Richard Dawkins plötzlich „kultureller Christ“

Bis vor kurzem war für den britischen Atheisten Richard Dawkins das Schlimmste, was ein Mensch tun konnte: an Gott zu glauben. Auf einmal ist das Christentum für den Biologen nicht mehr ganz so schlimm.
Von Jörn Schumacher
Richard Dawkins


Er ist bekannt für sein Buch „Der Gotteswahn“, das Menschen von ihrem „krankhaften“ Glauben „befreien“ sollte. Der Biologe Richard Dawkins bedachte den Gott der Bibel mit fantasievollen Schimpfnamen, er wünschte sich, dass das Christentum ausstirbt. Auf einmal jedoch hat der bekannteste Atheist der Welt Angst, dass das Christentum in Großbritannien aussterben könnte. In einer Radiosendung ließ er sich am Ostersonntag sogar zu Aussagen hinreißen wie: „Das Christentum ist eine anständige Religion“ und „Ich bin im Team Christentum!“

Ostersonntag, im britischen Radiosender „Leading Britain’s Conversation“ (LBC) ist der weltbekannte Atheist Richard Dawkins zu Gast. Sein 2006 erschienenes Buch „Der Gotteswahn“ (Originaltitel „The God Delusion“) landete weltweit auf den Bestsellerlisten. Er wolle jeden religiösen Leser, zu einem Atheisten machen, hatte er über seine Intention einmal gesagt. Auf die Frage der Radio-Moderatorin von LBC, wie seine Osterbotschaft laute, sagte Dawkins: „Ich muss sagen, ich war ein wenig entsetzt, als ich hörte, dass der Ramadan hierzulande so unterstützt wird. Wir sind kulturell ein christliches Land, und ich bezeichne mich selbst als kulturell christlichen Menschen.“ „Leading Britain’s Conversation“ ist eine seit 1973 laufende private Talkradio-Station aus London.

„Christentum ist grundsätzlich anständige Religion“

Der 83-jährige Evolutionsbiologe fügte hinzu: „Ich bin kein Gläubiger, aber es gibt einen Unterschied zwischen einem gläubigen Christen und einem kulturellen Christen. Ich liebe Kirchenlieder und Weihnachtslieder. Ich fühle mich im christlichen Ethos irgendwie zu Hause. Ich habe das Gefühl, dass wir in diesem Sinne ein christliches Land sind. Es stimmt, dass statistisch gesehen die Zahl der Menschen, die tatsächlich an das Christentum glauben, zurückgeht, und ich bin damit glücklich. Aber ich wäre nicht glücklich, wenn wir zum Beispiel alle unsere Kathedralen und unsere schönen Pfarrkirchen verlieren würden. Es wäre bedeutsam, wenn wir es durch eine alternative Religion ersetzen würden. Das wäre wirklich schrecklich.“

In London leuchteten erstmals 2023 anlässlich des muslimischen Fastenmonats Ramadan Lichterketten im Zentrum der Stadt. In diesem Jahr wurde die Aktion während des Osterfestes erneut durchgeführt, 30.000 Lämpchen verzierten zwei der belebtesten Londoner Plätze, den Piccadilly Circus und den Leicester Square.

Dawkins sagte, dass er es als Problem empfinde, dass zusätzlich zu den gemeldeten 6.000 Moscheen, die es derzeit in England gibt, weitere geplant seien. „Wenn ich mich zwischen Christentum und Islam entscheiden müsste, würde ich mich jedes Mal für das Christentum entscheiden. Es scheint mir eine grundsätzlich anständige Religion zu sein, in einer Weise, die der Islam meiner Meinung nach nicht ist.“ Die Art, wie der Koran einen Umgang mit Frauen oder Homosexuellen fordere, gefalle ihm nicht, so Dawkins.

Gott ist ein Kindermörder, aber Kirchenlieder sind okay

Dawkins steckt da offenbar in einem Dilemma: Er findet den christlichen Glauben furchtbar, aber er freut sich über dessen Früchte. Er mag Kirchenlieder, lehnt deren Inhalt jedoch ab. In der Radiosendung sagte Dawkins weiter über den Gegensatz von Islam und Christentum: „In Afrika gibt es Missionen beider Glaubensrichtungen. Ich gehöre zum ‚Team Christen‘.“ Dawkins betonte, dass er weiterhin den christlichen Glauben für Nonsens halte, auch die Botschaft von Ostern, dass Jesus von den Toten auferstand.

Mit seinem Buch „The Greatest Show on Earth – The Evidence for Evolution“, das in Deutschland unter dem Titel „Die Schöpfungslüge – Warum Darwin Recht hat“ erschienen ist, wollte Dawkins explizit Menschen „befreien“, die glauben, die Welt sei von einem höheren Wesen erschaffen worden. Dawkins nennt jene, die die Welt für erschaffen halten, „Holocaust-Leugner“, „ungebildet“, „lächerlich“ und „bis an Perversion grenzend verblendet“. Den Gott des Alten Testaments bezeichnete er einst als „die unangenehmste Gestalt in der gesamten Literatur: Er ist eifersüchtig und auch noch stolz darauf; ein kleinlicher, ungerechter, nachtragender Überwachungsfanatiker; ein rachsüchtiger, blutrünstiger ethnischer Säuberer; ein frauenfeindlicher, homophober, rassistischer, Kinder und Völker mordender, ekliger, größenwahnsinniger, sadomasochistischer, launisch-boshafter Tyrann.“

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