Bundestag prüft mögliche Organspendegesetze

Am Mittwoch haben die Abgeordneten des Bundestages über die künftige Regelung der Organspende diskutiert. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn warb für seinen Entwurf, der jeden zum potenziellen Organspender machen soll, der nicht widerspricht. Annalena Baerbock erklärte, warum sie will, dass jeder Deutsche der Spende ausdrücklich zustimmen muss.
Von Anna Lutz
Will die Widerspruchslösung: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn

Die Organspende in Deutschland wird neu geregelt, soviel steht fest. Wie ein neues Gesetz aussehen soll, darüber haben am Mittwoch die Abgeordneten des Deutschen Bundestages in Erster Lesung beraten. Zur Auswahl stehen zwei fraktionsübergreifende Gesetzesvorschläge.

Da wäre zum einen die sogenannte Widerspruchslösung, die Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach, Georg Nüßlein (CSU) und Petra Sitte (Linke) auf den Weg gebracht haben. Wird dieses Gesetz verabschiedet, würde automatisch jeder Bürger ab 16 Jahren zum Organspender, der nicht zu Lebzeiten widersprochen hat. Im Zweifel sollen Angehörige über eine Organspende entscheiden können, wenn sie glaubhaft machen können, dass der Betroffene kein Spender sein wollte. 222 Abgeordnete tragen diesen Gesetzesentwurf mit.

Eine weitere Parlamentariergruppe um Annalena Baerbock (Grüne), Heribert Hirte (CDU), die ehemalige SPD-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt, Katja Kipping (Linke) und Otto Fricke (FDP) will eine Zustimmungslösung durchsetzen. Als Organspender registriert würden dann nur Menschen, die ausdrücklich zugestimmt haben. Informationen zur Organspende und die Abfrage des individuellen Wunsches sollen an das Abholen von Ausweispapieren bei den entsprechenden Behörden gekoppelt sein. Dieser Gesetzesentwurf wird von 192 Abgeordneten getragen.

Wer Organe empfangen kann, soll auch eine Spende prüfen

Spahn erklärte in seinem Statement zur Organspende, der Vorschlag der Zustimmungslösung ändere faktisch nichts an der gegenwärtigen Situation der geringen Spenderzahlen. Der Gedankengang hinter seiner Gesetzesinitiative sei: Jeder Mensch sei potenzieller Organempfänger, deshalb könne auch jeder potenzieller Organspender sein. Die Pflicht, sich entscheiden zu müssen, sei in einer freien Gesellschaft zumutbar.

Georg Nüßlein (CDU) erklärte gleich zu Beginn der Debatte: „Es gibt nichts Christlicheres als im Tode jemand anderem das Leben zu retten.“ Er ist ebenso wie Lauterbach einer der Unterstützer der Widerspruchslösung. Letzterer begündete seine Haltung damit, dass der Fehler in der jetzigen Regelung liege. Erwiesenermaßen wollten die meisten Deutschen spenden, sie würden aufgrund bürokratischer Hürden aber nicht zu Spendern. Daher sei es „ethisch geboten“, eine Widerspruchslösung einzuführen. „Das, was ich für mich selbst wünsche, muss ich auch bereit sein, anderen zu geben“, sagte Lauterbach. Jeder müsse verpflichtet werden, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und wenn nötig zu widersprechen. Hermann Otto Solms (FDP) stellte fest, kein Mensch beschäftige sich gerne mit dem eigenen Tod. Die Widerspruchslösung aber könne die Menschen dazu bewegen, ihre vorhandene „Opferbereitschaft“ auch umzusetzen.

Hat sich der Spender wirklich damit beschäftigt?

Aufseiten der Befürworter einer Zustimmungslösung erklärte Annalena Baerbock (Grüne), eine Widerspruchslösung stehe der Verfassung entgegen und zwar konkret dem Recht auf körperliche Unversehrtheit. Das Prinzip der Zustimmung durchziehe – auch historisch bedingt – das deutsche demokratische System. Hilde Mattheis (SPD) verwies auf die Verantwortung des Staates gegenüber den Angehörigen möglicher Organspender. „Bei der Widerspruchslösung wissen wir alle nicht: Hat sich dieser Mensch damit befasst?“ Um die Zahlen der Organspender zu erhöhen, reiche es nicht, das Verfahren zu ändern. Bulgarien etwa habe auch die Widerspruchslösung, aber niedrigere Spenderzahlen als Deutschland. Den Menschen mangele es an Vertrauen in das System der Organspende. Niemand dürfe zu einer Entscheidung genötigt werden. Parteikollege Dietmar Nietan sagte: „Einmal sich mit 16 für eine Organspende zu entscheiden, ist nicht, was wir brauchen.“ Gesellschaftliche und wichtige Themen müssten immer wieder neu in der Mitte der Gesellschaft diskutiert werden.

Die AfD-Fraktion brachte einen Antrag ein, der eine sogenannte Vertrauenslösung ins Spiel bringt. Dieser fordert eine Änderung des Transplantationsgesetzes. Die Fraktion teilte mit, sie wolle transparente, allgemein geltende Regeln zu einer „umfassenden Aufklärung über die Phase des Sterbens, zu organprotektiven Maßnahmen, der Todesfeststellung und den Umgang mit Angehörigen des Spenders“ schaffen. Die Debatte im Bundestag und die Abstimmung über ein Gesetz folgen voraussichtlich nach der Sommerpause.

Kirche bekräftigt Nein zur Widerspruchslösung

Die Kirchen haben sich im Vorfeld geschlossen gegen Spahns Vorschlag gestellt: Die Evangelische Kirche in Deutschland befürwortet den Vorschlag der Gruppe um Baerbock. Am Mittwoch bekräftigte der Bevollmächtigte der Kirche in Berlin, Martin Dutzmann, die Haltung noch einmal: „Die EKD unterstützt die Organspende, wir sind aber der Meinung, dass die Widerspruchslösung nicht vertretbar ist.“ In dieser Haltung gehe sie „absolut konform“ mit der Katholischen Kirche. Die Deutsche Evangelische Allianz sieht in dem Vorschlag Spahns einen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht und die Würde des Menschen.

Von: Anna Lutz

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