahreswechsel um 58 Cent zu erhöhen, waren die Länder bisher nicht gefolgt. Schweitzer äußerte erneut seinen Unmut über die Beschwerde und appellierte an die Sender, diese zurückzuziehen.
Der ARD-Vorsitzende Kai Gniffke erklärte auf epd-Anfrage, der Senderverbund halte trotz des neuen Beitragsfestsetzungsverfahrens an der Klage fest. Weil die Länder sich nicht an das verfassungsgemäße Verfahren zur Umsetzung des KEF-Vorschlags hielten, sei es wichtig, diese Frage vom Bundesverfassungsgericht prüfen zu lassen und nicht noch eine weitere Ministerpräsidentenkonferenz abzuwarten, sagte Gniffke.
Das Widerspruchsmodell
Auch nach dem neuen Modell für die Berechnnung des Rundfunkbeitrags sollen ARD, ZDF und Deutschlandradio künftig ihren Bedarf bei der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) anmelden. Die KEF prüft anschließend wie gehabt die Anmeldungen und gibt eine Empfehlung für eine neue Rundfunkbeitragshöhe für die nächsten vier Jahre ab.
Bisher müssen sich zunächst die Länderchefs auf eine neue Beitragshöhe auf Basis der KEF-Empfehlung einigen, danach muss der unterzeichnete Änderungsstaatsvertrag von allen Landesparlamenten gebilligt werden. Stimmt nur ein Land nicht zu, tritt der Vertrag nicht in Kraft.
Künftig müssen die Länder nicht mehr aktiv zustimmen, sondern können ein Widerspruchsrecht nutzen. Wie hoch die nötige Widerspruchsquote ist, soll sich nach dem von der KEF errechneten Grad der Steigerung richten. Bei einer vorgeschlagenen Steigerung bis zu zwei Prozent ist ein Widerspruch durch mindestens drei Länder erforderlich. Liegt die vorgeschlagene Steigerung zwischen zwei und 3,5 Prozent, ist ein Widerspruch durch mindestens zwei Länder erforderlich. Bei einer vorgeschlagenen Steigerung von 3,5 bis fünf Prozent ist ein Widerspruch durch mindestens ein Land erforderlich.
Wird die jeweilige Widerspruchsquote erreicht oder liegt die empfohlene Erhöhung über fünf Prozent, greift das aktuelle Verfahren mit einer erforderlichen Zustimmung aller Bundesländer.
Der Systemwechsel zum neuen Widerspruchsmodell soll nach dem Beschluss der Ministerpräsidenten bei der Festsetzung des Rundfunkbeitrags ab 2027 auf der Basis einer aktuellen Beitragsberechnung durch die KEF erfolgen. Bis dahin soll der bisherige Rundfunkbeitrag in Höhe von 18,36 Euro gelten.
Als der Rundfunkbeitrag Anfang 2021 zuletzt erhöht werden sollte, blockierte Sachsen-Anhalt das, indem der Landtag gar nicht darüber abstimmte. Eine Klage der Sender vor dem Bundesverfassungsgericht war erfolgreich. Das Gericht erklärte damals: Alle Länder müssen die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nach dem geltenden Verfahren gemeinsam sicherstellen. Hält ein Land es für nötig, vom Vorschlag der KEF abzuweichen, muss es mit den anderen Bundesländern ein Einvernehmen erzielen.
Sachsen-Anhalt hatte seine Weigerung damals damit begründet, dass es sich vergeblich um Strukturreformen bemüht habe. Doch davon dürfen die Länder nicht abhängig machen, ob sie dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk das nötige Geld zur Verfügung stellen, betonte das Gericht. Denn das beschneide die Rundfunkfreiheit. Die Finanzierung müsse unabhängig von sonstigen medienpolitischen Entscheidungen sein. Mit dem Reformstaatsvertrag und dem neuen Modell zur Beitragsfestsetzung legen die Länder nun für beide Felder Lösungen vor.
Ministerpräsident Schweitzer hält es für vertretbar, den Rundfunkbeitrag für die kommenden zwei Jahre nicht zu erhöhen. Es gebe eine Rücklage von rund einer Milliarde Euro, auf die die öffentlich-rechtlichen Sender zunächst zurückgreifen sollten. Darauf verwies auch das Land Brandenburg.
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) verteidigte die Verfassungsbeschwerde der Sender und kritisierte die Länder. „Mit dem inflationsbedingten Weniger in den Kassen können die Sender nicht auf Dauer das hohe journalistische Niveau ihrer Informationssendungen halten“, sagte der DJV-Bundesvorsitzende Mika Beuster. Kritik kam auch von der Gewerkschaft ver.di. Christoph Schmitz-Dethlefsen, Mitglied im Bundesvorstand, sprach von einem „düsteren Tag“ für die öffentlich-rechtlichen Medien und deren Beschäftigte.
Die Länder verständigten sich bei ihrem Treffen auch darauf, den Reformstaatsvertrag, auf den sie sich bereits im Oktober geeinigt hatten, den 16 Landesparlamenten zeitnah zuzuleiten. Nach der Reform sollen etwa die ARD-Hörfunkwellen von 70 auf 53 reduziert und Fernsehprogramme zusammengelegt werden. Die Länder haben zudem den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag beschlossen. Dieser definiert vor allem neue Anforderungen für Anbieter von Betriebssystemen beim technischen Jugendmedienschutz.
Für diese beiden Staatsverträge beginnt nun die Vorunterrichtung der Landtage. Danach müssen die Vertragswerke von den Regierungschefs unterzeichnet und von allen 16 Landesparlamenten ratifiziert werden. Medienpolitik ist Aufgabe der Bundesländer, Rheinland-Pfalz koordiniert deren Austausch und Gesetzgebung bei diesem Thema.
Von: epd/Jonathan Steinert