Glauben ist vernünftig

Der bekannte Vertreter des „Intelligent Design“ Stephen C. Meyer hat in einem Buch seine Argumente für ein gottgewolltes Universum zusammengetragen – und seinen eigenen Werdegang vom existenziell Verzweifelten zum gläubigen Theisten nachgezeichnet.
Von Jörn Schumacher
Unsere Erde aus der Vogelperspektive

Der Biologe Charles Darwin, der Physiker Stephen Hawking und der Bestsellerautor Richard Dawkins haben eines gemeinsam: Sie schufen mit ihrem Weltbild eine breite Akzeptanz in der Gesellschaft für ein Weltbild, das ohne Gott auskommt. Naturwissenschaftlich sei „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ (siehe die atheistische Bus-Kampagne vor 15 Jahren) klar, dass es keinen Gott gibt.

Auf der anderen Seite stehen häufig belächelte Intelligent–Design-Vertreter, die keineswegs als so sicher bewiesen ansehen, dass Gott bereits wissenschaftlich abgeschafft wurde. Stephen C. Meyer ist einer der prominentesten und fleißigsten Vertreter dieser „ID“-Weltanschauung, der zufolge der Kosmos in irgendeiner Weise von einem intelligenten Baumeister ersonnen sein muss.

Der studierte Geophysiker und Philosoph ist Direktor des Center for Science and Culture in Seattle, das zum „Discovery Institute“ gehört, einer Einrichtung, die Intelligent Design verbreiten möchte. Meyers Stärke ist, dass er sowohl fundiert philosophisch als auch naturwissenschaftlich argumentiert. Der promovierte Philosoph hat nicht nur mehrere Bücher zum Thema verfasst, sondern sich zahlreiche Debatten mit Biologen und Philosophen über Atheismus und die Weltentstehung geliefert.

Das Universum hatte einen Anfang – und ist nicht chaotisch

Auch wenn es wohl jeder gute atheistische Biologe oder Physiker vehement leugnen würde – man wird bei der Lektüre von Meyers Buch das Gefühl nicht los, dass auch zum überzeugten Atheistsein eine gewisse ideologische Verbohrtheit dazugehört. „Wie andere Weltanschauungen auch, versucht der wissenschaftliche Materialismus einige Fragen über die letztgültige Realität zu beantworten – Fragen über die menschliche Natur, Moral und Ethik, die Basis des menschlichen Wissens und sogar, was nach dem Tod mit den Menschen geschieht“, schreibt Meyer.

Alles soll demnach aus der Materie selbst „irgendwie“ entstanden sein. Einen Schöpfergott kann oder besser: darf es da nicht geben. Dabei, und darauf zielt Meyers Buch ab, gebe es unzählige Hinweise darauf, dass das falsch sei. Sein Werk ist umfangreich (784 Seiten) und komplex. Aber wer sich zumindest auf das eine oder andere Kapitel einlässt, wird belohnt mit mehr Wissen und vielleicht mehr Sicherheit im Glauben.

Meyer kann komplizierte Dinge kurz und gut verständlich erklären, an manchen Stellen, gerade wenn es im zweiten Teil um die Kosmologie geht, ist dann aber schon ein wenig Experten-(Vor-)Wissen gefragt. Doch eines ist sicher: Meyer argumentiert immer streng wissenschaftlich. Es wird kein einziges Bibelzitat genannt!

Materialistische Weltsicht durch Marx und Freud

Der ID-Forscher stützt seine Argumente auf drei Säulen, wissenschaftliche Entdeckungen, die seiner Auffassung nach den theistischen Glauben stützen – er nennt es „die Rückkehr der Gotteshypothese“.

Erstens Belege aus der Kosmologie, die nahelegen, dass das Universum einen Anfang hatte; zweitens Belege aus der Physik, die zeigen, dass das Universum von Anfang an „feinabgestimmt“ war, sodass die Möglichkeit für Leben gegeben war; drittens Belege aus der Biologie, die nachweisen, dass von Anfang an große Mengen neuer funktioneller genetischer Informationen in unserer Biosphäre aufkamen, die neue Lebensformen möglich machten – was auf die Aktivität einer gestaltenden Intelligenz hinweist.

Meyer zeichnet den Weg nach, der seiner Meinung nach dazu führte, dass es in der westlichen Welt seit Begründung der neuzeitlichen Naturwissenschaft zu einer enormen „intellektuellen Verschiebung“ kam, hin zu einer von religiösen Glaubensüberzeugungen losgelösten, ja antireligiösen Wissenschaft.

Er macht dabei den radikalen Empirismus von David Hume, die Evolutionstheorie von Charles Darwin sowie die materialistische Weltsicht von Karl Marx und Sigmund Freud aus („Nicht Gott erschuf den Menschen; der Mensch erschuf Gott.“ – Freud).

„Zusammengenommen legten die naturalistischen Ursprungstheorien in Astronomie, Geologie und besonders in der Biologie nahe, dass die gesamte Geschichte des Universums sich als eine beinahe nahtlose Entfaltung des Potenzials von Materie und Energie erzählen ließ“, schreibt Meyer. Einem wissenschaftlichen Erdbeben kam die Entdeckung gleich, das Universum expandiere (Edwin Hubble) und dass es einen „Urknall“ gegeben haben muss (Georges Lemaître).

Denn das bedeutete, dass das Universum einen Anfang hatte. Meyer zeigt nachvollziehbar, wie zudem die vor 40 Jahren entdeckte kosmologische Raumzeit-Singularität eine „Kampfansage an jegliche materialistische Theorie zum Ursprung des Universums“ sei: „Tatsächlich bedeutet eine Singularität, dass nicht nur Raum und Zeit, sondern auch Materie und Energie am Anfang des Universums überhaupt erst entstanden.“ Im Grunde sei das eben genau jene „Schöpfung aus dem Nichts“, von der die Bibel spricht.

Fossil-Funde zeichnen anderes Bild

Großen Raum gibt Meyer erwartungsgemäß der „kosmologischen Feinabstimmung“: Seit den 1950er-Jahren entdeckten Physiker, dass das Leben im Universum von einer höchst unwahrscheinlichen Kombination aus Kräften und Merkmalen abhängt sowie von einer extrem unwahrscheinlichen Balance zwischen vielen dieser Kräfte und Merkmale.

Später geht Meyer auf den Ursprung des Lebens und das Rätsel der DNA ein. Sogar Richard Dawkins gab zu, in der Biologie gehe es um „komplizierte Dinge, die so aussehen, als seien sie zu einem Zweck entworfen worden“. Nur einen Konstrukteur darf es eben nicht geben. Dabei ist bis heute nicht geklärt, wie die erste Zelle entstand.

Meyer erklärt den mathematischen Begriff der Information nach Claude Shannon, und macht deutlich, wie unfassbar klein die Wahrscheinlichkeit ist, dass Information aus sich selbst heraus entsteht. Dabei steckt die DNA voll von Information, sie ist wie ein Computerprogramm geschrieben.

Die Ansicht, Selbstorganisationsmodelle könnten den Ursprung biologischer Information erklären, halte sich erstaunlich wacker, erklärt Meyer, „dennoch gibt es ernste wissenschaftliche und konzeptionelle Gründe, diese Modelle anzuzweifeln“.

Entstehung von Leben durch Außerirdische?

Ist am Ende die Ablehnung wissenschaftlicher Notwendigkeiten selbst ideologisch begründet? Irgendwie fast schon lustig, zumindest aber intellektuell abwegig wird es, wenn jemand versucht, die Entstehung von Leben mit Außerirdischen zu begründen, die das Leben auf der Erde „gesät“ hätten. Genau das tat Dawkins in einer Diskussionsrunde.

Ein Problem des modernen Verständnisses von Evolution (nämlich zufällige Mutation und natürliche Selektion) sei zudem: So wie in einem Computerprogramm bedeuten zufällige Änderungen immer eine Verminderung und letztlich die Zerstörung der Funktion des existierenden Programms, lange bevor ein neues Programm durch einen solchen Prozess entstehen würde.

Im Kapitel „Die kambrische und andere Informationsexplosionen“ geht Meyer auf den Umstand ein, dass es laut Darwin eine allmähliche Entwicklung der Arten geben sollte, die Fossil-Funde aber eher auf ein schlagartiges Auftreten von komplexeren Lebensformen hindeuten und keine Entwicklungsschritte erkennen ließen.

„Die ersten geflügelten Insekten, Vögel, Blühpflanzen, Säugetiere und viele andere Gruppen tauchen ebenso abrupt im Fossilbericht auf, ohne offenkundige Verbindung zu mutmaßlichen Vorfahren in den tiefer liegenden älteren fossilhaltigen Sedimentgesteinen.“

Blick zum Himmel weist auf ein Schöpfungsereignis hin

Besonders eindrücklich ist das Buch immer dann, wenn Meyer von Wissenschaftlern schreibt, die nicht trotz, sondern wegen ihrer wissenschaftlichen Erkenntnisse Zweifel am wissenschaftlichen Materialismus bekamen und in gewisser Weise „gläubig“ wurden.

Der ehemalige Astronom Allan Sandage vom California Institute of Technology etwa, ursprünglich Agnostiker, bekannte 1985 auf einer Konferenz, eine religiöse Bekehrung durchgemacht zu haben. Die Belege im Bereich der Physik und der „Blick zum Himmel“ hätten ihn gezwungen anzunehmen, dass es ein Schöpfungsereignis gegeben haben müsse. Meyer hat mehrere solcher Konversionsgeschichten der wissenschaftlichen Art parat.

So hartnäckig sich die Auffassung, Glaube und Wissenschaft schlössen sich gegenseitig aus, halte, so habe der Glaube an einen Gott – und insbesondere das Christentum – eine entscheidende Rolle im Aufstieg der modernen Naturwissenschaft im 16. und 17. Jahrhundert gespielt, betont Meyer. Denn wenn der Kosmos von einem Schöpfer erschaffen wurde, sollte dies mit dem Verstand erkennbar sein; es herrscht kein sinnloses Chaos vor.

Hinweise auf Gott in einer physischen Welt

Meyer stellt fest: „Die großen Pioniere der Physik – Newton, Galileo, Kepler, Kopernikus – waren aus einem tiefen Glauben heraus davon überzeugt, dazu berufen zu sein, Hinweise auf Gott in der physischen Welt zu finden.“ Für Newton sei seine Gotteshypothese geradezu „ein produktiver Wissenschaftsmotor“ gewesen.

Der Autor zeichnet am Schluss seinen eigenen Weg nach, wie er als Student noch von der Evolutionstheorie überzeugt war und nach und nach immer mehr Wissenschaftler kennenlernte, Bücher las und Fragen nachging, was ihn radikal umdenken ließ.

Wer Meyers Buch liest, kommt in die Verlegenheit sich zu wundern, dass überhaupt irgendjemand an der Existenz Gottes zweifeln kann, wenn er sich nur genau die Welt anschaut.

„In diesem Buch habe ich durchgehend argumentiert, dass die wissenschaftlichen Belege, die wir über die biologischen und kosmologischen Ursprünge haben, logischerweise dazu führen, Gott zu erkennen“, behauptet Meyer.

Oder kurz gesagt: Es ist viel wahrscheinlicher, dass es einen Schöpfergott gibt, als dass es keinen gibt. Noch kürzer: Glauben ist vernünftig. Von Gottesbeweisen will Meyer selbst natürlich nicht sprechen. Aber von der „Möglichkeit eines evidenzbasierten Arguments für die Existenz Gottes“.

Stephen C. Meyer: „Die Wiederentdeckung Gottes. Wie Kosmologie, Physik und Biologie einen Schöpfer erkennen“, Verlag SCM Brockhaus, 784 Seiten, 49 Euro, ISBN: 9783417020151

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