Presserat: Bild kassiert die meisten Rügen

Kein anderes Medium wird vom Presserat so oft gerügt wie Bild. Im vergangenen Jahr traf es sie unter anderem wegen Corona-Berichten und der Verletzung von Persönlichkeitsrechten. Dabei sei Sorgfalt in der aktuellen Krise besonders wichtig, betonte der Presserat.
Von Swanhild Brenneke

Die meisten Rügen vom Presserat haben im vergangenen Jahr die Bild-Medien kassiert – so wie jedes Jahr. Das sagte Sonja Volkmann-Schluck vom Deutschen Presserat bei der Vorstellung des Jahresberichts 2021. Kein anderes Medium werde so oft gerügt.

Zum Beispiel hätten 94 Personen im Zuge der Corona-Berichterstattung über die Überschrift „Die Lockdown-Macher“ von der Bild geklagt. Der Artikel drehte sich um drei Wissenschaftler. Überschrift und Artikel stellten fälschlicherweise die Forscher an den Pranger. Sie suggerierten, diese seien für Lockdown-Maßnahmen verantwortlich. Das sei jedoch Sache der Politik. Die Beschwerde wird aktuell geprüft, ein Urteil soll Ende März fallen.

Eine zweite Sammelbeschwerde betraf den Seilbahnabsturz am Lago Maggiore. Der einzige Überlebende, ein kleiner Junge, sei auf Bildern gezeigt worden – ebenfalls bei Bild. Dafür sprach der Presserat eine Rüge aus. Kinder sollten grundsätzlich nicht identifizierbar sein – auch wenn die Angehörigen vorab zugestimmt hatten.

Insgesamt seien die Beschwerden beim Deutschen Presserat im vergangenen Jahr zurückgegangen, sagte Volkmann-Schluck, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit. 2.556 Einzelbeschwerden seien bei den Verantwortlichen eingegangen. 2020 waren das 4.085 – ein Rekord.

Rügen für falsche Corona-Berichterstattung

Viele Menschen hätten sich vergangenes Jahr über die Corona-Berichterstattung beschwert. 457 Einzelbeschwerden habe es gegeben. Oftmals hätten Leser Zweifel an der Richtigkeit der Artikel gehabt, wenn es um Impfnebenwirkungen, Intensivbetten oder Krankheitszahlen gegangen sei. Drei Viertel der Beschwerden hätten sich jedoch als unbegründet herausgestellt. Sie seien häufig von eigenen Überzeugungen geleitet gewesen und die Artikel seien sachlich richtig gewesen, erklärte Volkmann-Schluck.

Fünf Rügen sprach der Presserat im Zuge der Corona-Berichterstattung aus. Eine davon habe einen Artikel über einen Arzt getroffen, der behauptet habe, die Einnahme von Vitamin D würde vor einer Erkrankung schützen. Im Artikel der Westfalenpost habe er zudem für seine Präparate werben können.

Die Redaktion hätte die Wirkung von Vitamin D im Zusammenhang mit Covid-19 hinterfragen müssen, urteilte der Presserat. Gemäß Ziffer 14 des Pressekodex wecke der Artikel damit unbegründete Hoffnungen. Die unkritische Darstellung der Wirkung von Vitamin D verstoße zudem gegen die Trennung von Werbung und Redaktion, die ebenfalls im Pressekodex festgeschrieben ist.

Spitzenreiter bei Einzelbeschwerden seien Verletzungen des Persönlichkeitsrechts gewesen. Das bedeutet, dass Name, Fotos oder Krankheiten der betreffenden Personen ohne vorherige Zustimmung veröffentlicht werden. Auch Beschwerden zur Verletzung des Opferschutzes habe es viele gegeben. So seien Fotos von privaten Facebook- oder Instagramkanälen von Opfern ohne deren Einverständnis verwendet worden.

Insgesamt sprach der Presserat 60 Rügen zu Verletzungen des Persönlichkeitsrechts und Opferschutzes aus. Das waren sieben mehr als in 2020.

Ukraine-Krieg: Sorgfalt im Journalismus besonders wichtig

Der Ukraine-Krieg stelle Journalisten vor große Herausforderungen, sagte Sascha Borowski, Sprecher des Deutschen Presserats. Denn die Arbeit finde oft unter Lebensgefahr statt. Der Ukraine-Krieg sei auch ein Informationskrieg, sagte er. Zur Berichterstattung über die Ukraine-Krise gebe es bereits erste Beschwerden. Zum Beispiel, weil in einigen Artikeln ein Atomkrieg angedeutet worden sei und dies falsche Tatsachen suggeriere und Ängste schüre. Diese Beschwerden würden aktuell noch geprüft.

Es seien zudem bereits sehr drastische Fotos aus dem Kriegsgebiet veröffentlicht worden. Auch dazu erwartet der Presserat Beschwerden. Denn über die Veröffentlichung von Kriegsbildern und deren Relevanz für die Berichterstattung könne man geteilter Meinung sein, sagte Borowski.

In den aktuell „unsicheren Zeiten“ sei eine sorgfältige Berichterstattung in den Medien wichtiger denn je, sagte er weiter. Menschen dürften durch fehlerhafte Berichte nicht das Vertrauen in die Medien verlieren.

Regionalzeitungen sind zudem die häufigste Adresse für Beschwerden. Das habe mit der Leser-Blatt-Bindung zu tun, sagte Presserat-Sprecher Borowski. Die Leser schätzten es, wenn ihre Zeitung sorgfältig berichte. Gleichzeitig fielen den Lesern vermeintliche Verstöße gegen den Pressekodex häufiger auf.

Der Deutsche Presserat ist die Freiwillige Selbstkontrolle der Printmedien und ihren Online-Auftritten. Anhand von Beschwerden überprüft er die Einhaltung ethischer Regeln im Journalismus, die im Pressekodex festgehalten sind.

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